Ihr Unternehmen entstand 1984 in einer Garage im Kanton Solothurn. Heute ist Tally Weijl mit 789 Läden in 37 Ländern so weltweit aktiv wie kaum eine andere Schweizer Detailhandelskette. Warum ist das Ihnen gelungen – und anderen nicht?
Beat Grüring*: Ganz einfach. Weil es kaum jemand anders probiert hat.

Was braucht es, um erfolgreich zu sein in diesem Geschäft?
Grüring: Noch einfacher: Den absoluten und unbedingten Fokus auf drei Dinge: Kunde, Kunde, Kunde. Für uns heisst das: Unseren Kundinnen die Produkte bieten, die sie als unsere DNA erkennen.
Ravital «Tally» Weijl*: Da hat er recht.

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Lange war Ihre Firmen-DNA durch zwei Wörter gekennzeichnet....
Weijl: Das stimmt so. Wir sind immer noch totally sexy.

Wir dachten, die Firma hätte sich vom Image des Lolita-Chic verabschiedet.
Weijl: In unserer Auffassung bedeutet «totally sexy» für eine junge Frau, dass sie sich attraktiv und selbstbewusst fühlen kann in unseren Kleidern. Zusätzlich haben wir das Segment unserer Kundinnen etwas erweitert.

An der Zürcher Bahnhofstrasse haben Sie zum ersten Mal eine Beauty-Etage mit Coiffeur und Kosmetik-Abteilung installiert. Was ist da die Idee?
Weijl: Mode und Schönheit passen zusammen. So kann sich die Kundin beispielsweise vor dem Ausgang gleich noch bei uns frisieren, manikürieren und schminken lassen. Der Beauty-Salon ist eine Erweiterung des Angebots....
Grüring: ...und eine Aufwertung des stationären Ladens: eine Maniküre kann man sich nicht online verschaffen.

Soll das ausgeweitet werden?
Weijl: Als nächstes werden wir unseren Laden in Lausanne im November um einen Beauty-Salon ergänzen. Wo wir in Läden in grösseren Städten den nötigen Platz haben und den richtigen Partner finden, werden wir das einbauen. Es ist ein Service für unsere Kundinnen – und es passt hundertprozentig zu unserer DNA.

Dürfen sich dort auch Männer verschönern lassen? Oder ist das eine Girls-only-Zone?
Weijl: Natürlich sind auch Männer willkommen.

Tally Weijl sorgt sich seit 32 Jahren nur um Frauen. Dabei sind doch Männer die viel einfacheren Kunden.
Weijl: Wie meinen Sie das?

Männer erledigen ihr Shopping per «Bulk Buying»: Sie kaufen zweimal im Jahr ein –  im Frühling und im Herbst - und dann gleich massig. Frauen sind wählerischer und neigen nicht zum simpel strukturierten Grosseinkauf.
Weijl: Tatsächlich verhält es sich ganz anders: Die jungen Männer sind heute genauso modebegeistert wie die Frauen. Die Männer-Modeszene wächst mit hohem Tempo.

Dann müsste Sie Männermode also interessieren.
Grüring: Tatsächlich diskutieren wir das aktuell. Früher haben wir immer mal wieder darüber gesprochen, doch nach 30 Sekunden war das Thema erledigt. Nun überlegen wir das erstmals seriös. Die Entscheidung, dies genau anzuschauen, steht. Wir probieren Männer.

Das wäre eine Revolution ihres 32-jährigen Geschäftsmodells. Wie gehen Sie vor bei der Ausweitung der Kaufzone?
Grüring: Das Projekt ist bereits angelaufen, wir werden intern die ersten Prototypen im Herbst 2016 sehen und entscheiden dann, ob wir per Herbst 2017 oder im Frühling 2018 eine erste Männer-Kollektion lancieren.  Oder ob wir das wieder abblasen. Wichtig ist uns, dass eine allfällige Männer-Kollektion perfekt zu unserer DNA passt.

Jetzt fehlt noch der Slogan: «Totally Macho»?
Grüring: So wohl eher nicht.

«Totally Testosteron»?
Grüring: Netter Versuch. Ich denke da eher an «Totally Cool».
Weijl: Das Männer-Projekt hat eine reelle Basis. Wir sehen heute schon, dass junge Frauen oft mit ihren Freunden zum Einkaufen kommen. Das ist ein zusätzliches Zeichen für das Interesse der Männer. Kommt dazu: Wir merken, dass sich viele junge Frauen von den Looks von männlichen Musikern in deren Videos inspirieren lassen.

Welcher Schweizer Prominente steht heute in seinem Style schon für einen total coolen Tally-Mann? Vielleicht der junge welsche Pop-Barde Bastian Baker?
Weijl: Nicht schlecht, der Input. In einem internationalen Kontext sähe ich eher einen US-amerikanischen Rapper wie ASAP Rocky als eine Art Vorbild. Was auf jeden Fall feststeht: Jungs interessieren sich heute so stark für Mode wie Mädchen.
Grüring: Ich sehe das nur schon bei unseren Lehrlingen: Die kommen seit ein paar Jahren viel gestylter zur Arbeit als früher.

Wenn Sie die Kaufzone ausweiten: würden sie dann eigene Läden für Jungs und eigene Läden für Mädchen eröffnen?
Grüring: Das ist noch in Diskussion. Ich kann mir beide Varianten vorstellen, also Läden für Jungs und Mädchen, aber auch getrennte Shops.

Bietet Tally Weijl in allen 37 Ländern überall die gleichen Kollektionen an? 
Weijl: Da gibt es schon Unterschiede. Girls in Hamburg kleiden sich anders als solche in Palermo. Deshalb arbeiten wir zusätzlich zu unserer internationalen Kollektion mit Nord- und Süd-Spezifikationen. Dabei spielen Unterschiede wie Klima und Mentalität eine Rolle.

Was bedeutet «totally sexy» in Deutschland – und was in Italien?
Weijl: Ganz grob gesagt schätzen Mädchen in Ländern wie Deutschland tagsüber Bequemlichkeit und kleiden sich eher leger, während es die Ragazze von früh bis spät glamourös mögen. Im Süden verkaufen wir mehr Kleider, im Norden sind Hosen stärker gefragt. Man könnte sagen, dass das Thema Sexyness im Süden etwas offensiver, im Norden dagegen zurückhaltender interpretiert wird.

So eine Art Monica Bellucci versus Claudia Schiffer-Syndrom?
Weijl: Damit treffen Sie es recht gut.

Kleiden sich Schweizer Mädchen totally Nord oder totally Süd?
Grüring: Weder noch. Die Schweiz, wo wir 15 Prozent unseres Umsatzes erzielen, gehört gemäss unseren Spezifikationen zu 60 Prozent zum Norden und zu 40 Prozent zum Süden.

* Ravital «Tally» Weijl (56) amtet als Kreativ-Chefin und Namensgeberin von Tally Weijl; operativer Chef ist ihr Ex-Mann Beat Grüring (55). Die Schweizer Fast-Fashion-Modekette erstreckt sich vom Hauptsitz Basel aus mit 789 Läden über 37 Länder. Angestellte: 3400. Umsatz 2015: 420 Millionen Franken. (Bild: ZVG)

 

Andreas Güntert
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