Stossen Tankstellenshops, die jahrelang als eigentliche Senkrechtstarter des Detailhandels galten, bereits an ihre Wachstumsgrenzen? Die Frage drängt sich beim Blick auf die Entwicklung der gesamten Branche auf: Seit zwei Jahren stagniert die Zahl der Shops, und die steile Wachstumskurve beim Umsatz, der laut IHA 2001 erstmals die Milliardengrenze übertraf, ist inzwischen merklich abgeflacht. «Wir sehen aber noch längst keine Sättigung», erklärt Walter Eberle, Geschäftsführer der Coop Mineralöl AG. Diese hat als Betreiberin des Coop-Pronto-Konzepts 2003 weitere 30 Mio Fr. investiert und 20 Shops eröffnet, wovon 15 an Tankstellen. Die Umsätze in den 118 Prontos (wovon 101 an Tankstellen) konnten um fast 20% auf 250 Mio Fr. gesteigert werden. Coop beansprucht inzwischen einen Viertel des Umsatzes der 1148 Tankstellenshops in der Schweiz. Selbst expansionsbereinigt beträgt das Wachstum der Prontos immer noch beneidenswerte 7%. Diese sind damit zu den Überfliegern in der Branche avanciert.

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Mineralölgesellschaften in der Defensive

In der Defensive befinden sich hingegen die grossen Mineralölgesellschaften Agip, BP und Shell. Sie geben zwar keine Umsatzzahlen bekannt, dürften allerdings bereits an ihre Grenzen gestossen sein. Ihr Netz an Tankstellenshops ist in den letzten fünf Jahren jedenfalls kleiner geworden. Auch der früher forcierte Ausbau bestehender Shops in grössere Läden stagniert. Bereits wird darüber spekuliert, ob der Wachstumsmarkt Tankstellenshops, der mit Steigerungsraten von 5 bis 10% jeweils den normalen Detailhandel deutlich übertrumpfte, an der Schwelle zum Verdrängungsmarkt steht. Jedenfalls gibt es in diesem Geschäft Gewinner und Verlierer.

Coop hat offensichtlich die besten Karten in der Hand und legt ein Tempo vor, dem im Moment kein Konkurrent gewachsen ist. Eberle betont: «Das Bedürfnis nach Convenience-Produkten, die nach dem normalen Ladenschluss noch erhältlich sind, wächst unaufhaltsam, und der Kundenkreis weitet sich aus. Früher besuchten die Tankstellenshops vor allem Jüngere, heute frequentieren sie alle Schichten, von Jugendlichen bis zu den Pensionierten.» Auf die Frage nach dem eigentlichen Erfolgsrezept antwortet Eberle: «Es spricht sich eben schnell herum, an welcher Zapfsäule die Lebensmittel am günstigsten sind.» Der Preis werde zu einem immer wichtigeren Argument, fügt er bei.

Tatsächlich sind 90% des Sortiments von rund 2000 Artikeln in den Prontos nicht teurer als im normalen Coop-Supermarkt. Bei vielen anderen Tankstellenshops schrecken hingegen die happigen Preise, die um 10 bis 40% über denen des Detailhandels liegen, die immer sensibleren Käufer ab.

Im Sog von Mutter Coop

Klar ist auch, dass die Prontos von der gesamten Expansionsstrategie des Detailhandelsriesen profitieren. So kam man im letzten Jahr an fünf ehemaligen Waro-Standorten gleichsam wie die Jungfrau zu fünf Pronto-Kindern. Laufend werden zudem neue Tankstellen samt Shops auf der grünen Wiese gebaut. Zwei Personen sind mit nichts anderem beschäftigt, als solche Standorte zu akquirieren. Bei den Neueröffnungen ködert Coop Pronto die Kunden mit grosszügigen Treibstoff-Gutscheinen. Wer sie geschickt einsetzt, kriegt den Liter Benzin bis zu einem halben Jahr um 5 Rappen billiger. Und er wird, ohne sich dessen bewusst zu sein, schnell zum Stammkunden.

Weiterer Vorteil: Die im Franchising-System betriebenen Prontos werden direkt von der mächtigen Mutter Coop beliefert. Das erlaubt nebst logistischen Synergien eine komfortable Auswahl an Frischprodukten: Brot, Milch, Käse, Früchte, Gemüse, Fleisch und Wurst. Renner an den Tankstellen sind zudem die allerdings nicht ganz günstigen Betty-Bossy-Produkte.

Zum Konzept gehört, an 365 Tagen im Jahr von 6.00 bis 22.00 Uhr offen zu sein. Dies lässt sich in fast sämtlichen Kantonen (Ausnahmen Aargau, Freiburg) ohne Einschränkung durchziehen. An der A1 in Kempthal gibt es gar einen Pronto, der rund um die Uhr offen ist. «Das lohnt sich aber nur an ganz besonderen Standorten», meint dazu Eberle. Falsch wäre es, gibt er zu bedenken, den Erfolg einfach auf ein geniales Marketingkonzept zu reduzieren. Ein Laden, der vom frühen Morgen bis zum späten Abend Produkte des täglichen Bedarfs anbiete, entspreche schlicht und einfach einem echten Kundenbedürfnis. «Die Leute wollen sich nicht länger vorschreiben lassen, wann sie einkaufen dürfen und wann nicht», so der Pronto-Chef zu einem Trend, der sich in Zukunft noch verstärken dürfte.

Coop Pronto ist darauf vorbereitet: In diesem Jahr sind weitere 15 neue Shops an den Zapfsäulen geplant, und in ähnlichem Stil soll es auch in den nächsten Jahren weitergehen. Auf Prognosen, wann die Schweiz mit Prontos flächendeckend versorgt sein wird, will sich Eberle jedoch nicht einlassen. Ein wenig Kummer macht ihm, dass in gewissen Kantonen (Genf, Freiburg, St. Gallen) die liberalen Öffnungszeiten neuerdings wieder bekämpft werden.

Migros/Spar/Agrola

Die grossen Detailhändler erobern die Schweizer Zapfsäulen

Nebst Coop Pronto sind bei den Tankstellenshops die Migrol und auf kleinerem Level die Agrola am Drücker. Alle drei sind in Detailhandelskonzerne eingebunden und nutzen die sich daraus ergebenden Synergien. Beispiel Agrola: Sie besass vor sechs Jahren noch keinen grösseren Tankstellenshop, inzwischen sind es 26 grössere und drei kleinere. In diesem Jahr sollen laut Marketingchef Hannes Schnyder mindestens sieben Agrola-Top-Shops eröffnet werden. Die Fenaco-Tochter profitiert von der Nähe zur Volg, und die Top-Shops werden direkt von örtlichen Landis geführt.

Bei der Migrol schrumpfte nach einer Phase rasanten Wachstums 2003 die Zahl der Shops wieder von 136 auf 128: 17 kleinere wurden geschlossen, dafür 9 grössere aufgebaut. Für dieses Jahr befinden sich 14 grössere Shops in der Pipeline. Den Umsatz konnte Migrol von 180 auf 205 Mio Fr. steigern. Das im Vergleich zu Coop Pronto gemächlichere Wachstumstempo kommentiert Migrol-Chef Daniel Hofer gelassen: «Coop ist eben immer noch am Aufholen.»

Zusammen mit den 25 Avec-Shops der Migros komme man auf rund 300 Mio Fr. Umsatz, versucht Hofer den direkten Vergleich mit sämtlichen Prontos (Tankstellen und Stand-alone). So gerechnet hätte Migros/Migrol die Nase immer noch vorn. Die attraktivsten Standorte seien aber besetzt, vor allem in der Deutschschweiz, sagt derMigros-Manager mit Blick auf die Marktkonzentration.

Ebenfalls ins Geschäft mit den Tankstellenshops einsteigen will die Spar-Gruppe und zwar zusammen mit Tamoil. Zwei erste Shops sind in diesem Jahr in der Ostschweiz geplant. Für später wird eine Expansion ins ganze Mittelland von Spar nicht ausgeschlossen.

Die grössten Shopbetreiber

(Anzahl der Verkaufsstellen)

Betreiber 1997 2002 %

Shell 268 251 6

BP 180 170 -6

Migrol 100 136 36

Esso 123 137 11

Agip 128 107 16

Tamoil 87 106 22

Coop 53 86 62

Avia 50 76 52

City 26 23 12

Elf 24 28 17

Agrola 6 21 250

Quellen: Erdöl-Vereinigung/ IHA/«Handelszeitung»

Coop Pronto

2002 2003

Anzahl Tankstellen 104 124

Tankstellenshops 86 101

Umsatz in Mio Fr. *205 *250

*inklusive Stand-alone Prontos