Tele2 macht es, Swisscom auch: Das eifrige Werben mit Nulltarifen. Bei den einen kostet Telefonieren während der Nachtstunden nichts, dafür wurde der Tagestarif kräftig erhöht, bei den anderen gibts die Anrufe von 20 bis 24 Uhr umsonst. Alles Marketing-Spielereien, vergleicht man die Angebote mit den Preisen der neuen Mitbewerber Helvatel und 10787, die in der Schweiz seit wenigen Wochen um Kunden buhlen.

10787 ist gratis - vorerst zumindest: Hier gibts jede Minute zum Nulltarif, egal ob nun eine Fixnetz- oder eine Handy-Nummer angewählt wird. Bezahlt wird nur der Verbindungsaufbau von 3 Rp. fürs Festnetz und 19 Rp. fürs Mobilnetz. Ein wenig teurer - aber nach 10787 der zweitgünstigste Schweizer Anbieter - ist Helvatel. Dieser verlangt pro Gesprächsminute auf dem Festnetz gerade mal 2 Rp. und fürs Telefonieren auf das Mobilnetz 15 Rp. Hinzu kommt eine einmalige Gebühr pro Gesprächsaufbau von 10 Rp.

*«Ryanair der Telefonie»*

Mit ihren Angeboten fungieren 10787 und Helvatel als brutale Preisbrecher im Schweizer Markt. Keiner der etablierten Anbieter - ob Swisscom, Sunrise oder Tele2 - kann mit den Tarifen der neuen Billigstkonkurrenz mithalten. Der Grund dafür: Helvatel wie auch 10787 sind Abkömmlinge der holländischen Firma Telediscount BV und die gilt als «Ryanair der Telefonie-Anbieter».

Das Unternehmen mit Sitz in Amsterdam hat Ableger in ganz Europa und ist jeweils mit mehreren Firmen am Markt. Oft werden nicht nur die bestehenden Tarife unterboten, sondern auch Gebühren weit unter den Einstandspreisen offeriert. So auch in der Schweiz. Denn alleine für die Benutzung des Swisscom-Festnetzes zahlt ein Anbieter zwischen 1,5 und 5 Rp. pro Minute. Bei der Nutzung der Mobilnetze von Swisscom, Orange oder Sunrise fallen sogar Kosten von 28 bis 39 Rp. an. Im Klartext: Telediscount würde für jeden Anruf in der Schweiz massiv draufzahlen, hätte sie ein ähnliches Geschäftsmodell wie andere Telefongesellschaften.

*Tiefste Kosten als Modell*

Telediscount verfolgt jedoch ein für Schweizer Verhältnisse völlig neues Firmenkonzept:

-Low Cost: Kein Call-Center, keine Kontaktnummern, kein Service: Die Firmentöchter von Telediscount bieten nichts anders als billige Telefonate. Anmeldungen laufen wie sämtliche Kontakte elektronisch über die Website. Auf kostspieliges Marketing wird verzichtet. Gezahlt wird entweder mit Kreditkarte oder über die Telefonrechnung der Swisscom. Auskunft über die aktuellen Tarife erhalten die Kunden kostenlos bei jedem Anruf oder auf dem Internet. Preisanpassungen werden nicht separat kommuniziert. Durch diese Massnahmen haben 10787 und Helvatel eine extrem niedrige Kostenbasis, die ausser Schweizer Konkurrenz ist.

-Technische Tricks: Telefoniert man mit Telediscount kann es vorkommen, dass der Empfänger auf seinem Display eine exotische Ländervorwahl sieht. Dann nämlich, wenn Telediscount einen Anruf über ein Land mit tiefen Netzgebühren umleitet. Ein Beispiel: Lenkt Telediscount einen Anruf vom deutschen Festnetz aufs deutsche Mobilnetz über China um, zahlt sie fünfmal tiefere Gebühren. Das ermöglicht eine höhere Marge bei gleichzeitig tieferen Preisen.

-Einkauf/Quersubventionierung: Wie mit Strom wird im internationalen Markt auch mit Minutenpreisen und Kapazitäten gehandelt. Telediscount gilt in diesem Bereich als exzellenter Einkäufer, der von angebotenen Schnäppchen zu profitieren weiss. Der Nachteil dabei: Nutzen zu viele Kunden ein Angebot mit zu geringer Kapazität, muss Telediscount rasch zusätzliche und damit teurere «Kanäle» freischalten, was zu einer Erhöhung der Endpreise führt. Zudem finanziert Telediscount defizitäre Verbindungen durch lukrative Verbindungen.

*In Deutschland etabliert*

«Viel Fleiss und Hirnschmalz» nennt Martin Müller, Geschäftsführer des Internet-Vergleichsdienstes Teletarif, die Strategie von Telediscount. Seit über drei Jahren beobachtet Müller die inzwischen sechs Marken der Holländer in Deutschland. Sein Fazit: «Dank tiefer Kostenbasis können die Firmen sehr günstige Tarife anbieten. Auf der anderen Seite wechseln die Tarife häufig, und Schnäppchenangebote werden rasch teurer. Leute, die einfach nur billig telefonieren wollen, können aber zugreifen.» In Deutschland sind das rund fünf bis sechs Mio Menschen. «Das Geheimnis für den hohen Bekanntheitsgrad ist Mund-zu-Mund-Propaganda.» Diese läuft trotz manchmaliger Unterbrüche der Telefongespräche, die den Neuaufbau der Verbindung nach sich ziehen.

*Tele2 Kunden abgejagt*

Auch in der Schweiz rechnet Müller mit einem grossen Kundenpotenzial. Auf Zahlenschätzungen will er sich jedoch nicht einlassen, da «die Schweizerinnen und Schweizer sehr träge sind, wenn es darum geht, den Anbieter zu wechseln». Ralf Beyeler, Bereichsleiter Telekom beim Internet-Vergleichsdienst comparis.ch, sieht ebenfalls ein «spürbares Wechslerpotenzial». Spürbar vor allem für die bisherigen Billiganbieter wie Tele2 und Sunrise. Kein Wunder, dass sich Tele2-Chef Roman Schwarz bitter über die Lockmethoden von 10787 beklagt. Diese werben auf ihrer Internet-Einstiegsseite mit dem Satz «Aktuell telefonier ich mit Tele2. Wie viel kann ich sparen, wenn ich stattdessen mit 10787 telefoniere?». Die Antwort: «100%». Auf die Website verwiesen hat einzig ein Massen-SMS, das vor wenigen Wochen die Runde machte. Das genügte, um Tele2 eine hohe Zahl von Kunden abzujagen. Schwarz: «Wir haben einige Kunden verloren.» Zu genaueren Angaben schweigt er sich aus.

Bei Sunrise gibts zur neuen Konkurrenz nur den Kommentar: «Wir müssen zuerst schauen, wer überhaupt hinter Telediscount steckt.» Eine berechtigte Fragen. Bis Redaktionsschluss hat Telediscount weder diese noch andere Frage beantwortet, die ihr die «HandelsZeitung» per E-Mail zugestellt hat.

*Kein Preiskampf in Sicht*

Mit ihrem Auftritt haben 10787 und Helvatel allen voran bei Tele2 und Sunrise einige Hektik verursacht. Aus gutem Grund: Schnäppchenjäger werden beiden den Rücken kehren und den Anbieter wechseln. Eine neue Preisrunde werden die Telediscount-Töchter dennoch nicht lostreten: Die Tarife sind schlicht zu tief, als dass Tele2 oder Sunrise kostendeckend mithalten könnte. Und für Swisscom stellt sich die Frage nach Kundenverlusten kaum. Denn wer billiger als beim Ex-Monopolisten telefonieren will, hat schon seit Jahren die Möglichkeiten dazu. Entsprechend locker der Kommentar von Sprecher Josef Huber: «Wir beobachten die Situation.»

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