Für die Schweizer und Schweizerinnen ist Thailand eine populäre Reisedestination. Wie wichtig ist der Tourismus für Ihr Land?

Pradap Pibulsonggram: Der Tourismus ist für Thailand der Devisenbringer Nummer eins. Unser Land dient auch als Drehscheibe für die gesamte Region.

In den letzten zehn Jahren ist die touristische Infrastruktur stark ausgeweitet worden. Wie geht die Entwicklung weiter?

Pibulsonggram: Im September 2005 wird der zweite Airport in Bangkok eröffnet, der über eine Kapazität für 20 Mio Passagiere jährlich verfügt. Die Besucherzahlen sind von 3 auf 11 Mio gestiegen. Wir erwarten in den nächsten Jahren einen weiteren steilen Anstieg bei den Touristen. Für laufend wiederkehrende Gäste wurde zudem der Thailand Elite Club geschaffen, der Mitgliedern zahlreiche Vergünstigungen im Bereich Sport, Unterhaltung, Wellness und Essen bietet. Zudem haben wir den Immobiliensektor in touristischen Gebieten ausgebaut und damit zusätzliche Investitionsmöglichkeiten für Ausländer geschaffen.

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Die thailändische Regierung verfolgt eine Dual Track Economy. Damit soll die einheimische Wirtschaft, insbesondere in den ländlichen Regionen, über nationale Investitionsprogramme angekurbelt werden. Gleichzeitig will man die internationale Wettbewerbsfähigkeit steigern. Welche Industrien stehen im Vordergrund?

Pibulsonggram: Für Thailand war es wichtig, dass die Asienkrise von 1997 rasch überwunden wurde. Die finanzielle Schieflage ist Vergangenheit. Die Kredite des Internationalen Währungsfonds IWF wurden zwei Jahre vor Fälligkeit vollständig zurückbezahlt. Die Wirtschaftspolitik ist auf ein nachhaltiges Wachstum in verschiedenen Industrien ausgerichtet. Wir verfügen beispielsweise über eine starke Autoindustrie. Ziel ist es, ein «Detroit von Asien» zu werden, das Autos in alle Welt exportiert.

Und da ist ja auch noch die Agrarwirtschaft ...

Pibulsonggram: Richtig, ein grosses Gewicht hat auch die Verarbeitung von Lebensmitteln, ebenso wie der gesamte Landwirtschaftsbereich. Ein Grossteil der Bevölkerung ist im Agrarsektor tätig. Auch die Textilindustrie gewinnt laufend an Bedeutung, mit einem Augenmerk auf Seide. Bangkok ist heute schon eine bedeutende Modestadt. Im Gesundheitswesen verfügen wir über einen hohen Standard, bei vergleichsweise niedrigen Kosten. Für einen Schweizer ist es inklusive Flugticket übrigens günstiger, einen thailändischen Zahnarzt aufzusuchen, als sich im eigenen Land behandeln zu lassen. Im Reisegeschäft wollen wir den «Ökotourismus» fördern.

Wie kommen diese wirtschaftspolitischen Initiativen voran?

Pibulsonggram: Thailand muss sich darauf vorbereiten, mit den eigenen Produkten und Dienstleistungen auf den Weltmärkten zu bestehen. Die Schweiz ist uns ein Vorbild. Das Land vertreibt Qualitätsgüter weltweit, hat aber gleichzeitig die lokale Identität nicht verloren.

Hightech-Industrien sind für ein Schwellenland besonders wichtig.

Pibulsonggram: Ohne Hightech sind wir nicht konkurrenzfähig. Damit Thailand das Pro-Kopf-Einkommen massiv steigern kann, muss es sich als Exportnation etablieren. Auslandinvestitionen sind ein wichtiger Teil der ökonomischen Entwicklung. China hat jüngst erhebliche Investitionen in unserem Land getätigt...

... und die Schweiz ist im laufenden Jahr der drittgrösste Investor aus Europa.

Pibulsonggram: Ja, das freut uns natürlich.

Die Privatisierung von staatseigenen Betrieben ist in Gang gekommen. Welche Wirtschaftszweige werden davon erfasst?

Pibulsonggram: Wir haben mit dem Energiebereich begonnen.

Dort gab es aber Proteste durch die Gewerkschaften.

Pibulsonggram: Das war bei der geplanten Privatisierung der staatlichen Elektrizitätswerke Egat. Im Öl- und Gassektor wurden die Teilprivatisierungen staatlicher Unternehmen über die Börse bereits vollzogen. Mit der Kotierung an einer Börse sollen die Gesellschaften effizienter und profitabler werden. Im Fall der thailändischen Petroleum Authority bieten wir die Dienstleistungen auch anderen Ländern in der Region an. Privatisierung bedeutet nicht, dass sich der Staat bei den Schlüsselindustrien, wie etwa Energie, Telekommunikation oder Verkehr, komplett zurückzieht. England ist da kein Vorbild für uns.

Die Asienkrise liess die Wirtschaft Thailands zeitweise schrumpfen. Nach einer globalen Rezession ist das Land aber rasch wieder in Schwung gekommen. Im letzten Jahr wuchs das Bruttoinlandprodukt um über 6%. Wie sind die Wachtumserwartungen für 2004?

Pibulsonggram: Die Regierung prognostiziert einen Zuwachs von 8%. Die Exporte haben kräftig angezogen, und auch der Tourismus und die Landwirtschaft prosperieren.

Was heisst es für Thailand, wenn China Mitglied der Welthandelsorganisation WTO wird?

Pibulsonggram: Der Markt weitet sich aus. Obwohl unser Land nicht direkt an China angrenzt, können wir dank einem bilateralen Abkommen ebenfalls von niedrigen Zöllen profitieren. Die geografische Lage prädestiniert Thailand für eine Führungsrolle innerhalb der gestärkten südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean. Gleichzeitig bauen wir die bilateralen Freihandelsabkommen mit wichtigen Handelspartnern, wie USA, Japan, Australien, Neuseeland und Indien, aus.

Wird eine Drehscheibenfunktion für die Region angestrebt?

Pibulsonggram: Ja, Thailand verfügt nicht nur über würzige Speisen und schöne Strände, es rückt gegenüber Vietnam, Laos und Kambodscha auch vermehrt in eine Zentrumsrolle auf. Ähnlich wie dies beispielsweise Österreich für die osteuropäischen Staaten wahrnehmen kann. Die Verbindungen per Strasse werden im südostasiatischen Raum innerhalb der nächsten zehn Jahre immer bedeutungsvoller. Bereits 2006 gibt es verbesserte Transportmöglichkeiten nach Vietnam und Laos. In westlicher Richtung entsteht eine Schnellstrasse nach Burma/Myanmar. Damit rücken Indien und die Nachbarstaaten enger zusammen. Dieser West-Ost-Korridor geht mitten durch Thailand. Gleichzeitig werden auch die Nord-Süd-Verbindungen ausgebaut. Thailand verfolgt rund 200 bilaterale Projekte mit Nationen in der gesamten Region.

Damit gewinnt auch der Finanzplatz an Bedeutung.

Pibulsonggram: Das Bankwesen wurde liberalisiert. Bereits haben sich viele Auslandsbanken niedergelassen. Es gehört zu meinen Aufgaben, die Erfahrung aus dem Schweizer Bankgeschäft nach Thailand zu bringen. Wir sind speziell an den Besonderheiten des Private Banking interessiert. Für die Schweizer Bankiers ist Thailand ein idealer Gateway nach Südostasien.

Steht Thailand damit in Konkurrenz zum Finanzplatz Singapur?

Pibulsonggram: Nein, wir sehen uns nicht als Konkurrenten zu Singapur. Der Stadtstaat hat keine grossen nationalen Ressourcen. Die politische Führung ermöglichte den Aufstieg zum Finanzplatz. Der südostasiatische Kapitalmarkt wächst derart schnell, dass es auch für Thailand Platz hat. Der Asian Bond Market und die thailändische Börse dürften auch für Schweizer Banken immer interessanter werden.

Ausserhalb der grossen Metropolen dominiert die Landwirtschaft. Welche Rolle fällt ihr in der Zukunft zu?

Pibulsonggram: In der thailändischen Wirtschaft wird die Landwirtschaft immer eine hohe Bedeutung haben. Rund 60% der Bevölkerung sind direkt oder indirekt mit dem Agrarsektor verbunden. Darum setzen wir uns auch dafür ein, dass die Interessen der Entwicklungsländer bei der neuen WTO-Welthandelsrunde speziell im Landwirtschaftssektor berücksichtigt werden. Als gewichtiger Exporteur beispielsweise von Naturkautschuk sind wir bemüht, die Anbauflächen zu verdichten und einer Überproduktion gegenzusteuern. Zudem verbessern wir die Qualität des Rohprodukts und verarbeiten es im eigenen Land zu höherwertigen Gütern.



Steckbrief

Name: Pradap Pibulsonggram

Alter: 55

Wohnort: Bern

Ausbildung: B.A. Political Science, University of Auckland, New Zealand

Funktion: Thailändischer Botschafter in der Schweiz



Königin Sirikit: Heilige Zahl

Für Thailand, das am 5. Dezember den Nationalfeiertag begeht, ist das Jahr 2004 von besonderer Bedeutung. Königin Sirikit feierte am 12. August den 72. Geburtstag. Die Thais folgen als Buddhisten in ihrer Zeitrechnung den Mondzyklen, die zwölf Jahre dauern.

Dem Alter der sozial engagierten Königin kommt mit 6-mal der heiligen Zahl 12 eine besondere Bedeutung zu. Zu Ehren der Monarchin hat die Regierung eine neue 100-Baht-Banknote ausgegeben.

Zudem finden im Jubeljahr rund 1000 Anlässe für karitative Zwecke statt. (spe)



Auf einen Blick

Fläche: 513115 km2

Hauptstadt: Bangkok (Krung Thep)

Staatsform: Konstitutionelle Monarchie. Das Staatsoberhaupt ist König Bhumibol Adulyadeij (77)

Bevölkerung: Etwa 60,5 Mio

Sprachen: Thai (Siamesisch), Englisch

Religionen: Buddhismus (94%), Islam (4%), Christen (0,4%)

Wirtschaft: Landwirtschaft (Reisanbau von 6 Mio t im Jahr, Maniok, Kopra, Kautschuk und Ananas); Tourismus (8,5 Mio Besucher im Jahr)

Thailand ist das drittgrösste Land in Südostasien nach Indonesien und Myanmar. Die grösste Ausdehnung beträgt in nordsüdlicher Ausrichtung 1620 km, von Osten nach Westen sind es maximal 780 km. Die schmalste Stelle Thailands befindet sich in Prachuap Khiri Khan im Süden Thailands mit nur 13 km Luftlinie. Die Küstenlänge Thailands beträgt am Golf von Siam 1875 km und am Indischen Ozean 740 km.

Bangkok: Seit 1782 Hauptstadt, heute mit 7 Millionen Einwohnern.