Nun lockt der «Saft frisch ab Presse» wieder auf der Getränkekarte. Seit ein paar Jahren erfreut er sich steigender Beliebtheit. Auch der gemeine Süssmost feiert seit zwei Jahren eine kleine Renaissance (siehe Grafik), nachdem der Obstsaft-Gesamtkonsum seit Mitte der 80er Jahre konstant rückläufig war.

Darüber freut sich auch Paul Kundert. Der Direktor der Thurella AG mit Sitz in Egnach zog vor gut einem Jahr aus, um der verstaubten Obstsaftbranche ein moderneres Image zu verpassen und Marktanteile zurückzuholen, die an Coca-Cola, Eistee und Redbull abgegeben wurden. Kundert gibt sich branchen-untypisch offen und kommunikativ.

Die 165 Thurella-Mitarbeiter konnten den Gesamtumsatz im letzten Jahr um 11% auf 76 Mio Fr. steigern. Dabei wurde ein Gewinn von 860 000 Fr. ausgewiesen. Die Produktion von Obstsäften konnte um 20% gesteigert werden. Sie allein hat Thurella im letzten Jahr 32 Mio Fr. eingebracht (+15%). Nach eigenen Angaben soll im letzten Jahr der Marktanteil um 5% auf 35% ausgebaut worden sein. Dem entspreche der Thurella-Ausstoss von 220000 hl verglichen mit dem Ausstoss aller Mostereien in der Schweiz, erklärt er die Zahl, die bei der Konkurrenz umstritten ist.

*Drei Standorte*

Thurella verfügt über drei Produktionsstandorte, wo die Bauern aus der Umgebung 2001 insgesamt 60000 t Mostobst ablieferten. Die bekanntesten Produkte sind der Obi Apfelsaft und der Apfelwein Rittergold. Weiter umfasst das Sortiment diverse Apfelweine, die Fruchtsaftlinien Senator und Hitchcock, Halb-Halb und Spirituosen. Einen Viertel des Gesamtumsatzes macht Thurella mit der Herstellung und dem Verkauf von Konzentraten.

«Wir werden auch nächstes und übernächstes Jahr solche Zahlen liefern. Ich halte nichts von Krise», trompetet der Thurella-Chef selbstbewusst. 2002 will er nochmals einen Umsatzsprung von 10 bis 12% erzielen, der Gewinn soll

sich in ähnlichem Bereich abspielen.

Kundert macht keinen Hehl daraus, dass die Produktionssteigerung und «4 der 5% Marktanteilzuwachs» auf die 1999 erfolgte Übernahme der OBI Frucht + Saft AG zurückzuführen sind. Durch sie erbte Thurella den OBI-Anteil von Süssmost-Lieferungen an die Migros und ist heute deren Exklusiv-Lieferantin. Über diesen Kanal kommen laut Kundert rund 40% des Firmenumsatzes herein. Daneben beliefert Thurella Depositäre und kleinere Detailhändler. Mitbewerberin Pomdor («Ramseier») beliefert Coop.

In der Schweiz laufen laut Branchenkennern über die beiden Grossverteiler rund zwei Drittel des Obstsaft-Gesamtkonsums, Tendenz steigend. Deshalb: Wer eine Eigenmarke positionieren will, hat neben den No-Name-Produkten von Coop und Migros kaum eine Chance. Einen weiteren Grund für den Erfolg sieht Kundert in der gesteigerten Nachfrage. «Obstsaft profitiert von der Wellness-Welle», meint er. Das Marktvolumen Schweiz beläuft sich beim Süssmost auf schätzungsweise 60 bis 70 Mio Fr. Der vergorene Saft verliert dagegen seit 1975 konstant Absatzvolumen, heute werden gerade noch 40% der damaligen Menge konsumiert.

*Saftige Werbung*

Weiter macht Kundert die intensiven Werbeanstrengungen ? wie die neue Mostindien-Kampagne mit Anita Buri ? für den Geschäftserfolg verantwortlich. Stolze 10% des Bruttoumsatzes werden angeblich in Werbung und Marketing investiert. «Wir sind heute eine Verkaufsorganisation und keine Produzentenorganisation mehr», sagt er.

Tatsächlich hat die Thurella AG ein bewegtes Jahr hinter sich. Seit Januar 2001 ist der neue Kapitän, der 20 Jahre Bierbrauer-Erfahrung bei Hürlimann, Feldschlösschen und Cardinal mitbringt, mit einer neuen Verwaltungsratscrew am Ruder. Unter ihm wandelte sich im Mai dieses Jahres die Thurella Genossenschaft zur Thurella AG.

Gegründet wurde Thurella AG vor 25 Jahren als Vertriebsgesellschaft von fünf Thurgauer Mostereien. Diese sind in der Zwischenzeit alle eingegangen ausser der Mosterei Egnacher Bodensee-Genossenschaft (EBO), die 1999 besagte OBI Frucht und Saft AG und die eigene Vermarktungsfirma Thurella übernommen hat. Am 1.1. 2002 ist aus dem Konglomerat die Thurella Genossenschaft geworden.

*Nummer eins als Ziel*

Kundert will mit der neuen Thurella AG die klare Nummer eins im Schweizer Obstsaftmarkt werden. Dabei setzt er auf konsequentes Marketing. «Unsere Branche kann nichts anderes tun, als unablässig trommeln, dass es nichts Gesünderes gibt als Obst in flüssiger Form.»

Und die Konkurrenz? Eine Blitzumfrage fördert Skepsis zu Tage gegenüber dem lauten Gebaren der «neuen» Thurella. Viel Lärm um nichts werde da gemacht, heisst es allenthalben. Doch Handkehrum rückt niemand Zahlen heraus, die klare Verhältnisse schaffen könnten. Gelassen schaut diesem Treiben der Marbacher Ruedi Kobelt zu, Erfinder der Schorle. Die Mosterei Kobelt hat vier Angestellte und vermostet im Jahr 500 bis 1500 t Obst. Der Umsatz bleibt geheim. Die Mosterei gehört zu den Kleinbetrieben, auf die in der Schweiz rund 5 bis 10% des gesamten Obstsaft-Marktvolumens entfallen. Kobelt geht seinem Gewerbe in der 4. Generation nach.

Die Grossen drückten zwar die Preise, doch er sei glücklicherweise breit abgestützt. Nur knapp ein Drittel des Umsatzes macht er mit süssem Most. Den Rest mit «Vergorenem» (Spirituosen, Cidre Bartli u.a.) und «Spezialitäten»: «Auf Spezialitäten können sich die Grossen nicht einlassen», weiss er. So profiliert sich Kobelt in der Nische ? etwa mit einem Apfelschaumwein mit Flaschengärung. Beliefert werden mit diesen Feinheiten Getränkehändler und Depositäre in der Region. Den richtigen Laden in Zürich habe er einfach noch nicht gefunden.

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