Am liebsten ist Thomas Minder in der Natur. Stundenlang kann er mit seinem Fernglas am Waldrand sitzen und seine geliebten Vögel beobachten, auf dem Randen im Kanton Schaffhausen oder in den Hügeln des Schwarzwaldes in Süddeutschland.

Doch für sein Hobby hat er schon länger keine Zeit mehr. Der politische Kampf im Vorfeld der Abstimmung über seine Initiative gegen die Abzockerei fordert ihm alles ab. Zudem hat er mit Trybol auch noch ein Unternehmen zu führen. «Mein Tag müsste 48 Stunden haben, so voll ist meine Agenda», klagt er.

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Jetzt ist der Abstimmungskampf in der heissen Phase. Tag für Tag wird der Gegenwind für Minders Abzocker-Initiative stärker. Sein Problem ist, dass ihm abgesehen von einer Handvoll kantonaler Parteisektionen die bürgerliche Basis die Unterstützung verweigert. Letztes Wochenende beschlossen CVP und BDP die Nein-Parole. Kurz darauf folgte ein besonders schwerer Schlag. Aktionärsschützer und Ethos-Direktor Dominique Biedermann, wie Minder seit Jahren ein Kämpfer für bindende Abstimmungen über Managerlöhne und gegen Lohnexzesse in den Chefetagen, sprach sich klar für den Gegenvorschlag aus. Ebenfalls diese Woche schlug sich die gewichtige Berner SVP auf die Seite des Gegenvorschlags. Ausgerechnet die Berner Delegierten unterstützen den Zürcher SVP-Übervater Christoph Blocher.Minders Kampagnenleiter Claudio Kuster zeigt sich davon unbeeindruckt: «Nicht die Delegierten entscheiden, sondern die Stimmbürger.»

Mit allen Mitteln

Einst waren Blocher und Minder vereint im Kampf gegen exzessive Kadervergütungen. Heute sind sie erbitterte Gegner. Am Wochenende kreuzen sie im solothurnischen Balsthal die Klingen. In der dortigen Badmintonhalle versammeln sich die Delegierten der nationalen SVP zur Parolenfassung für die Abstimmung vom 3. März. Für Minder und seine Mitstreiter (siehe Kasten) ist die Stimmempfehlung von vitaler Bedeutung. Folgen die Delegierten Blocher und dem Gegenvorschlag, wird es für Minder noch enger, als es ohnehin schon ist.

Das Wirtschaftsestablishment hat Patron Minder seit eh und je gegen sich. Angeführt vom Dachverband Economiesuisse, überzieht die Wirtschaft die Schweiz mit Anti-Minder-Plakaten und -Inseraten. Im Kampf gegen Minders Initiative werden alle Mittel aufgeboten. Studenten wurden dafür bezahlt, unter falschen Namen auf Internet-Foren Stimmung gegen Minder zu machen. Zudem hat der Verband diverse Internetadressen gekauft, um Stimmbürger auf die Seite der Initiativ-Gegner umzuleiten.

Im Markt der Multis

Wind von vorn ist Minder gewohnt – vor allem als Unternehmer. Mit seiner Trybol mit Sitz in Neuhausen muss er sich seit Jahren gegen die Übermacht internationaler Konsumgüterkonzerne wie Colgate Palmolive, Unilever oder L’Oréal behaupten. Während jene mit milliardenschweren Marketingbudgets und prominenten Gesichtern neue Produkte im Akkord auf den Markt bringen, muss sich Minder mit seinen Mundwässern, Zahnpasten und Haarpflegeprodukten insbesondere auf die Macht der Gewohnheit verlassen.

«Das Trybol-Mundwasser ist sicher kein Verkaufsschlager», sagt der Chef einer mittelgrossen Drogeriekette. «Aber wir haben Kunden, die würden wir verlieren, wenn wir das Produkt aus dem Sortiment nähmen.» Ein Apotheker mit zwei Filialen im Kanton Zürich sagt: «Rentnerinnen und Renter sind für uns wichtige Kunden. Und die brauchen Trybol. Sie gurgeln wahrscheinlich schon seit Jahrzehnten damit.» Der Chef einer grossen Apotheken-Kette wiederum meint: «Es gibt eine Nachfrage – insbesondere nach Trybol-Mundwasser und -Zahnpasta. Aber die Produkte sind ‹nice-to-have›, nicht ‹must-have›.»

Apotheken und Drogerien sind für Trybol die wichtigsten Absatzkanäle. Die klassischen Lebensmitteldetailhändler Migros und Coop führen sie nicht im Sortiment. 80 Prozent des Marktes gehen damit an Minder vorbei. Er ist nicht gewillt, für seinen Platz im Regal zu bezahlen. Immerhin ist Trybol bei Manor präsent – in den Warenhäusern, Lebensmittelläden und im Internetshop. Zum Verkauf einzelner Produkte äussert sich der Warenhauskonzern nicht.

Trybols Hauptgeschäft ist nicht der Verkauf an die Konsumenten. Der Betrieb ist Auftragshersteller für andere Hygieneunternehmen und beliefert Grosskunden im In- und Ausland mit Kleinpackungen – insbesondere Airlines. Genau auf einen solchen grossen und lukrativen Auftrag, welcher allerdings um ein Haar in der Katastrophe endete, ist Minders missionarischer Eifer gegen Abzocker zurückzuführen. Als Ex-Nestlé-Finanzchef Mario Corti im März 2001 Chef und Präsident bei der schlingernden Swissair wurde, erhielt Trybol den Auftrag, für die Fluggesellschaft diverse Toilettenartikel zu produzieren. Ein Glücksfall – eigentlich. Wenige Monate später allerdings war die Airline pleite, Minders Auftrag hinfällig. Der Firma drohte ein Verlust von rund 500000 Franken, wie Minder einst bekannte. Nur zwei Jahre nachdem er Trybol vom Vater übernommen hatte, wankte der Betrieb. Als Minder dann noch erfuhr, dass Corti nur dank einem Lohnvorbezug in Höhe von rund 12 Millionen Franken die Verantwortung übernommen hatte, wurde Minder wütend. Richtig wütend. Aus Patron Minder wurde Politaktivist Minder. Es war die Geburtsstunde der Abzocker-Initiative.

Fortan liess sich Minder nicht mehr besänftigen. Auch dass sich Ex-Swiss-Chef André Dosé an den auf sein Unternehmen übergegangenen Swissair-Auftrag an Trybol erinnerte, den Vertrag erfüllte und Minder seinen Verlust auf ein paar Tausender beschränken konnte, änderte nichts mehr daran. Zu viele Skandale in zu kurzer Kadenz platzten danach. Minders Wut auf die Selbstbedienungsmentalität gieriger Manager – Marcel Ospel von der UBS, Thomas Limberger von OC Oerlikon, Joe Hogan von ABB, Brady Dougan von der Credit Suisse – wurde immer wieder aufs Neue angefacht. Schon Minders Vater Hans und sein Grossvater Werner, die vor ihm die 1898 gegründete Trybol leiteten, waren politisch aktive Patrons. Vater Hans engagierte sich bis zu seinem Tod bei Ecopop. Die Vereinigung will mit einer Volksinitiative die Zuwanderung in die Schweiz beschränken.

Kauft «Schweizerwaren»

Grossvater Minder war Mitglied der national-konservativen Neuen Helvetischen Gesellschaft und machte sich einen Namen mit den sogenannten Schweizerwochen. Sieben Tage lang sollten in möglichst vielen Schweizer Schaufenstern nur «Schweizerwaren» angepriesen werden. Die erste Aktion fand 1917 statt und sollte «die bewusste, ausgesprochene Bevorzugung inländischer Erzeugnisse» bei den Konsumenten verankern. «Schweizerwochen» gab es bis in die 1950er-Jahre. Daraus hervorgegangen ist eine Erfindung Werner Minders, welche bis heute weiterlebt: Die stilisierte Armbrust als Logo für Schweizer Qualitätsprodukte. Als Minder starb, schrieben die «Schaffhauser Nachrichten»: «Oft verkannt und ohne Gefolgschaft, führte er die Auseinandersetzung allein, furchtlos, nicht persönlicher Vorteile wegen, sondern um der Allgemeinheit zu dienen.»

Ähnliches könnte man über Enkel Thomas schreiben. Wie der Grossvater engagiert sich Thomas Minder für echte Swissness. Nur wer wirklich in der Schweiz produziere, solle seine Produkte mit Schweizerkreuz schmücken dürfen. Wer es tut, obwohl er im Ausland produziert, wird von Minder verklagt – mit gemischtem Erfolg. Die Molkerei Emmi, die Kosmetikfirma Juvena und andere Unternehmen haben es in den letzten Jahren so mit Minder zu tun bekommen.

Minder selbst produziert alles in seiner kleinen Fabrik in Neuhausen am Rheinfall. Rund 20 Angestellte helfen dem Patron und Alleinaktionär einen Umsatz von drei bis fünf Millionen Franken zu erwirtschaften. Genaueres will der Patron nicht sagen. «Sorry, keine Zeit.» Der politische Kampf fordert ihm alles ab.

 

Die Unternehmer im Abzocker-Pat ronat skomitee: Der «Handykönig» und die «Schminkerin der Nation»

Minder-Fans
Thomas Minder ist kein Einzelkämpfer. Im Patronatskomitee seiner Volksinitiative gegen die Abzockerei sitzen diverse illustre Persönlichkeiten. Etwa der ehemalige Staatsanwalt Paolo Bernasconi («Minder ist ein moderner Wilhelm Tell»), der frühere Staatssekretär und IKRK-Präsident Jakob Kellenberger und der einst bei der Credit Suisse angestellte Finanzanalyst Christopher Chandiramani. Er hatte im Sommer 2000 als Erster die Meinung vertreten, dass die Swissair unter ihren Verlusten zusammenbrechen könnte.

Hans-Ulrich Lehmann
Daneben sitzen bekannte Schweizer Unternehmer im Komitee. Der prominenteste unter ihnen ist Mobilezone-Gründer Hans-Ulrich Lehmann. Der mehrfache Millionär wollte 2011 für die SVP in den Nationalrat und betreibt heute das Hotel- und Kongresszentrum Riverside im zürcherischen Glattfelden.

Roberto Martullo
Der Ehemann der Ems-Konzernchefin und Schwiegersohn von SVP-Übervater Christoph Blocher ist Kadervermittler. Sein Unternehmen Martullo und Partner in Zollikon am Zürichsee besteht nur dem Namen nach aus mehreren Personen und ist selbst für Martullo mehr Nebenbeschäftigung. «Ich habe schliesslich noch eine Familie », sagt er. Er arbeite nur für einen ausgewählten Kreis von Unternehmen.

Ernst Uhlmann
Der Unternehmer ist der Gründer der Firmengruppe Fela. Bekannt wurde sie durch den Aufbau des Systems für die LSVA in der Schweiz und die Lkw-Maut in Deutschland.

Bea Petri
Die wohl bekannteste Maskenbildnerin der Schweiz ist regelmässiger Gast auf Promi-Veranstaltungen. Für die «Schweizer Illustrierte» ist sie die «Schminkerin der Nation». Im letzten Herbst wurde sie von der Champagner-Marke Veuve Clicquot zur Unternehmerin des Jahres gewählt. Sie ist Gründerin der Zürcher Kosmetikkette Schminkbar.