Der Industriekonzern, der in den vergangenen Jahren immer wieder in Bestechungsfälle verwickelt war, hat sich stark gewandelt. Unter Führung von Jürgen Dormann wurde bei ABB un-ethischem Verhalten entschieden der Kampf angesagt; der derzeitige ABB-Chef Fred Kindle setzt diese Politik konsequent fort. Der Code of Conduct ist bei ABB verbindlich für alle Mitarbeiter, und diese werden zur Einhaltung der Regeln entsprechend geschult.

Zudem gibt es in der Konzernzentrale eine globale Telefonnummer für Whistleblower und lokale Nummern bei den Landesgesellschaften. «Im Moment überlegen wir gar, die Anlaufstelle für Whistleblower an einen neutralen Dritten auszulagern, und wir sind bei entsprechenden Anbietern am Evaluieren», erklärt Konzernsprecher Wolfram Eberhardt. Die ABB will damit nicht zuletzt die Erfahrungen von US-Firmen nutzen, die festgestellt haben, dass die Hemmschwelle für Whistleblower mit einem solchen Modell geringer wird.

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Schnelles Handeln

Ein weiteres Zeichen dafür, welchen Stellenwert der Kampf gegen Bestechung bei der ABB inzwischen einnimmt, ist die Aufwertung der Funktion Legal Affairs and Compliance. Deren neue Leiterin, Diane de Saint Victor, ist seit Januar 2007 auch Mitglied der Konzernleitung. Zwar verberge sich längst nicht hinter jeder Verdachtsmeldung eines Whistleblower gleich ein grösserer Skandal, gibt Eberhardt zu bedenken. «Häufig geht es um ganz einfache Fragen wie etwa, ob einem Kunden eine gute Flasche Wein geschenkt werden kann.»

Trotz strikten Richtlinien kommt es aber dennoch zu gravierenderen Fällen. Im Jahr 2005 mussten 31 Personen wegen Mobbing, Diebstahl und unlauteren Zahlungen entlassen werden. «Jeden Fall, der uns von einem Whistleblower gemeldet wird, überprüfen wir ernsthaft. Und wenn sich der Verdacht bestätigt, erfolgen die Konsequenzen unmittelbar», so Eberhardt. Zur Politik gehört weiter, dass Verstösse sehr schnell öffentlich gemacht werden. Als zum Beispiel vor einem Jahr «verdächtige Zahlungen» bei internen Prüfungen von Tochtergesellschaften im Mittleren Osten entdeckt wurden, informierte die ABB die US-Börsenaufsicht und leitete disziplinarische Ermittlungen ein. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) attestiert dem Konzern, er sei bei der Beseitigung von Schwachstellen und Einfallstoren für die Korruption in den letzten Jahren vorangekommen.

Die UBS hat 2004 eine Whistle-blowing-Weisung in ihr Arbeitsreglement aufgenommen. Darin wird klar definiert, welche Verfehlungen gegen Gesetze, Richtlinien oder ethische Grundsätze die Mitarbeiter an welche Stellen melden können, ohne dabei berufliche Nachteile befürchten zu müssen. Nicht weiter äussern will sich UBS-Sprecherin Rebeca Garcia zur Frage, welche Erfahrungen denn seither die Grossbank mit der Whistleblowing-Politik gemacht hat. Kein Geheimnis macht diesbezüglich Novartis. Beim Pharmakonzern, der 2005 das Business Practices Office (BPO) als Whistleblowing-Stelle etabliert hat, wurden im letzten Jahre 651 Verdachtsfälle gemeldet. «Davon wurden 363 Fälle vollständig untersucht, von denen sich 228 bestätigten, was zu 130 Entlassungen führte», sagt Konzernsprecher Chris Lewis. Ungebührliches Verhalten ist offenbar trotz strikten Richtlinien nicht ganz auszurotten. Dies überrascht Peter Dietrich, Bereichsleiter Arbeitgeberpolitik bei der Swissmem, nicht. «Verfehlungen und Verstösse erfolgen immer durch einzelne Personen, und selbst Firmen mit vorbildlichen Guidelines sind vor schwarzen Schafen nicht gefeit.»

Präventive Wirkung

Schon vor Jahren hat auch Rieter eine Whistleblowing-Stelle eingerichtet, mit gutem präventivem Erfolg offenbar. Jedenfalls ist der Konzern im Zusammenhang mit Korruption letztmals vor zehn Jahren erwähnt worden. «Damals wurde in einer deutschen Zeitschrift gegen einen Manager der Division Automotive ein Vorwurf erhoben, der sich aber als nicht stichhaltig erwies», erinnert sich Rieter-Kommunikationschef Peter Grädek.

Beim weltweit tätigen Anlagenbauer Bühler AG in Uzwil bestehen Guidelines, mit denen Mitarbeiter für den Kampf gegen Korruption geschult werden. «Auch die Einrichtung einer Whistleblowing-Stelle ist ein Thema», sagt Sprecherin Corina Atzli. Textilmaschinenbauer Saurer verfügt zwar noch über keine Whistleblowing-Stelle. «Bei uns haben die Mitarbeiter, wenn sie ein Fehlverhalten beobachtet haben, dies bisher direkt dem CEO gemeldet», sagt Sprecherin Simone Lalive. Noch offen ist, wieweit diese Praxis unter den neuen Eigentümern, OC Oerlikon, fortgesetzt werden soll.

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Schindler hat dank Warnsystem den Schaden begrenzt

Compliance Standards, wie sie heute in allen grösseren Firmen üblich sind, garantieren noch keinen hundertprozentigen Schutz vor Bestechungen oder Kartellabsprachen. Das musste kürzlich der Schindler-Konzern erfahren. Der bereits 1997 eingeführte Code of Conduct wird hier von vollamtlichen Compliance Officers überwacht.

Die strengen Kontrollmechanismen konnten aber nicht verhindern, dass Schindler in die Kartellabsprachen auf den Aufzugsmärkten in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden involviert war. Firmensprecher Ivo Zimmermann ist überzeugt, dass das Compliance System zumindest geholfen hat, den Schaden zu begrenzen. «Schindler war zum Beispiel am Kartell auf dem grössten Markt, in Deutschland, nicht beteiligt», argumentiert er.

Der Liftbauer hat aus den bereits 2004 von der EU-Kommission aufgedeckten Vorfällen, für die jetzt eine Busse von 143 Mio Euro bezahlt werden soll, die Konsequenzen gezogen und das Compliance System weiter verstärkt. «Bezüglich Einhaltung des Wettbewerbsrechts und des Bestechungsverbots besteht bei uns eine Nulltoleranzpraxis. Verletzungen des Code of Conduct werden konsequent sanktioniert, in schweren Fällen mit sofortiger Entlassung», so Zimmermann. Er räumt ein, dass der Konzern mit dieser strikten Politik riskiert, in gewissen kritischen Märkten Aufträge zu verlieren. Anderseits glaubt Schindler, damit bei Anbietern, die die Vorteile eines fairen Wettbewerbs schätzen, beste Karten in den Händen zu haben.

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Nachgefragt



Anne Schwöbel, Geschäftsführerin von Transparency International Schweiz, Bern: «Jede Firma braucht eine eigene Lösung»

Vor einem Jahr haben Sie eine unabhängige Meldestelle für Whistle-blower eingerichtet. Laufen die Telefondrähte heiss?

Anne Schwöbel: Wir haben die Meldestelle als Pilotprojekt gestartet. Das Telefon wird jeweils nur am Mittwoch von 10 bis 17 Uhr bedient. Trotz diesem knappen Zeitfenster gab es bis jetzt 32 Fälle, tendenziell schwer wiegender Natur.

Nehmen Sie mit der allenfalls betroffenen Firma direkt Kontakt auf?

Schwöbel: Das tun wir nicht. Wer zu uns kommt, begibt sich arbeitsrechtlich aufs Glatteis. Also raten wir ihm, seinen Verdacht zuerst intern zu melden und, wenn dort nicht reagiert wird, die Behörden zu kontaktieren. Getraut er sich nicht, unterstützen wir ihn, indem wir den Fall selber an die Behörden weiterleiten und nötigenfalls die Öffentlichkeit informieren.

Wie viele Arbeitgeber sind wegen Whistleblowing in den letzten Jahren entlassen worden?

Schwöbel: Wir haben keine Zahlen. Aber wir wissen, dass aus diesem Grund Entlassene sehr schnell als Denunzianten abgestempelt werden und danach grösste Mühe haben, wieder einen Job zu finden. Viele Firmen haben einfach noch nicht realisiert, dass Whistleblower das Unternehmen schützen und ihm keinesfalls schaden wollen.

Sollen nun alle Firmen eine Whistleblowing-Stelle einrichten?

Schwöbel: Die Firmen haften bekanntlich für illegale Handlungen ihrer Mitarbeiter, wenn sie nicht genügend Massnahmen zum Schutz vor Korruption ergriffen haben. Sie kommen gar nicht darum herum, sich gegen die in diesem Bereich drohenden Gefahren abzusichern. Wir können kein pauschales Antikorruptionsprogramm empfehlen. Jede Firma braucht eine massgeschneiderte Lösung.

Wie gut entwickelt ist das Bewusstsein in den Chefetagen?

Schwöbel: Wir befinden uns auf dem Weg von der Enttabuisierungs- in die Sensibilisierungsphase. Die grossen Firmen haben viel getan. Bei den KMU ist das Bewusstsein noch nicht ausgeprägt vorhanden. Dabei können gerade einem Kleinen, wenn es zu einem Bestechungsfall kommt, die Bussen schnell das Genick brechen.

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Korruption: Massnahmen zur Bekämpfung

Geschäftsprinzipien

Transparency International und Social Accountability International haben Geschäftsprinzipien formuliert, die folgende zwei Ziele haben: Das Unternehmen soll erstens Bestechung in jeder Form, ob direkt oder indirekt, verbieten und sich zweitens zur Implementierung eines entsprechenden Programms verpflichten.

Bestechungsgelder

Die Firma soll gemäss diesen Geschäftsprinzipien das Anbieten, Geben oder Annehmen von Bestechungsgeldern (Schmiergeldern), einschliesslich geheimer Provisionen, verbieten.

Spenden zu politischen Zwecken

Arbeitnehmer oder Vertreter dürfen keine direkten oder indirekten Spenden an Parteien, Organisationen oder Einzelpersonen, die sich politisch betätigen, machen, um damit einen Vorteil in Geschäftstransaktionen zu erzielen.

Wohltätige Zwecke

Spenden und die Unterstützung wohltätiger Zwecke dürfen nicht insgeheim zur Bestechung eingesetzt werden und sind offenzulegen.

Sonstige Zuwendungen Kleine Geldbeträge oder Zuwendungen von Gefälligkeiten, die erbracht werden, um die Leistung einer Handlung sicherzustellen oder zu beschleunigen, stellen ebenfalls eine Art der Bestechung dar. Das Unternehmen soll diese identifizieren, minimieren und vorzugsweise eliminieren.

Geschenke, Bewirtung, Spenden

Das Unternehmen soll das Anbieten oder Annehmen von Geschenken, die Bewirtung oder Spesenvergütung verbieten, wenn solche Regelungen das Zustandekommen von Geschäftstransaktionen beeinflussen könnten und nicht vernünftige Aufwendungen in gutem Glauben sind.

Mindestanforderungen

Firmen, die das Programm implementieren, verpflichten sich, dass der Geschäftsführer und das Management ihre Politik auf den Antikorruptionsrichtlinien abstützen. Sie übernehmen die Führung und stellen die Ressourcen bereit. Zentrale Elemente sind die Schulung der Mitarbeiter, die kontinuierliche Kommunikation, die Kontrolle und Überwachung des Programms.