Die Überschüsse auf Lebensversicherungspolicen purzeln auf breiter Front: Bei den meisten Versicherungen sind diese nicht garantierten Bestandteile der Renditeversprechen für das Jahr 2003 auf gegen Null gesenkt worden (siehe Tabelle). Die Schweizer Versicherer sehen sich mit dieser Praxis allerdings in guter Gesellschaft. In Deutschland reduzieren die Versicherer die Überschüsse zum Teil drastisch; zudem wankt der gesetzliche «Garantiezins» von 3,25%.

Hier zu Lande dasselbe Bild. Der Mindestzins beträgt 2,5%. Wo keine Überschüsse mehr ausgeschüttet werden und selbst der Ansammlungszins, mit dem die angehäuften Überschüsse verzinst werden, stetig fällt, da wird der Minimalzins (technischer Zinsfuss) zum Thema. Und das tut er auch, wie Pressesprecher Peter Jecklin vom Bundesamt für Privatversicherungen bestätigt: «Das ist im Moment ein Dauerbrenner.» Falls aber der technische Zinsfuss gesenkt wird, reduzieren sich auch die garantierten Leistungen bei Neuabschlüssen von Lebenspolicen. «Dies wäre schmerzhafter als die Reduktion von nicht garantierten Überschussanteilen, wie das in den letzten Monaten viele Gesellschaften gemacht haben», sagt der Berner Versicherungsexperte Markus Glauser.

Der technische Zinsfuss steht deshalb zur Debatte, weil die Versicherer mittlerweile nicht mehr nur ein Aktien-, sondern ein Zinsproblem haben. Die rekordtiefen Zinsen bringen die Lebensversicherer immer mehr in Bedrängnis. Geld verdienen kann nur noch, wer die Leistungen auf das Minimum kürzt und die Kosten wo immer möglich überwälzt.

Dabei hätte die aktuelle Finanzmarktsituation eigentlich die Stunde der Versicherer sein können. Diese hätten sich ihren Wettbewerbsvorteil selbst verspielt, ist François Leresche von der Travex Versicherungstreuhand der Ansicht. «Die Versicherer könnten heute noch attraktive Verzinsungen anbieten, wären sie in der Vergangenheit nicht von der Durchschnittsverzinsung abgewichen», kritisiert der Experte. Um gegenüber den Banken konkurrenzfähig zu bleiben, haben viele Versicherungen in der Boomphase der 90er Jahre die Praxis der Durchschnittsverzinsung aufgegeben und sind zur so genannten Neugeldverzinsung übergegangen: Neukunden wurde also ein Marktzins angeboten, der deutlich über dem Durchschnittssatz aller Policen lag. «Die guten Renditen wurden den Neukunden zugeschanzt, anstatt sie für Rückstellungen zu verwenden. Die gut rentierenden Papiere fehlen heute im Portefeuille», analysiert Leresche.

*Von der Vertrauenskrise profitieren die Kleinen*

Das Geschäft mit den traditionellen Versicherungen läuft trotz den tiefen Renditen (siehe Versicherungsvergleich) aber nicht schlecht. Zwar herrscht ein weit verbreitetes Misstrauen der Kunden gegenüber Versicherungsgesellschaften. Doch davon betroffen sind vor allem die grossen und börsenkotierten Firmen. Allen voran die Rentenanstalt: Sie hat kürzlich selbst eingestanden, dass das Neugeschäft nur schleppend verlaufe. Nebst dem Reputationsverlust wegen verschiedener Skandale dürfte auch die Nullrunde bei den Überschüssen mit ein Grund für die Absatzschwierigkeiten der Rentenanstalt sein. Sie hat kürzlich angekündigt, für das Jahr 2003 auf dem ganzen Portefeuille, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Überschüsse auszuzahlen. Zwar garantiert die «Renten», dass bei Neuabschlüssen die Offerten mindestens fünf Jahre lang eingehalten werden. Nur: Wie viel ist eine Garantie auf Nullprozent Überschuss wert?

Von der Vertrauenskrise bei den Grossen scheinen die Kleinen zu profitieren. Darunter vor allem jene, die genossenschaftlich organisiert sind wie die Pax. Marketingleiter Peter Hohl: «Vor allem die Einmaleinlagen sind im Trend. Die Liquidität ist bei den Kunden vorhanden. Viele haben eben lieber 2,5% Zins auf sicher als 5% als Versprechen.»

François Leresche stellt ähnliche Trends fest. Die Kunden misstrauten zwar vielen Versicherungen, doch das Misstrauen gegenüber der Börse wiege noch schwerer. «Vor allem Leibrenten laufen gut», weiss Leresche. Er führt dies darauf zurück, dass sich mittlerweile viele Versicherte aufgrund der Finanzplanungen die Gelder der 2. Säule bei Antritt der Pensionierung auszahlen lassen. Leresche: «Angesichts der aktuellen Börsenlage bevorzugen sie nun anstelle von Fondsentnahmeplänen die sicheren Leibrenten.»

Trotz Misstrauen und tiefen Renditen läuft das Geschäft mit den gemischten Versicherungen also gut. Ein Paradox? Mitnichten: Einmaleinlagen beispielsweise rentieren zwar nur noch mit 2 bis 3%, doch Alternativen mit einem vergleichbaren Anlagerisiko sind zurzeit kaum zu finden. Denn in der Schweiz garantiert der Sicherungsfonds, in dem die Forderungen der Versicherten zu über 100% gedeckt sind, dass die Anleger ihr Kapital zurückerhalten. Bei den Anlegern scheint die Sicherheit wieder oberste Priorität zu haben.

*Teuer erkaufte Sicherheit*

Doch Investoren sollten sich trotz Sicherheitsbedürfnis den Kauf einer Lebensversicherung gut überlegen. Denn obwohl es einen Mindestzins von (noch) 2,5% gibt: Die Rendite kann darunter liegen. Dies ist deshalb möglich, weil von der Rendite die Kosten für Verwaltung und die Risikoversicherung abgezogen werden. Somit kann bei jenen Gesellschaften, die keine Überschüsse mehr auszahlen, die Gesamtrendite unter 2,5% fallen. Bei der Pax, der Winterthur und der Postfinance etwa resultieren auf einer Einmaleinlage nur noch 2,1% Rendite.

Damit wird auch klar, dass die Versicherungen via Kostenabrechnung einen gewissen Spielraum haben: Wer ein Renditeproblem hat, der stellt mehr Kosten in Rechnung. Der Sparteil, auf dem 2,5% Zins über die ganze Laufzeit garantiert werden muss, fällt dann kleiner aus – und somit auch die Gesamtrendite, die gewährt werden muss.

Stefan Thurnherr, Versicherungsspezialist vom Vermögenszentrum Zürich, rät noch aus anderen Gründen bei traditionellen Lebensversicherungen zur Vorsicht: «Viele Kunden sind sich nicht bewusst, welche Fesseln sie sich anlegen lassen.» Wer beispielsweise in Not gerät oder eine Ausbildung anfängt und die fälligen Prämien nicht mehr bezahlen kann, muss die Versicherung zurückkaufen – stets mit Verlust. «Eine gemischte Lebensversicherung lohnt sich höchstens, wenn die Vertragsdauer eingehalten wird», warnt Thurnherr. «Flexibler ist ein Säule-3a-Konto bei einer Bank. Da bestimmen die Anleger, wie viel sie jährlich einzahlen.»

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