NFT-Experte Justin Sun blickt auf den Kunstmarkt der Zukunft

Ganz klar, dass der Technologieunternehmer Justin Sun (31) sich über den aktuellen Trend, um nicht zu sagen über den Hype um NFT-basierte Kunst freut, denn diese Entwicklung bestätigt alle seine Vorhersagen zur Zukunft des Sammelns. Seine Eltern sammelten noch ganz klassisch Briefmarken: «Für sie waren Briefe noch ein wichtiges Kommunikationsmittel und deren Marken wichtig. Aber meine Generation kommuniziert digital», sagt Sun. Gleichwohl anerkennt er, dass er von der Familie die wichtigen Kriterien zur Auseinandersetzung mit dem Objekt, mit dem Werk gelehrt bekam – was ist selten, was kostbar, warum? Sein erster eigener (von ihm als solcher bezeichnete) Sammlungsgegenstand war ein digitales Bild eines Videospiels. «Diese Bilder repräsentieren deinen Platz in der Hierarchie der Spieler, und man will diese Art der Sichtbarkeit erwerben.» Selbstredend ging dieser Einkauf rein digital vonstatten. Absolut alles wird digital, die Kunstwelt sowiesoJustin Sun war einer der Ersten, die sich nach der Blockchain verschrieben haben. Er hat sogar ein eigenes Protokoll geschaffen: Seine im Jahr 2017 etablierte Kryptowährung Tronix lag im Ranking der globalen Marktkapitalisierung zwischenzeitlich auf Platz sechs. Der Unternehmer glaubt, dass sich «absolut alles» früher oder später in den digitalen Raum bewegen wird. Er hat die Entwicklung der Digitalisierung sorgfältig beobachtet: Von den ersten gedruckten Zeitungen und Magazinen, die seit Mitte der 1990er Jahre online publiziert werden, über Freundschafts-, Dating- und Kommunikationsplattformen wie Facebook oder Myspace, die sich um die Jahrtausendwende etablierten, bis hin zur Blockchain-Technologie. Letzere bezeichnet er als «dritte Generation der Digitalisierung», die sogar Zahlungsmittel von offline zu online zu bewegen weiss, also von herkömmlichem Geld (Fiat) zu Kryptowährung und umgekehrt. Der nun folgende vierte Schritt ist der Sprung der bildenden Kunst in den digitalen Raum. Justin Sun ist davon überzeugt, dass die Blockchain-Technologie die Kunstinfrastruktur der Zukunft sein wird. Sie erfasst nicht nur die Dokumentation von Sammlungen, sondern auch die Repräsentation klassischer Werke durch Non-Fungible Token (NFT) sowie NFT-basierte Werke, die von körperlichen Objekten unabhängig sind. Dies lässt die Vision von Kunstrezeption entstehen, die komplett im digitalen Raum stattfindet, wo die Sammler und Sammlerinnen den Werken, aber auch anderen Sammelnden begegnen, wie beim digitalen Gaming. Die Vorteile scheinen auf den ersten Blick überwältigend: Physische Kunstwerke können irgendwo in einem sicheren Gebäude im Keller sein, während sie im digitalen Raum den Interessierten gezeigt werden können. So wird die Lagerung von physischen Werken dezentral – und damit günstiger und sicherer. Licht- oder Klimaschäden werden der Vergangenheit angehören. Sollten dennoch Werke zerstört werden, leben sie in ihren digitalen, NFT-basierten Versionen weiter, und das besser, als simple Abbildungen es je etablieren können. Weil sie in den NFT-basierten Versionen mit mehr Daten versehen sind, die so einen tieferen Zugang in die Ebenen und Schichten der Werke ermöglichen. Auch dreidimensionale Darstellungen werden aus den NFT generiert werden können, sogar ein Schnitt durch ein Kunstwerk. Zudem sind die Werke dank NFT fälschungssicher(-er). Digitalisierung steigert die Preise für MeisterwerkeSammlungen können global rezipiert werden, ohne dass man reisen muss. «99 Prozent aller Kunstaktivität werden rein online stattfinden», glaubt der Sammler. Dies gilt auch für Museen, die zwar der Lagerort der Originale bleiben können, deren Sammlungen aber vor allem zum digitalen Konsum genutzt werden. Dies gibt einer unermesslich grossen Zahl von Menschen die Gelegenheit, diese Sammlungen zu besuchen. «Mit robuster Virtual-Reality-Technologie, wie man sie schon heute auf jedem Mobiltelefon findet, werden Milliarden von Nutzenden ausgleichen, dass die Eintrittsgebühren pro Besucher und Besucherin massiv sinken.» Zudem werden Museen digitale Leihgaben machen oder online Ausstellungen zum Privatgebrauch anbieten können. «Die Kosten des Betriebs werden massiv sinken, ohne dass die Glaubwürdigkeit der Institutionen riskiert wird.» In der Vorstellung von Justin Sun wird diese Entwicklung eine grosse Wasserscheide auf dem Gebiet der klassischen Kunstwerke entstehen lassen. «Grosse Meisterwerke werden digital repräsentiert, und die Kriterien zu ihrer Bewertung bleiben unverändert: künstlerische Qualität, eine Idee von Schönheit und Gehalt.» Auf dem höchsten Niveau globaler Wertschätzung sind die Originale von hoher Bedeutung, denn sie sind die Basis der digitalen Existenz aller Folgewerke, «genauso wie die Qualität der digitalen Ausgabe der ‹New York Times› von der Qualität des analogen Journalismus abhängt, der die Website speist.» Nach Justin Sun wird dadurch der Wert dieser Meisterwerke massiv steigen, denn die Eigentümerposition wird noch wichtiger werden, weil «sie bestimmt, auf welche Weise die Werke digital repräsentiert werden». Aber im Mittelbereich der Qualitäten werden die Preise umso stärker unter Druck geraten, je weniger Menschen sich noch für physische Werke begeistern – und das könnte in kommenden Generationen immer weniger der Fall sein. Entsprechend ist das Konzept eines digitalen Museums für Justin Suns Sammlung weit fortgeschritten: «Es wird alle meine Werke zeigen.» Auch nach dem Videospielbild hat Justin Sun zunächst ausschliesslich digitale Werke gekauft. Auf Instagram gab er zu, der direkte Unterbieter in der Versteigerung von Beeples Werk «Everydays: the First 5000 Days» gewesen zu sein. «Beeple war einer der ersten Künstler, die die Kryptowelt verstanden haben, und die Auktion ein historischer Moment – ich wollte Teil dieser Geschichte werden!» Kunstweiterbildung dank künstlicher IntelligenzNachdem das Werk sich für 69,3 Millionen Dollar verkauft hatte, erwarb er nicht nur ein anderes NFT-Werk vom Künstler Beeple («Ocean Front») für 6 Millionen Dollar. Sondern er entschied sich zudem dafür, dass der Zeitpunkt seiner ersten signifikanten Erwerbung im klassischen Bereich gekommen war, und ersteigerte eine Picasso-Leinwand aus dem in dessen Schaffen bedeutenden Jahr 1932 für 20 Millionen Dollar. «Ich wollte einen Picasso als Darstellung meiner Philosophie, dass sich am Ende alles um künstlerische Qualität dreht.» Dass es sich hierbei um ein Abwenden von der digitalen Kunst handeln könnte, weist der Sammler weit von sich: «Ich habe den Picasso – wie auch später das Warhol-Selbstporträt – über die Christie’s-Website ersteigert. Dies auf Basis digitaler Abbildungen. Ich habe den Kaufpreis via Online-Banking beglichen und erst Monate nach dem Erwerb das Original zu sehen bekommen. Das Werk zu sehen, wertzuschätzen, zu verstehen und zu erwerben, geschah alles ausschliesslich online!» Die Auseinandersetzung mit der Kunst wird den Mechanismen folgen, die heute unseren Bücher- oder Musikkonsum bestimmen. So wie Tiktok aufgrund der persönlichen Rezeptionsgeschichte der User das nächste Video vorschlägt, wird der Algorithmus vorschlagen, welches Kunstwerk die Rezipienten und Rezipientinnen wohl als Nächstes betrachten möchten. Dies wird mit zunehmender Vernetzung zielgerichteter funktionieren. Fernziel ist eine globale Datenbank, die alle Kunstwerke der Welt vereint. «Ein wichtiges Entwicklungsprojekt der Gesellschaft», so Sun. Künstliche Intelligenz wird bis dahin verstehen können, welche Information das Wissen des Individuums erweitern könnte. Damit wird das Publikum derartiger Anwendungen entsprechend automatisiert weitergebildet. Justin Sun sieht das als einen zentralen Fortschritt der Digitalisierung: «Bislang war Lernen stärker passiv, vor allem während Schulzeit und Studium. Der Algorithmus versteht unsere Wissenslücken besser als jeder Professor!»

NFT-Experte Justin Sun blickt auf den Kunstmarkt der Zukunft

Viele Millionen Dollar für kleine Pixel: Worauf NFT-Experte Justin Sun setzt