Der Schweizer Verpackungsmarkt ist geprägt von hartem Konkurrenzkampf und Überkapazitäten mit entsprechendem Druck auf die Preise. Wie beurteilen Sie die Situation?
Viktor Juzi: Der Margen- und Konkurrenzdruck ist tatsächlich sehr hoch. Das ist aber nicht schweiztypisch, sondern betrifft die Industrie europaweit.
Was ist die Ursache?
Juzi: Im Vordergrund stehen sicher einmal die Bedürfnisse und das Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten. Ein Beispiel ist die anhaltende Nachfrage nach Convenience-Produkten, aber auch ein gewisser Trend hin zu kostengünstigem Einkauf Schnäppchenjagen ist in. Der damit verbundene Kostendruck wird dann vom Handel über die Produzenten zurückgeleitet bis zu den Zulieferern wie eben die Verpackungsindustrie.
Das heisst, dass die Marktbereinigung in der Verpackungsindustrie noch lange nicht abgeschlossen ist?
Juzi: Richtig. Aber ich bin zuversichtlich. Ich besuche als SVI-Präsident regelmässig unsere Mitglieder. Dabei stelle ich fest, dass wir in der Schweiz sehr gute KMU haben, die technologisch hoch stehende Produkte bieten, mit denen sie europa- und sogar weltweit Kunden beliefern und wohl auch in Zukunft mit dabei sein werden. Das Kriterium ist deshalb, inskünftig vermehrt wertschöpfungsintensive Produkte und Dienstleistungen zu kreieren, die eine nachhaltige wirtschaftliche Geschäftstätigkeit ermöglichen...
... oder auf Skaleneffekte dank grossen Volumina setzen.
Juzi: Da bin ich skeptisch. Um im Massengeschäft mit Konkurrenten, beispielsweise aus Asien oder Zentral- und Osteuropa, mithalten zu können, ist der Standort Schweiz suboptimal. Mit der EU-Ost-Erweiterung wird der Margendruck jetzt nochmals zunehmen. Nein, wir müssen Chancen packen wie die optimale Ausnützung von Fertigungen oder der Bezug von Komponenten, womit die Schweizer Anbieter dann ebenfalls kombiniert mit dem Marktplatz Schweiz günstiger anbieten können. Die grösste Chance sehe ich in der intelligenten Nutzung neuer Technologien, die eine optimale Wertschöpfung für die Kunden bringen wird.
Wie ist da der Stand der Dinge?
Juzi: Vor etwa zehn Jahren hat ein Fachmagazin Visionen beschrieben, was die Verpackung im Jahr 2040 alles zu leisten vermag. Solange müssen wir nicht warten, denn so ziemlich alle diese Visionen sind in den letzten fünf Jahren bereits umgesetzt worden. Die Technologiesprünge werden also immer kürzer. Wenn es uns weiterhin gelingt, zusammen mit Universitäten, Fachhochschulen und Verbänden am Ball zu bleiben, habe ich für den Werkplatz Schweiz keine Befürchtungen. Dann bleiben die Chancen gewahrt. Denken Sie nur an die Möglichkeiten der Nano-Technologie, welche die Produktion beeinflusst, etwa bei der Beschichtung von Pet-Flaschen, Antibakterienbeschichtung bei Lebensmittelverpackungen oder fluoreszierende Folien. Oder wenn ich an die Robotik denke, an den Materialfluss, kombiniert mit Maschinen. Die Elektronik bietet hier enorme Möglichkeiten. Wir befinden uns nicht mehr im Jahrhundert der Computer, sondern der Materialien.
Die Frage ist jetzt nur, wie wir das nutzen können.
Juzi: Richtig. Hier zählt geschicktes Vorgehen. Viele Unternehmer müssen auch über den eigenen Schatten springen und Wissen zukaufen. Es ist nicht sehr produktiv, alles selber erfinden zu wollen. Schliesslich gibt es genug viel versprechende Spin-offs und New Ventures, die sich dem Entwickeln neuer Technologien verschrieben haben. Dieses Know-how kann unter Umständen für die eigene Geschäftstätigkeit genutzt werden.
Wobei es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch Low-Cost-Länder nachgezogen haben.
Juzi: Das ist so. Wir müssen auch anerkennen, dass die Produktqualität aus Low-Cost-Ländern beachtlich gestiegen ist. Genau deshalb ist es wichtig, einen technologischen Vorsprung zu halten. Übrigens: Der Preis ist nicht alles, fast wichtiger ist die Zeit. Grosse Verpackungskunden wollen keine grossen Lager, sondern Just-in-Time-Lieferungen. Pharmaunternehmen beispielsweise müssen Packungsbeilagen wie auch die Verpackung selber in unzähligen Sprachen produzieren. Mit der sich ständig ändernden Rechtslage lohnt es sich nicht, grosse Lager aufzubauen. Wer als Zulieferer flexibel ist, hat also einen Konkurrenzvorsprung. Und vergessen wir nicht: Diese Schwellenländer sind zugleich auch überdurchschnittliche und attraktive Wachstumsländer. Dass die existierenden grossen Märkte wie die USA, Europa oder Japan deswegen nicht vernachlässigt werden dürfen, ist wohl selbstverständlich.
Sollen die Verpackungsanbieter ihren grossen Kunden also in neue geografische Märkte folgen?
Juzi: Das kann durchaus Sinn machen, muss aber nicht gezwungenermassen sein. Wichtig ist vielmehr, die verlangten Service-Dienstleistungen zu erbringen, wo immer der Kunde auch ist.
Sie sehen die Zukunft der Verpackungsindustrie also durchwegs positiv?
Juzi: Grundsätzlich ja. Aber: Das Umfeld ist labil, Rahmenbedingungen wie Dollarkurs, Ölproduktion, Terroranschläge können wir wie andere Branchen auch nicht ändern, wir hängen aber stark davon ab. So wirkt sich der Ölpreis direkt auf die Preise der Kunststoffverpackungen aus; die enorme chinesische Nachfrage nach Schrott und Stahl führt zu einer Verknappung und drückt damit die Preise dieses Verpackungsrohmaterials nach oben. Vor einem Jahr haben wir das bereits bei Papier und Karton gesehen, und die Problematik um Schweizer Reexporte in den EU-Raum vereinfacht das Ganze auch nicht. Das muss man sehen. In diesem Kontext gesehen haben wir dank Flexibilität, Technologie-Know-how, Servicegrad und Unternehmertum grosse Chancen. Ganz zu schweigen von der demografischen Entwicklung, die in den Industrieländern zu einer Fragmentierung der Märkte führt: Einpersonenhaushalte, Convenience, Wellnessprodukte, kleinere Packungsgrössen. Das hat enorme Auswirkungen auf die Verpackungsindustrie. Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, packen wir das auch.
Zum Thema Schweizerisches Verpackungsinstitut: Was sind derzeit die grössten Probleme, mit denen sich das SVI herumschlagen darf?
Juzi: Als SVI-Präsident besuche ich regelmässig Mitglied-Firmen. Vor allem bei KMU merke ich, dass die EU-Gesetzgebung ein Thema ist. Deshalb überlegen wir uns, wie wir verpackungsrelevante Informationen unseren Mitgliedern zukommen lassen können. Ein weiterer Punkt ist die EU-Ost-Erweiterung und deren Auswirkungen auf unsere Industrie.
Können Sie sich da nicht beispielsweise dem Deutschen Branchenverband anhängen, um Synergien zu gewinnen?
Juzi: Wir arbeiten bereits zusammen, das funktioniert gut. Beim SVI geht es darum, die Trends richtig zu erfassen und damit in der Folge den Mitgliedern Mehrwert zukommen zu lassen.
Der Verdrängungskampf findet nicht nur zwischen Ländern und Unternehmen statt, sondern auch zwischen Packungsmaterialien: Pet gegen Glas, Karton gegen Kunststoff. Wie kann das SVI da überhaupt eine branchenübergreifende Rolle spielen?
Juzi: Wir wollen eine ganzheitliche Sicht einnehmen. Und das ist relevant für die Vertreter alle Verpackungsmaterialien. Ein Glashersteller muss schliesslich auch wissen, was im Bereich Pet oder Alu läuft, weil dies Ein- und Auswirkungen auf das eigene Geschäft haben kann und weil der Substitutionsdruck nach wie vor vorhanden ist. Oder bei den Ausbildungsmöglichkeiten, da bieten wir eine eigentliche Wertschöpfung für alle Mitglieder. Denn eine Grundausbildung ist übergreifend, da muss nicht jeder Unternehmer alles Inhouse selber vermitteln. Zudem bieten wir eine Plattform für Kontakte zu Fachleuten aus allen Branchen auch Kunden.
Sie präsidieren einen sehr heterogenen Verband mit lediglich 200 Mitgliedern, obwohl gegen 600 in der Branche tätig sind und die zudem unterschiedlichste Interessen vertreten. Mit Verlaub: Da ist es doch unrealistisch, dass das SVI überhaupt bleibende Markierungen setzen kann.
Juzi: Doch, daran arbeiten wir konstant. Wir haben in den letzten Monaten über 30 Mitglieder gewonnen, das zeigt, dass das SVI nach wie vor attraktiv ist. Was wir mit den vorhandenen Ressourcen leisten, ist beachtlich. Aber Sie haben Recht, da haben wir noch Potenzial.
Nun ist das SVI nicht der einzige Verband, der sich mit dem Verpackungswesen beschäftigt. Wie wollen Sie da eine Harmonisierung erreichen, geschweige denn eine Schrittmacherrolle einnehmen?
Juzi: Indem wir den Austausch zu anderen Verbänden pflegen. Wir führen unter der Schirmherrschaft des SVI jährlich eine so genannte Verbandskonferenz durch. Da besprechen wir gemeinsame Interessen, zeigen Ansatzpunkte auf und planen entsprechend das gemeinsame Vorgehen.
Profil: Steckbrief
Name: Viktor Juzi
Funktion: Präsident des Schweizerischen Verpackungsinstitutes SVI; Leiter Supplymanagement SIG Group, SIG Holding, Neuhausen
Wohnort: Neerach
Alter: 61
Familie: Verheiratet, zwei erwachsene Töchter
Hobbys: Klassische Musik, Wandern, Reisen, Präsident ref. Kirchenpflege Steinmaur-Neerach
Karriere:
1968-1976 CIBA-Geigy, Basel u. USA
1976-1978 Lehmann AG, Zofingen
1978-1986 Sulzer-Escher Wyss
ab 1986 SIG Pack, diverse Funktionen
ab 2000 Leiter Supplymanagement SIG Group
Schlagworte:
«Als dipl. Ing. ETH schlägt mein Herz für ...
... optimalen Nachwuchs von unseren sehr guten Hochschulen/ Universitäten wie auch für einen starken Werkplatz Schweiz.»
«Die Pflege internationaler Kontakte ist wichtig, weil ...
... sie die Horizonte erweitert und hilft, andere Kulturen besser zu verstehen.»
«Wenn ich beim Einkauf Produkte in die Hand nehme, denke ich immer an ...
... SIG? Spass beiseite: Was das Spezielle, Geniale oder auch das Mühsame an der Verpackung ist!»
Dachverband SVI: Forum der Verpackungsprofis
Das Schweizerische Verpackungs-institut SVI besteht seit 1963. Im Juli 1993 fassten die Verbandsmitglieder den Entscheid zu einer konzeptionellen Neuausrichtung. Das bis dahin primär auf den Dialog zwischen Herstellern und Abfüllern ausgerichtete SVI hat sich damals neu als packstoffneutrale Interessengemeinschaft der schweizerischen Verpackungswirtschaft positioniert. Das SVI will damit den gesamten «Life Cycle» der Verpackung repräsentieren. Das SVI vertritt die Anliegen des schweizerischen Verpackungswesens gegenüber Behörden und Organisationen, insbesondere auch in Sachen Ökologie und Entsorgung, und wahrt die Interessen seiner Mitglieder. Durch seine packstoffneutrale Ausrichtung will das SVI ganzheitliche Verpackungslösungen fördern und das öffentliche Erscheinungsbild in wirtschaftlicher und ökologischer Sicht prägen.