Schon rund 10% aller Firmen telefonieren heute übers Computernetzwerk und Internet mit Voice over IP, kurz Voip genannt. In grossen Unternehmen ist die analoge Telefonie, wenn ein neues System eingerichtet wird, kein Thema mehr. Umgestellt haben zum Beispiel die Krankenkasse CSS und die Sicherheitstechnikfirma Kaba. Doch Voip ist auch für die KMU interessant. Swisscom-Sprecher Sepp Huber schätzt, dass die Voip-Penetration bei Swisscom bereits 5 bis 10% beträgt. Die meisten Voip-Provider offerieren denn auch spezifisch aufs KMU-Segment zugeschnittene Angebote. Besonders attraktiv sind sogenannte Hosted-Lösungen mit virtueller Telefonzentrale (virtual PBX). «KMU mit bis zu mehreren 100 Mitarbeitern müssen dann keine eigene Telefonzentrale mehr betreiben», sagt Stefan Meier, Geschäftsführer des Voip-Providers e-fon.

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Der ideale Zeitpunkt

Voraussetzung fürs Voipen ist eine Infrastruktur, die auch für die Sprachkommunikation noch genügend Bandbreite bietet. Denn ein Gespräch in guter Qualität besetzt rund 100 Kilobit pro Sekunde (Kbit/s) auf der Leitung.

Ein weiteres Argument sind die Finanzen beziehungsweise der ideale Zeitpunkt für die Einführung. «Auf Voip stellt man am besten dann um, wenn eine neue Telefonanlage fällig wird», so Huber. Doch auch eine Firma, die vor nicht allzu langer Zeit noch in eine herkömmliche Telefonanlage investiert hat, sollte sich gut überlegen, ob sie die für solche Anlagen übliche Abschreibungsdauer von sieben Jahren aussitzen will. «Ein schnell wachsendes Unternehmen, das dauernd neue Mitarbeiter einstellen muss, ist unter Umständen mit Voip besser bedient, auch wenn die alte Telefonanlage das Ende ihrer Lebensdauer noch nicht erreicht hat», sagt Sunrise-Sprecher Konrad Stokar.

Die neue Technik stösst laut einer Studie von Dr. Pascal Sieber & Partners, die im Auftrag verschiedener Firmen aus der Telekom-Branche vorgenommen wurde, auch bezüglich Sicherheit bereits auf hohe Akzeptanz. Lediglich 20% der befragten Unternehmen befürchten, Voip sei noch mit etwaigen Sicherheitsmängeln behaftet. «Das Risiko besteht, dass gleichzeitig mit dem E-Mail-Absturz auch das Telefonieren unmöglich wird», so Experte Ralph Beyeler vom Internet-Vergleichsdienst Comparis. Um sich gegen diesen Supergau zu wappnen, nutzen 85% der Unternehmen, die bereits Voip eingeführt haben, weiterhin die traditionelle Telefonie. Oder sie sichern sich mit einer automatischen Gesprächsumleitung aufs Mobilnetz ab.

Konvergenz = Vereinfachung

Die Skepsis, die in solchen Massnahmen zum Ausdruck kommt, dürfte sich mit der Ausbreitung von Voip rasch verringern. Dann könnte die neue Technik auch ihren grössten Vorteil ausspielen: Die Vereinfachung der Infrastrukturen mit nur noch einem statt zwei separaten Netzen für die Telekommunikation und den IT-Verkehr. Wartungs- und Betriebskosten lassen sich so wesentlich reduzieren. Und mit der Konvergenz der Netze vereinfacht sich auch die Administration der Telefoninfrastruktur.

Ein paar besondere Reize

Klar verringern lassen sich zudem die Gesprächskosten, denn die Gebühren sind beim Voipen tiefer als über die herkömmliche Telefonleitung. Gespräche zwischen Voip-Teilnehmern sind über den eigenen Provider kostenlos. Folglich kann firmenintern gratis telefoniert werden. «Voip ist besonders attraktiv für dezentral organisierte Unternehmen, die viele Standorte haben», sagt Stokar. Auch Anrufe auf ausländische Festnetze sind mit 3 bis 5 Rp. pro Minute verhältnismässig günstig. Durch das Umsteigen auf Voip können Unternehmen laut Ralf Beyeler 20 bis 40% ihrer Gesprächskosten einsparen.

Die Einführungs- bzw. Umstellungskosten hängen sehr vom Kundenbedürfnis, der Unternehmensgrösse und der zum Einsatz kommenden Applikation ab. Und natürlich ist es ratsam, von den anderthalb Dutzend Voip-Providern mit ihren schwer vergleichbaren Angeboten mindestens drei Offerten einzuholen. Die Rechnung dürfte aber für viele KMU aufgehen, denn die reduzierten Betriebs-, Administrations- und Gesprächskosten wiegen die Kosten für die Voip-Implementierung schnell einmal auf.

Neben finanziellen Vorteilen eröffnet die Übertragung von Daten und Sprache über das gleiche System auch technisch ganz neue Möglichkeiten. Verschiedene Telefonfunktionalitäten lassen sich in den Büroalltag integrieren. Beim Voipen sind die Mitarbeiter – wie beim E-Mail – immer unter der gleichen Nummer erreichbar, egal ob sie an ihrem eigenen Schreibtisch arbeiten oder eine Niederlassung besuchen. Anrufweiterleitungen oder Konferenzschaltungen können automatisiert, Gespräche über Voice-Mail verwaltet und aufgezeichnet werden.

Solche Mehrwertapplikationen machen denn auch den eigentlichen Reiz der neuen Technik aus. «Vorbei sind zum Beispiel die Zeiten, in denen man einen Kunden zuerst in der CRM-Datenbank suchen und dann die gewünschte Telefonnummer wählen musste», sagt Sascha Sandi von DynamicPhone, einem weiteren Voip-Provider.

Die Vorteile helfen ganz besonders den KMU, um den Büroalltag zu beschleunigen und zu vereinfachen. «Dank Voip lassen sich die betriebsinternen Abläufe optimieren und effizienter gestalten», sagt Orange-Sprecherin Therese Wenger.

Nicht einfach zu beantworten ist die Frage, für welchen der über anderthalb Dutzend Anbieter sich ein KMU entscheiden soll. Die Einführungskosten sind bei einer gehosteten Lösung (PBX) verhältnismässig günstig, können aber je nach Angebot 50 bis mehrere 100 Fr. pro Teilnehmer betragen. Hinzu kommen monatliche Abo-Kosten mit ebenfalls grossen Unterschieden von 6 bis über 100 Fr. pro Teilnehmer.

Durchbruch auf breiter Front

Mindestens so wichtig wie Anschlussvariante, Tarife und Abo-Gebühren ist die Servicequalität, die ein Voip-Provider zur Verfügung stellen kann. Zu beachten ist weiter, ob mit der gewählten Lösung die notwendigen Updates und Hardware-Veränderungen auf dem bestehenden System möglich sind. Auch sollte eine Voip-Installation das Netz nicht bereits bis an die Kapazitätsgrenze auslasten, sondern noch Reserven für spätere Erweiterungen bieten. Allenfalls fahren die KMU über ein vergünstigtes Kombi-Angebot mit jenem Voip-Provider am günstigsten, bei dem sie bereits den Internet-Anschluss haben.

Unbestritten ist in der Telekombranche, dass sich Voip in den nächsten Jahren auf breiter Front etablieren wird. Swisscom und Sunrise etwa setzen heute voll auf Voip und bieten neuen Firmenkunden eigentlich nur noch diese Lösung an. «Die Technik ist ausgereift, und auch die Sicherheitsbelange unterscheiden sich nicht mehr von herkömmlichen Lösungen», sagt Sunrise-Sprecher Stokar.

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www.voip-portal.ch

www.providerliste.ch

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Voice over IP: Bei Anruf Notfall

Problem

Ein wesentlicher Vorteil der Voip-Telefonie, nämlich unter der gleichen Nummer erreichbar zu sein, ob im Büro am Hauptsitz, unterwegs oder bei einer Tochterfirma, kann zum Nachteil werden, wenn es um Notrufnummern geht. Denn hier sollte gemäss Gesetz, wenn einer Polizei, Feuerwehr oder Sanität alarmiert, sofort und automatisch lokalisiert werden können, woher der Anruf kommt.

Standort

Diese Bedingung kann beim Notruf via Internet-Telefonie nicht eingehalten werden. «Telefoniert wird ja über die IP-Adresse, und die hat keinen geografischen Standort», gibt Sascha Sandi, Sprecher des vor allem auf KMU spezialisierten Voip-Anbieters Dynamic Phone, zu bedenken. Im Klartext also: Bei Notrufen über Voip lässt sich nicht in Echtzeit eruieren, wo sich der Anrufer befindet.

Anmeldung

Die Anbieter haben bisher keine Lösung gefunden, um diesen Nachteil gegenüber herkömmlicher Telefonie wettmachen zu können. Einige weisen denn auch in den AGB darauf hin, dass Notrufnummern prinzipiell nicht unterstützt werden. Andere wiederum – zum Beispiel auch Dynamic Phone – unterstützen zwar die Notrufnummern, routen sie aber an die Vorwahlzone des Abonnenten. Wählt also ein Mitarbeiter einer Berner Firma, der sich gerade in Zürich, Basel oder sonstwo befindet, die Nummer 117, so löst er stets bei der Polizei in Bern Alarm aus. Das ist wenig hilfreich. Vermeiden lässt sich dies nur, indem der Abonnent dem Voice-Anbieter vorher meldet, wo sich ein Teilnehmer zu einer vorgegebenen Zeit aufhalten wird. Dies ist allenfalls für ausgelagerte stationäre, aber nicht für ständig mobile Voip-Teilnehmer eine praktikable Lösung.

KMU

Das Dilemma mit den nicht oder nur eingeschränkt funktionierenden Notrufnummern scheint aber laut Sandi für die KMU kein Argument zu sein,

auf die Einführung der Internet-Telefonie grundsätzlich zu verzichten.