Klopapier-Wettkampf im Migros Regal – Tempo statt Hakle

Toilettenpapier ist eher ein Low-Interest-Produkt. Eines, das niemanden interessiert, das aber alle brauchen. Doch seit der Pandemie ist Toilettenpapier aus seinem Schattendasein getreten. Mit Hamsterkäufen mauserte es sich zum Verkaufshit, das mediale Echo war riesig. Die unangefochtene Marke Nummer eins auf dem Schweizer Toilettenmarkt: Hakle. Bis jetzt. Die Marktstellung rührte nämlich auch daher, dass Hakle die alleinige Toilettenpapiermarke neben den Migros-Eigenmarken war. Doch jetzt kommt die Rollenrochade. Seit einigen Tagen zeigt sich beim Gang in die Migros ein neues Bild: Statt der Hakle-Rollen finden sich Tempo-Produkte in den Regalen. Nur eine kurzfristige Veränderung? Nein. Auf Anfrage bei der Migros heisst es, man habe sich in Verhandlungen nicht mit Hakle einigen können und folglich die Artikel aus dem Sortiment genommen. Kimberly-Clark, die amerikanische Inhaberin der Marke Hakle, bestätigt, dass ab Januar keine weiteren Lieferungen folgen. Die Gewinnerin dieser Situation: Tempo. Die Marke gehört zum schwedischen Unternehmen Essity, das auch die Marken Plenty, Tena und Tork vertreibt. Essity freuts. Das Unternehmen lässt wissen, dass sein Toilettenpapier als neues Markenprodukt bei der Migros aufgenommen wird und den Hauptlieferanten ablöst. Spannend ist, dass dieser Wechsel gerade jetzt kommt: Erst jüngst hatte man eine Preiserhöhung um knapp 20 Prozent angekündigt. Gestiegene Rohstoffkosten verteuern das Klopapier Gegenüber der «Handelszeitung» bestätigt Essity, dass die gestiegenen Rohstoffkosten ein wichtiger Grund für die Teuerung sind. Dabei seien aber nicht nur Zellstoff und Recyclingfasern betroffen, sondern auch Energie- und Transportkosten. Martin Hager, Verkaufsleiter der Vipa, einer Handelsgenossenschaft für Altpapier und andere wiederverwendbare Produkte aus Lausanne, erklärt das Problem: «Früher stiegen die Altpapier- oder Zellstoffpreise und in der Folge der Preis von daraus erstelltem Neupapier – wie eben Toilettenpapier.» Die Pandemie habe diese Regel aber ausgehebelt, da zuletzt auch alles andere rund um das Papier teurer geworden ist: Füllstoffe, Hilfsmittel, Energie und Logistik bei gleichzeitigem Personalmangel. Hager bezeichnet die Fülle diverser Preissteigerungen als «Potpourri von explodierenden Kosten», bei dem die Abnehmer nicht mehr verifizieren können, welches die eigentlichen Treiber der Teuerung sind. Die Folge ist, dass Toilettenpapierlieferanten wie Essity oder Kimberly-Clark teurer einkaufen und entsprechend kostspieliger produzieren. Die gestiegenen Produktionspreise möchten sie dann im Verkauf von Toilettenpapier an Retailer wie Coop oder Migros weitergeben. Doch es ist wie überall im Handel: Preissenkungen werden vom Kaufenden kommentarlos entgegengenommen, Preissteigerungen entfachen grosse Diskussionen. Hakle gibt den Marktvorteil auf Bei näherer Betrachtung der Umsatzzahlen von Toilettenpapier im Retailbereich zeigt sich, dass sich Preissteigerungen schnell in Millionenhöhe bewegen. Denn laut Nielsen IQ, einem Unternehmen, das Einzelhandels- und Verbraucherdaten erhebt, erzielen die beiden grössten Schweizer Retailer Migros und Coop einen jährlichen Umsatz von rund 140 Millionen mit Toilettenpapier. Die Migros hat mit 73 Millionen die Nase leicht vorne, davon entfielen bis dato 17 Millionen auf die Marke Hakle. Für Hakle fallen diese Einnahmen ab Januar komplett weg und es drängt sich die Frage auf, weshalb Hakle diesen Marktvorteil aufgibt. Die Antwort liegt auch hier in den Verhandlungen der Lieferanten Essity und Kimberly-Clark mit der Einkäuferin Migros. Durch den Beitritt zum Einkaufsbündnis Epic Partners hat der orange Riese markant an Gewicht gewonnen und kann so die Konditionen mit den Lieferanten neu diskutieren. Gerade beim Toilettenpapier ist das essenziell; Toilettenpapier wird mehrheitlich in Aktionen gekauft. Doch damit eine Palette Aktions-Toilettenpapier im Laden gut positioniert wird, zahlt der Produzent zusätzliche Aktionskosten. Schlussendlich entscheidet also das Portemonnaie: Wer mehr bezahlen kann, kauft sich die Aktionsplätze. In welchem Bereich sich aber diese Aktionskosten in den Läden bewegen, verrät niemand; weder Essity noch Kimberly-Clark noch die Migros. Sie sind der Fokus der Verhandlungen und gleichzeitig das bestgehütete Geheimnis der Retailbranche. Klar ist aber, dass Kimberly-Clark weiter kämpft, um die Hakle-Produkte wieder ins Migros-Regal zu bringen. Aber auch Essity sei noch nicht am Ende der Verhandlungen. Aufgrund der Preiserhöhungen stünden weitere Gespräche zu Preisanpassungen an. Es bleibt also spannend, wie sich der Preis für Toilettenpapier entwickelt und wer in der Folge im Boxring der Preiserhöhungen und Aktionskosten gewinnen wird – Hakle oder Tempo.

Klopapier-Wettkampf im Migros Regal – Tempo statt Hakle

Völlig von der Rolle: Warum die Migros anderes Klopapier verkauft