Volt: So will Vontobel mit Kleinkundschaft wachsen

Wenn demnächst zur besten Sendezeit die Werbespots der Bank Vontobel am Schweizer Fernsehen laufen, wird das eine Premiere sein. «Vermutlich ist es die erste Fernsehwerbung unserer Bank überhaupt», sagt Digital-Investing-Chef Toby Triebel. Die noble Privatbank macht eine Werbeoffensive, verspricht nichts weniger als «Private Banking Reloaded» und zielt dabei auf ein gänzlich neues Publikum: Vontobel öffnet sich dem Mittelstand und wirbt um Depots im fünf- bis sechsstelligen Bereich. Diese wären bisher in Zürich wohl mit einem müden Lächeln abgelehnt worden. «Diese Kunden fallen bei herkömmlichen Wealth Managern zwischen Stuhl und Bank.», sagt Triebel. «So werden sie meist wie Retail-Kunden behandelt, obschon sie andere Bedürfnisse, wie zum Beispiel nach persönlicher Beratung, haben.» Triebel arbeitete lange auf den Relaunch hin: Er musste aus der vor drei Jahren auf den Markt geworfenen Anlage-App «Volt», die nie so richtig in die Gänge kam, ein vollständiges Angebot für Kleinkundinnen und Kleinkunden machen. Weg von der einfachen Digitallösung, hin zu Individualisierung, Beratung – und damit auch zu höheren Margen. Dafür hat Triebel «Volt» kräftig umgebaut. Eine «fünfstellige Kundenzahl» wolle er damit bis Ende 2023 erreichen, sagt Triebel im Gespräch. Wie viele Kunden und Kundinnen Volt heute nutzen, legt die Bank nicht offen. Es seien vor allem Mitarbeitende und Kundschaft aus dem bisherigen Bestand, sagt ein Sprecher vorsichtig. Aber zu viele werden es nicht sein. Inhaltlich ist das neue Volt deutlich breiter. Kunden können im Rahmen des Vermögensverwaltungsmandats thematische Schwerpunkte setzen und daneben auch in Rohstoffe, Hedgefonds oder Immobilien investieren. Demnächst soll auch der Handel mit Einzeltiteln und strukturierten Produkten möglich werden, so Triebel. Auch von Anlagen in private Equity spricht die Bank. Beratung statt digital only Gleichzeitig verabschiedet sich Vontobel vom rein digitalen Ansatz: Neu gibt es persönlichen Support und Beratungsgespräche bis hin zu einem fest zugeteilten Anlageberater – je nach Geschäftsvolumen, das eine Kundin generiert. Vontobel spricht von «Private Banking» für ein Segment, das bei anderen Banken im Retail abserviert wird. Und verlangt dafür auch Private-Banking-Gebühren: Bis zu 1 Prozent des Vermögens kostet das Verwaltungsmandat. Reine Digitallösungen sind da deutlich günstiger. Triebel, der erst seit Ende 2020 für die Zürcher Bank arbeitet, bringt die nötige Erfahrung mit. Die Jahre zuvor war er Europa-Chef des kanadischen Unternehmens Wealthsimple, das mit Erfolg eine digitale Vermögensverwaltungsplattform für die Retailkundschaft aufgebaut hat. Natürlich habe er von dort Ideen übernommen, sagt Triebel im Gespräch. Etwa, wie man mit der Kombination aus einer Digitalplattform und persönlichen Elementen ein hybrides Angebot schaffe. Mehr als zwei Millionen Kanadierinnen und Kanadier sind mittlerweile Kunden bei Wealthsimple. Die Story hat offenbar auch in Zürich Lust auf mehr gemacht. Vontobel fällt mit diesem Ansatz, bei dem auf Kundinnen und Kunden ab einem Vermögen von 25’000 Franken gezielt wird, aus dem Rahmen. Weder haben sich grosse Privatbanken wie Pictet, Bär oder Safra Sarasin bisher weit ins Mittelstandssegment vorgewagt (oder sie haben sich wie Sarasin einst daraus verabschiedet), noch haben die eigentlich Retail-erfahrenen Grossbanken in der Schweiz ein entsprechendes Digitalprodukt auf dem Markt. Zwanzig Jahre nach dem You-Debakel Dabei ist Vontobel mit dem Thema bereits einmal grandios auf die Nase gefallen: Um die Jahrtausendwende sorgte das Projekt «You» für Schlagzeilen. Vontobel wollte damals mit den gleichen Ideen wie heute in die noch neue digitale Vermögensverwaltung einsteigen. Doch entweder war die Bank zu früh – oder sie überschätzte ihre Fähigkeiten. Auf jeden Fall wurde You nach dreistelligen Millionenabschreibern 2001 eingestellt, noch bevor es richtig gestartet war. «Das hätte sich nie und nimmer gerechnet», sagte der mittlerweile abgetretene Vontobel-Präsident Herbert Scheidt Anfang April in einem Interview mit der «Handelszeitung». «Die Technologie war noch nicht da, und so wurde You viel zu teuer.» Scheidt übernahm die Bank nach dem You-Debakel – und ein paar anderen Fehlleistungen – als CEO und führte sie die letzten zehn Jahre als Präsident. Im Verwaltungsrat wurde er nun von Andreas Utermann abgelöst. Ob auch der frühere Allianz-Manager dereinst ein Digital-Abenteuer abbrechen muss, wird sich zeigen. Die meisten Kunden und Kundinnen von Volt dürften derzeit bei Drittbanken sein, denn Vontobel betreibt die Maschine hinter der App auch für andere. So basiert etwa die ebenfalls mässig erfolgreiche Raiffeisen-Anlage-App «Rio» auf Volt, auch wenn das Angebot dort deutlich einfacher gestrickt ist. Und für einen brasilianischen Broker – «Rio» zum Zweiten – verwaltet Vontobel über die Volt-Plattform im Offshore-Modus Vermögen aus der Schweiz heraus. Dies offenbar recht erfolgreich. Man wolle zusätzlichen zu Volt auch weiterhin auf solche White-Label-Ansätze setzen, sagt Triebel. Bevor man allerdings weiter im Ausland expandiere, müsse man erst mal das Inland komplett mit der eigenen Lösung erschliessen. Bisher gibt’s Volt nämlich nur auf Deutsch und Englisch. Versionen für die Romandie und das Tessin sollen nun folgen.

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