Wolfgang Wienand (52) mag die Herausforderung. Schliesslich war der gebürtige Deutsche einst einer der besten Florettfechter der Welt. Bei der Weltmeisterschaft 1997 gewann er den Gesamtweltcup, und zwei Jahre später, bei der Weltmeisterschaft in Seoul, holte er die Bronzemedaille. Zeitweise führte er die Weltrangliste an. 

«Feine Klinge statt Zweihänder, das würde ich schon für mich in Anspruch nehmen», sagte Wienand vor knapp einem Jahr gegenüber der «Bilanz». Dieses Fingerspitzengefühl wird der frühere Spitzensportler in seiner nächsten Aufgabe gut brauchen können. Ab kommenden Sommer übernimmt er einen regelrechten Schleudersitz: den CEO-Posten bei Lonza. Seit rund sechs Jahren sitzt Albert Baehny (71) an der Spitze des weltgrössten Pharmazulieferers – und hat schon dreimal den Chef ausgetauscht. Nach Richard Ridinger (66) und Marc Funk (60) musste im letzten Jahr Pierre-Alain Ruffieux gehen. Zuletzt hat Baehny als Alleinherrscher agiert. Bis Wienand übernimmt, ist Baehny Verwaltungsratspräsident und Interims-CEO in Personalunion.

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Als promovierter Chemiker ist Wienand vom Fach

Wienand wird also das eine oder andere auszufechten haben. Was für den künftigen Lonza-Chef spricht: Er hat Erfahrung mit grossen Zielen. Im Januar 2019 setzte er sich auf den Chefsessel beim Schweizer Pharmaauftragsfertiger Siegfried. Parallel zur sportlichen Karriere hatte er in Bonn Chemie studiert. Nachdem er das Florett ganz zur Seite gelegt hatte, veredelte er sein Studium mit einem Doktortitel. Wienand ist also vom Fach. Er muss nicht mit betriebswirtschaftlichen Floskeln hantieren, wenn er mit Neukunden spricht, sondern kann auf Augenhöhe verhandeln. 

Seine erste Station war beim deutschen Chemieriesen Evonik. Von diesem wechselte er im August 2010 ins aargauische Zofingen zu Siegfried. Zwei Jahre lang verantwortete er die Abteilung Forschung und Entwicklung, danach den Bereich Fusionen und Unternehmenszukäufe sowie die wichtigen Abteilungen Recht und Patente. Um sich fit zu machen für den obersten Posten, legte sich der ambitionierte Chemiker eine Managementausbildung an der Pariser Kaderschmiede HEC zu. 

Sein «Vater» holte ihn zu Siegfried

Grosser interner Förderer war sein Vorgänger als Siegfried-CEO, Rudolf Hanko (68), mit dem ihn einiges verbindet. Beide sind Deutsche, beide mit Evonik-Vergangenheit, beide sind promovierte Chemiker. Bisweilen nannte man das Duo intern «Vater und Sohn». Hanko baute Siegfried konsequent von einem kleinen Pharmagemischtwarenladen zu einem Auftragsfertiger um – mit Erfolg. In dessen rund zehn Jahren an der Unternehmensspitze wuchs der jährliche Umsatz von 300 Millionen Franken auf 800 Millionen Franken an. 

Auch Wienand bewies nach der Stabsübergabe vor gut fünf Jahren Vorwärtsdrang. Sein Ziel, die Marke von 1 Milliarde Franken Umsatz im Jahr, knackte er 2021. Im Jahr darauf waren es bereits über 1,2 Milliarden Franken. Mit Lonza wird er ein Unternehmen verantworten, das rund sechsmal grösser ist. Der Umsatz 2023: 6,7 Milliarden Franken.

Zumindest bis letztes Jahr lebte Wienand mit seiner Familie «ennet» der Grenze in Lörrach. Mit seinem Wechsel zum grösseren Konkurrenten ist ein Umzug auch nicht mehr nötig. Vom süddeutschen Städtchen ist es bloss eine halbstündige Autofahrt bis zum Lonza-Sitz in Basel. Am Morgen umgeht er den Pendlerverkehr gerne, wie er der «Bilanz» verraten hat. Der Chef ist selten vor neun Uhr im Büro, dafür wird es abends etwas später. «Noch um zehn oder elf in einem leeren Office zu sitzen, finde ich aber nicht so toll – da mache ich lieber zu Hause weiter, wenn nötig.»

Michael Hotz
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