Laut Bundesamt für Statistik erreichten per Ende 2002 rund 375 500 Personen der schweizerischen Bevölkerung das 60. bis 64. Altersjahr. Einige davon müssen sich Gedanken machen, wie sie ihre entstehenden Einkommenslücken nach der Pensionierung finanzieren sollen. Für die Beibehaltung des gewohnten Lebensstandards ist oft nebst den AHV- und BVG-Renten eine zusätzliche regelmässige Einkommensquelle nötig, um die gesamten Ausgaben decken zu können. Da bieten sich grundsätzlich zwei Lösungsvarianten. Es sind diese die Versicherungslösung, bei der mit frei verfügbarem Kapital eine Leibrente gekauft und dafür Leistungen in Form von lebenslangen Rentenzahlungen bezogen werden, und die Banklösung, bei der die benötigten liquiden Mittel durch Entnahme von Erträgen und Kapitalverzehrsanteilen aus dem Wertschriftenportefeuille bereitgestellt werden.

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Die private Leibrente gehört zu den klassischen Lebensversicherungen. Sie versichert allerdings nicht das Risiko des Todesfalls, sondern dasjenige der Langlebigkeit. Das eingesetzte Kapital wird sukzessive verzehrt, wobei sich die Versicherung verpflichtet, die Rente bis zum Lebensende der versicherten Person zu bezahlen, auch wenn das Kapital einmal aufgebraucht ist. Das vielseitige Angebot lässt sich in folgende Grundmodelle gruppieren: Leibrenten mit sofort beginnenden oder aufgeschobenen Rentenzahlungen, Leibrenten mit oder ohne Rückgewähr, Leibrenten auf ein oder zwei Leben und Leibrenten in Franken oder in einer Fremdwährung.

Bei der aufgeschobenen Leibrente setzt die Rentenzahlung erst nach einer gewissen Zeit ein. Leibrenten mit Rückgewähr bedeutet, dass das Restkapital an die Erben ausbezahlt wird, sofern die versicherte Person stirbt, bevor das eingesetzte Kapital verzehrt ist. In der Variante ohne Rückgewähr fällt das nicht verbrauchte Kapital an die Versicherungsgesellschaft. Leibrenten können auf eine oder auf zwei Personen abgeschlossen werden. Bei Renten auf zwei Personen erfolgt die Rentenzahlung, solange eine der beiden versicherten Personen am Leben ist, also bis zum Tod der zweiten Person.

Im Gegensatz zur Leibrente beinhaltet die Banklösung keine Absicherung gegen das Risiko der Langlebigkeit. Durch eine individuelle Risikoanalyse wird die Anlagestrategie für das Desinvestitionsportefeuille definiert. Diese Risikoanalyse gliedert sich in zwei Stufen: Die erste beinhaltet die Analyse des Gesamtvermögens und der Liquiditätsströme vor und nach der Pensionierung, aufgrund deren die objektive Risikofähigkeit festgestellt wird. In der zweiten Stufe wird die Bereitschaft des Anlegers zur Übernahme von Marktrisiken, der so genannten subjektiven Risikoneigung, ermittelt. Die aus der Risikoanalyse resultierende Anlagestrategie legt fest, wie viel Prozent des zur Verfügung stehenden Kapitals in verzinsliche Anlagen und Beteiligungspapiere investiert werden soll, und verfolgt primär das Ziel, langfristig die Liquiditätsbedürfnisse durch Kapitalerträge und -verzehr zu finanzieren. Die Umsetzung kann vom Anleger selbst vorgenommen oder über ein Vermögensverwaltungsmandat an die Bank delegiert werden.

Rendite

Eine Leibrentenversicherung stellt an sich keine Renditeanlage dar, weil als primäres Ziel die Absicherung des Langlebigkeitsrisikos im Vordergrund steht. Für diese Absicherung bezahlt der Versicherte neben den Abschluss- und Verwaltungskosten eine Risikoprämie, die ebenfalls in der offerierten Rentenleistung berücksichtigt ist. Generell kann festgestellt werden, dass die Rendite des eingesetzten Kapitals vom Zeitpunkt des Abschlusses bis zum statistischen Sterbealter bedingt durch die anfallenden Kosten gegen Null sinkt. Der Versicherte kommt erst in den Genuss einer positiven Rendite, wenn er länger lebt, als es die Statistik erwarten lässt.

Bei der Entnahme aus dem Wertschriftenportefeuille kann die langfristig erwartete Rendite prognostiziert oder sogar durch ein Cashflow-Matching mit Obligationen oder Zinsderivaten sichergestellt werden. Für den Vergleich zwischen Leibrenten und Entnahmeportefeuilles wurde eine Anlagestrategie mit einem Aktienanteil von 20% und einem verzinslichen Anteil von 80% gewählt. Die langfristige Renditeannahme für verzinsliche Anlagen beträgt 3% und 7% für Aktien. Unter Berücksichtigung von jährlichen Verwaltungs- und Transaktionskosten von durchschnittlich 0,6% resultiert eine jährliche Portefeuillerendite von 3,2%. Des weiteren wird für den Vergleich zur Banklösung eine aktuelle Leibrentenofferte auf zwei Leben mit Rückgewähr herangezogen, wobei beide versicherten Personen beim Abschluss ein Alter von 65 Jahren aufweisen. Das investierte Kapital von 1 Mio Fr. generiert bei der Versicherungslösung eine lebenslange Rente von jährlich 48650 Fr. inklusive nicht garantiertem Überschussanteil. Als Pendant zur Versicherungslösung werden dem Bankportefeuille regelmässig zu Beginn des Jahres 48 650 Fr. entnommen. Abbildung 1 stellt die Entwicklung des Kapitals bei der Banklösung dar, Abbildung 2 die lebenslangen Renten und den Verlauf des Rückgewährkapitals.

Das Wertschriftenportefeuille schneidet sofern die erwartete konservative Rendite erreicht wird während des ganzen Entnahmeprozesses bis zum Erreichen des 97. Altersjahrs besser, danach schlechter als die Rentenversicherung ab. Mit anderen Worten leistet die Versicherung auch nach Erreichen des 97. Altersjahrs Rentenzahlungen, währenddem das Kapital bei der Banklösung erwartungsgemäss zu diesem Zeitpunkt aufgebraucht ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass Männer das 97. Altersjahr erreichen, liegt gemäss Sterbetafeln bei 5% und bei Frauen bei 11%.

Anlagerisiken

Beim Bankportefeuille besteht das Risiko, die angestrebte Rendite nicht zu erreichen, wodurch sich der Vermögensverzehr beschleunigt. Durch eine konservativ ausgerichtete Anlagestrategie kann dieses Risiko jedoch weitgehend minimiert werden. Schuldner-, Währungs-, Zinsänderungs- und Marktrisiken sind Faktoren, welche die Zielrendite negativ, aber auch positiv beeinflussen können. Beispielsweise kann ein Ausfall eines Schuldners im verzinslichen Bereich verheerende Folgen haben, wenn gegenüber der Schuldnerqualität Konzessionen gemacht werden und zu wenig diversifiziert wird. Sowohl ein zu hoch angesetzter Fremdwährungsanteil als auch Investitionen in festverzinsliche Obligationen mit sehr langer Restlaufzeit bergen zusätzliches Wertschwankungspotenzial, was zu vermeiden ist. Neben Basisanlagen wie Aktien und Obligationen bilden Derivate einen Bestandteil von strukturierten Produkten. Durch das Kombinieren können Risiken der einzelnen Anlagen verstärkt, vermindert oder eliminiert werden. Dadurch kann die Risiko-/Renditestruktur eines strukturierten Produkts auf die spezifischen Bedürfnisse des Anlegers abgestimmt werden.

Durch den Abschluss einer Leibrente geht der Versicherungsnehmer primär ein Gegenparteirisiko ein. Versicherungen haften allein für die durch sie garantierten Leistungen bis zum Lebensende der versicherten Personen. Sie unterstehen deshalb strengen Richtlinien und haben einen Sicherungs-fonds (Sondervermögen, getrennt von den restlichen Aktiven) zu bestellen, dessen Deckungskapital für die Ansprüche aus laufenden Versicherungsleistungen, die gutgeschriebenen Überschussanteile und Zusatzrückstellungen für die Solvabilitätsreserve herangezogen wird. Für den Sicherungsfonds, dessen Werte zur Deckung der Versicherungsleistungen im Fall eines Konkurses der Versicherung allen anderen Forderungen vorgehen, bestehen besondere Anlagevorschriften, die einen Aktienanteil bis maximal 50% erlauben. Erscheinen die Versichertenforderungen gefährdet, kann die Aufsichtsbehörde Sanierungsmassnahmen einleiten. Reichen die Vermögenswerte im Konkursfall nicht aus, kann die Aufsichtsbehörde die Ansprüche der Versicherten bis zu einem den vorhandenen Mitteln entsprechenden Betrag herabsetzen.

Für die Bewirtschaftung eines Bankportefeuilles fallen einerseits wiederkehrende Kosten wie Depot, Konto- oder Vermögensverwaltungsgebühren und andererseits transaktionsabhängige Gebühren wie Courtagen, fremde Kommissionen und fiskalische Abgaben an. Die Summe der Kosten während des gesamten Entsparprozesses betragen je nach Bank und Grösse des Vermögens durchschnittlich 0,5 bis 1% der Vermögenswerte pro Jahr. Bei Rentenversicherungen fallen Abschluss- und allgemeine Verwaltungskosten sowie die Risikokosten und die eidgenössische Stempelabgabe an. Bei Einzahlung der Einmaleinlage werden vom Kapital vorab die Stempelabgabe von 2,5% und die Abschlussprovision von 3 bis 5% abgezogen, bevor die Nettoprämie in den Anlagepool übergeführt wird. Für die Kalkulation der offerierten lebenslangen Rentenleistungen werden Risikokosten und die periodischen Verwaltungskosten von jährlich 1,5 bis 2% zugrunde gelegt. Aufgrund der abschlussorientierten Tarifstruktur, der wieder eingeführten Stempelabgabe und der anfallenden Risikokosten sind die Kosten gegenüber dem Bankportfolio wesentlich höher.

Erträgnisse aus verzinslichen Anlagen und Beteiligungspapieren gelten zu 100% als steuerbares Einkommen. Kapitalgewinne im Privatvermögen sind von der Einkommenssteuer befreit. Während der ganzen Desinvestitionsphase unterliegt nur der Zinsertragsteil der Einkommensbesteuerung. Der stetige Kapitalverzehr hingegen ist von keiner Besteuerung betroffen. Rentenleistungen aus Lebensversicherungen sind zu 40% steuerbar. Dieser reduzierte Satz soll den durchschnittlichen Zinsertragsanteil der Rentenleistung repräsentieren. Im Vergleich zum Bankportefeuille, dessen Zinsertragsanteil zwischen 20 und 25% der effektiven jährlichen Entnahme beträgt, ist dieser reduzierte Satz eher als nachteilig zu werten, obwohl diese Besteuerung häufig als entscheidender Vorteil genannt wird. Potenzielle Steuerfallen können bei vorzeitiger Auszahlung infolge Rückgewähr oder Rückkauf die Steuerbelastung schmerzlich in die Höhe treiben.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Bankportfolio steuerlich weniger stark belastet wird. Die Flexibilität beim Bankportefeuille ist äusserst hoch. Der Investor kann jederzeit über sein Vermögen verfügen. Sollten sich die Liquiditätsbedürfnisse im Laufe der Zeit ändern, wird die Struktur des Portefeuilles angepasst. Der Vorsorgenehmer kann also seine eigene massgeschneiderte Rente definieren und bei Bedarf ändern. Bei der Versicherungslösung ist die Flexibilität aus versicherungstechnischen Gründen eingeschränkt. Die Verfügbarkeit des Kapitals ist grundsätzlich vorhanden, ist jedoch mit einem Abschlag in Form eines verminderten Rückkaufswertes zu erkaufen. Auf Veränderungen der Liquiditätsbedürfnisse kann der Versicherte kaum reagieren. Im besten Fall hat er die Möglichkeit, bei Vertragsbeginn zwischen verschiedenen Auszahlungsvarianten der nicht garantierten Überschussrente zu wählen. Damit ist das Bankportefeuille eindeutig flexibler als die Leibrente. Die Flexibilität bei letzterer muss mit Zinsverzicht, Kosten und Steuern erkauft werden.

Beim Tod der versicherten Person fällt die Rückgewährssumme nicht in die Erbmasse, sondern direkt dem oder den Begünstigten zu. Der Vorteil liegt darin, dass die Leistungsempfänger sofort über das noch nicht verbrauchte Kapital verfügen können und nicht die Erbteilung abwarten müssen. Vorbehalten bleibt die Herabsetzungsklage bei Pflichtteilsverletzung. Sofern der Ehegatte oder die Nachkommen des Versicherungsnehmers Begünstigte sind, fällt der Rückkaufswert im Konkursfall, unter Vorbehalt allfälliger Pfandrechte, nicht in die Konkursmasse. Zum Schutz der Gläubiger des Versicherungsnehmers unterliegt das Konkursprivileg dem Vorbehalt der Anfechtungsklage.

Kriterien

Im Entscheidungsprozess ist die Gewichtung einzelner Kriterien von grundlegender Bedeutung. Für die Wahl der Banklösung oder des Versicherungsprodukts sind erfahrungsgemäss die Kriterien Sicherheit, Rendite und Flexibilität entscheidend. Kosten, Steuern, Erb- und Konkursprivileg gelten hingegen meistens als Nebenkriterien. Die Hauptkriterien Sicherheit und Rendite sind eng mit der persönlichen Risikoneigung und dem Bedürfnis nach Absicherung der Langlebigkeit verbunden. Eine im Grundsatz risikoaverse Person tendiert oft zur Versicherungslösung und nimmt deshalb bewusst Rendite- und Flexibilitätseinbussen zugunsten einer lebenslangen Rente in Kauf. Die Alternative dazu wäre ein Abschluss einer Rentenversicherung mit Alter 75 statt mit Alter 65, weil das einzusetzende Kapital für die gleiche Rente dann wesentlich niedriger wäre. Auch für Spezialsituationen im Bereich von Nachlassplanungen kann die Versicherungslösung vorteilhaft sein. Personen mit solider Vermögensbasis achten mehr auf den Kapitalerhaltungs- bzw. Renditeaspekt und können problemlos das Risiko, ein hohes Alter zu erreichen, eingehen. Aus diesem Blickwinkel wird oft die individuelle Banklösung gewählt.

Obwohl die Erkenntnisse aus den Analysen eher für die Wahl der Banklösung sprechen, werden die Rentenprodukte, die je länger, je mehr flexibler und innovativer werden, den Marktanteil behaupten können. Angesichts der aus bekannten Gründen (tiefe Zinsen und steigende Lebenserwartung) kleiner werdenden Leistungen aus der beruflichen Vorsorge steigt das Bedürfnis nach lebenslangen Renten. Aus denselben Gründen haben die Lebensversicherer ihre Leistungs-offerten für Neugeschäfte markant reduzieren müssen. Sollte sich die Marktsituation nicht verbessern, werden vermehrt auch Bonusanteile laufender Renten gekürzt werden.

Versicherungs- oder Bankfachleute sind in der Fragestellung «Rentenversicherung oder Bankportfolio» oft mit Interessenskonflikten belastet. Darum ist es empfehlenswert, vor dieser Entscheidung zumindest eine Zweitmeinung bei einem unabhängigen Finanzplaner einzuholen.

Andreas Helg ist Finanz- und Vorsorgeberater bei Wegelin & Co., Privatbankiers, St. Gallen.