Für die UBS geht es bei der vom Bundesrat vorgeschlagenen Überarbeitung der Bankenregulierung um viel: Per Verordnung sollen Softwarebestände und Steuerguthaben nicht mehr zum Eigenkapital gezählt werden. Das allein reduziert das Kapital der UBS um 11 Milliarden Dollar.
Noch teurer käme die UBS die geplante volle Unterlegung der Auslandstöchter mit Eigenkapital. Diese Massnahme, die per Gesetz beschlossen werden soll, würde den Kapitalbedarf laut UBS um 24 Milliarden Dollar erhöhen. Als «total daneben» bezeichnete UBS-Chef Sergio Ermotti daher das Regulierungspaket am Dienstag vor den Medien.
Kein Dialog möglich
Im Ringen um neue Regeln fällt auf, dass die UBS weniger gegen das Finanzministerium, sondern vor allem gegen die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die Schweizerische Nationalbank (SNB) wettert. Und das nicht nur hinter vorgehaltener Hand, sondern öffentlich.
So heisst es in der Vernehmlassungsantwort der UBS zum Entwurf der Eigenmittelverordnung: «In Bezug auf die Bewertung und Kapitalisierung der ausgewählten Aktiven war ein ergebnisoffener, transparenter Dialog unmöglich, insbesondere auch, da die Finma und die SNB schon früh öffentlich erklärt hatten, dass allein ein Vollabzug vom harten Kernkapital zielführend sei.» Und weiter: «Damit haben diese zwei Institutionen faktisch die Verwaltung und den Bundesrat vor vollendete Tatsachen gestellt.»
Auch mit Blick auf die Kapitalunterlegung der Auslandstöchter seien SNB und Aufsicht vorgeprescht: «Die Finma und SNB haben ihre maximale Forderung als bestmögliche Option zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit dargestellt, ohne dabei die hohe Kostenfolge von extremen Massnahmen gebührend zu berücksichtigen, welche die Widerstandsfähigkeit einer Bank wiederum schwächen.»
Ermotti: Aufsicht führt sich wie Regulator auf
Sprich: Finma und SNB haben das Finanzministerium mit öffentlichen Vorfestlegungen vor sich hergetrieben. Die Vorkonsultationen seien de facto via Schlagzeilen zu Reden und Interviews geführt worden, einen echten Dialog habe es gar nie gegeben, sagt UBS-Compliance-Chef Markus Ronner. Und Bank-Chef Ermotti kritisierte, dass die «Aufsicht sich nicht wie ein Regulator» aufführen solle. Dies sei Aufgabe des Parlaments, nicht der Finma.
Ganz ähnlich hatte sich UBS-Präsident Colm Kelleher in der TV-Sendung «Bilanz Standpunkte» Ende September geäussert. Laut Kelleher war die Veröffentlichung des PUK-Berichts im Dezember vergangenen Jahres ein Wendepunkt in der Debatte.
Denn der Bericht hatte festgestellt, dass das Finanzministerium die Aufsicht im Jahr 2013 übersteuert hatte. Auf Druck des EFD und des Parlaments hatte die Aufsicht damals der Credit Suisse bei der Kapitalunterlegung der Auslandstöchter Erleichterungen gewähren müssen.
Das Ergebnis ist bekannt: Die verschiedenen Kapitalerleichterungen führten dazu, dass die Credit Suisse mit zu wenig Eigenkapital unterwegs war. Ohne den berühmten «regulatorischen Filter», der die Kapitaldecke besser aussehen liess, wäre die CS schon 2020 unterkapitalisiert gewesen, vor allem auf Ebene des Stammhauses, der Credit Suisse AG.
Finma kämpft für mehr Kapital
Laut Kelleher hat der PUK-Bericht dann dazu geführt, dass Finanzministerin Karin Keller-Sutter nicht mehr wagen wollte, sich in der Debatte um neue Eigenkapitalregeln für die UBS der Finma zu widersetzen. Und Finma-Direktor Stefan Walter zählt ohne Zweifel zu den entschlossensten Vertretern des Vorschlags, dass die UBS auf Ebene Stammhaus den Wert der Auslandstöchter vollständig mit Eigenkapital zu unterlegen hat, wie er auch gegenüber der Handelszeitung erklärte. Die Schweizerische Nationalbank hat sich in ihren Finanzstabilitätsberichten ebenfalls dafür ausgesprochen.
Martin Schlegel, Präsident des Direktoriums der SNB, Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (Mitte) und Marlene Amstad, Verwaltungsratspräsidentin der Finma.
Schon früher hatten UBS-Manager auf die öffentlichen Forderungen von Finma und SNB genervt reagiert. Aufsicht und Notenbank hätten in der Credit-Suisse-Krise einen lausigen Job gemacht: Die Probleme seien lange bekannt gewesen, und am Ende habe das Finanzministerium eine Notrettung mithilfe der UBS orchestrieren müssen, heisst es hinter vorgehaltener Hand. Und nun stellten sich Finma und SNB als kompromisslose Aufräumer dar und würden öffentlich für ultraharte Kapitalforderungen trommeln, ohne die Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der UBS zu beachten.
Ein Blick in den «Too big to fail»-Bericht des Finanzministeriums vom April 2024 ist in diesem Kontext interessant. Denn der Bericht hatte noch offengelassen, ob es wirklich eine Vollunterlegung der Auslandstöchter mit Kapital brauche.
«Mehr» ist nicht «100 Prozent»
So heisst es im Bericht: Es sollten bei global systemrelevanten Banken «die Eigenmittelanforderungen für das Stammhaus (Parent-Bank) gezielt gestärkt werden, indem ausländische Beteiligungen mit mehr Eigenmittel unterlegt werden müssen». Auf den folgenden Seiten lassen die weiteren Erläuterungen zwar eine klare Präferenz für die Vollunterlegung erkennen, dies wird als «strengste und weitreichendste Variante» beschrieben – aber eben nicht als einzige Möglichkeit.
Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen sowie das Ministerium selbst weisen die Darstellung der UBS zurück. Die Position in der Kapitalfrage habe sich im Zeitverlauf nicht geändert, und schon gar nicht habe sich die Ministerin von SNB und Finma zu irgendwas drängen lassen, heisst es. Karin Keller-Sutter sei ganz klar davon überzeugt, dass die Vollunterlegung der Auslandstöchter mit Eigenkapital der richtige Schritt sei, um die Bank sicherer zu machen und die Risiken für die Steuerzahlenden zu begrenzen.
Die Finma will nichts zur Kritik der UBS sagen. Und die SNB entgegnet kühl: «Die Nationalbank hat den gesetzlichen Auftrag, zur Stabilität des Finanzsystems beizutragen. Diesen Auftrag nimmt sie unter anderem wahr, indem sie der Öffentlichkeit und den politischen Entscheidungsträgern Informationen, Analysen und Einschätzungen zur Finanzstabilität zur Verfügung stellt.»
Nun ist das Parlament am Zug
In dem Kontext fällt indes auf, dass das Ministerium die umstrittenste Massnahme – also die Vollunterlegung der Auslandstöchter – nicht per Verordnung beschliesst, sondern dem Parlament zur Entscheidung vorlegt. Das eröffnet Raum für Kompromisse. Analysten fürchten indes, dass damit die technische Kapitalfrage politisch aufgeladen wird – und es am Ende darum gehen könnte: Will die Schweiz überhaupt noch eine Grossbank?
Die UBS hofft, dass die National- und Ständeräte eher Gehör für die Anliegen der Grossbank haben als das Ministerium, das von SNB und Finma in der harten Haltung quasi einbetoniert worden sei. Sollten die Parlamentarier das Regelwerk tatsächlich aufweichen, kann das Finanzministerium dann darauf verweisen, selbst für eine härtere Variante geworben zu haben.
Der Politpoker um die neuen Regeln für die UBS ist ein Marathon, kein Sprint. Die Vorschläge sind nun in der Vernehmlassung, die am 9. Januar endet. Dann wird der Bundesrat sich über die eingegangenen Antworten beugen und seine Botschaft ans Parlament vermutlich im kommenden Sommer vorlegen. Und dann geht der Kapitalpoker im National- und Ständerat in die ganz heisse Phase.