Warum Peter Spuhlers Swiss-Steel-Deal Sinn machen könnte

Wie die alte Riege von Swiss Steel den Betrieb falsch gemanagt hat, «das treibt mir die Tränen in die Augen», formuliert es ein ehemaliges Kader-Mitglied, das anonym bleiben will, gegenüber der «Handelszeitung». «Da waren Leute dran, die von Stahl keine Ahnung und das Potenzial nicht ausgeschöpft haben.» Das könnte sich mit den Veränderungen im Aktionariat bei dem Luzerner Stahlhersteller nun ändern. Die BigPoint Holding AG von Grossaktionär Martin Haefner trennt sich von 306 Millionen Aktien und veräussert diese an die PCS Holding AG von Stadler Rail-Patron Peter Spuhler. Dies entspreche rund 10 Prozent des Aktienkapitals und der Stimmrechte von Swiss Steel, heisst es in einem Communiqué am Freitag. Chance für operative Weichenstellungen Damit steigt Spuhler innerhalb von wenigen Monaten bereits zum zweiten Mal in eine Schweizer Krisen-Firma ein: Vor zwei Monaten wurde bekannt, dass der Stadler-Patron knapp unter 3 Prozent vom Backwarenkonzern Aryzta gekauft hatte. PCS Holding schrieb damals, dass dies ein Investment von Spuhler als Privatperson sei, welches bereits vor einigen Monaten getätigt worden war. Es bestünden keine konkreten Absichten, dieses Investment auf- oder abzubauen. Mit dem Einstieg Spuhlers und seinem Verständnis für russische Geschäftspartner, mit denen Spuhler bei Stadler Rail schon einige Erfahrung sammeln konnte, besteht die Chance, das Potenzial bei Swiss Steel zu heben und operativ effizienter aufzustellen. Bekanntlich ist hier der russische Oligarch Viktor Vekselberg über die Gesellschaft Liwet Grossaktionär. Einige Male habe ein früherer Swiss-Steel-Interner und Ex-Kadermann mit dem früheren Präsidenten Heinrich Christen darüber konferiert, was mit dem Stahlhersteller nun geschehen müsse. Und nichts davon, so sein Vorwurf, habe man berücksichtigt. Im Gegenteil, einen Unternehmensbereich, und zwar die französische Ascometal, wollte man unter Christen sogar verkaufen. Keine gute Idee, wie sich zeigt: Der Spezialstahlhersteller hatte im ersten Quartal 2021 wieder schwarze Zahlen geschrieben. Unter dem Strich blieb ein Nettogewinn von 4,8 Millionen Euro übrig, dies nach einem Minus von 42,3 Millionen in der Vorjahresperiode. Die Ergebnisverbesserung sei neben dem besseren Absatz vor allem auch mit Kostensenkungs- und Effizienzsteigerungsmassnahmen erreicht worden, so Swiss Steel. Der Umsatzanstieg spiegle insbesondere die höhere Nachfrage aus der Automobilindustrie wider. Die Aktie von Swiss Steel hat seit Ende März 2021 rund 40 Prozent zugelegt und notiert bei knapp 33 Rappen. Der Rekordstand von 13,65 Franken stammt von Mitte 2007. Zwei grosse Baustellen Dennoch gibt es viel zu tun. Ein schwerer Rucksack für Swiss Steel sind zwei Geschäftseinheiten: die Deutschen Edelstahlwerke und Ascometal. Dort liegt das Potenzial für mehr Effizienz und Profitabilität. In den Jahren 2004 und 2005 übernahm der Schweizer Stahlproduzent die Edelstahlwerke Südwestfalen und Edelstahl Witten-Krefeld, die 2007 zu den Deutschen Edelstahlwerken zusammengefasst wurden. Diese Edelstahlwerke in Deutschland haben seit jeher einen hohen Kostenblock im Konzern. Das liegt daran, dass alle diese Werke mehrere Produkte parallel produzieren. Um kompetitiv zu bleiben, müssten sich diese auf eine Produktkategorie konzentrieren, um die Produktlinien nicht ständig umrüsten zu müssen. Hier liegt ein grosses Potenzial, die Effizienz und die Kostenkontrolle von Swiss Steel zu erhöhen. Und darin liegt eine grosse Chance für Spuhler, mit dieser Strategie-Anpassung auch einen besseren Aktienkurs für sein Investment herauszuholen. Rochaden in der Produktion Die teils hohen Kosten in Deutschland waren auch der Grund für die Akquisition der französischen Ascometal im Jahr 2018. Vor allem um die bereits bestehenden Produktionslinien im Konzern zu entlasten, indem Volumina zwischen den Werken und dem Markt abgetauscht werden können, sodass auch hier Effizienzgewinne zu erzielen sind. Ascometal wurde einst günstig zugekauft, der französische Hersteller war quasi pleite. Bis in dieses Jahr hinein wurde aber wieder der Break Even erreicht. Was sich für Swiss Steel und Spuhlers Investment nun besonders lohnen könnte, wäre ein Rochade der Produktionen zwischen einem der Werke in Deutschland und Ascometal. In der Folge könnte eines der deutschen Werke dran glauben und aus Kosteneffizienzgründen geschlossen werden. Das würde Geld sparen und der Aktie gut tun. So wünschen es sich manche Ex-Manager des Stahlherstellers jedenfalls. In einem nächsten Schritt müsste Swiss Steel die Stromversorgung für die Produktion in Frankreich in Angriff nehmen. Derzeit wird Frankreichs Industrie nach wie vor zu einem grossen Teil mit Atomstrom versorgt. In Zukunft werden aber Industrieprodukte wie Stahl auf dem Weltmarkt nur noch mit entsprechenden Nachhaltigkeitsiegeln reüssieren. Die Umstellung auf grünen Strom bei Ascometal wäre daher der nächste sinnvolle Schritt. Umbruch im Management Für Ruhe im täglichen Betrieb braucht es auch Ruhe in der Führung. Swiss Steel, die eine turbulente Firmengeschichte hinter sich hat, befindet sich weiterhin auf verschiedenen Ebenen im Umbruch, auch auf Management-Ebene: So wurde der frühere Swisscom-CEO Jens Alder zum neuen Verwaltungsratspräsidenten gewählt. Nach einer Refinanzierung soll die begonnene Transformation mit dem neuen Frank Koch vorantreiben werden. Alder hatte das Präsidium bereits in den Jahren 2019/20 inne, ehe er im Dezember 2020 den Stab an Heinrich Christen übergeben hatte. Dieser war Anfang April 2021 dann mit sofortiger Wirkung zurückgetreten. Im Streit um die Kapitalerhöhung von Swiss Steel hatte die Finma diese Woche eine Beschwerde des Aktionärs Liwet des russischen Oligarchen Viktor Vekselberg gegen eine Verfügung der Übernahmekommission abgewiesen. Vekselberg hatte mit einer Reihe von rechtlichen Schritten versucht durchzusetzen, dass die BigPoint Holding von Martin Haefner doch noch ein allgemeines Pflichtangebot an alle Swiss-Steel-Aktionäre unterbreiten müsse. Liwet kann diesen Entscheid nun noch beim Bundesverwaltungsgericht anfechten. Geplatzter Deal um Peter Spuhler bei Swiss Steel (HZ+) Mehr zu Martin Haefner: Amag-Erben einigen sich auf Erbaufteilung (mit Material von Cash.ch und AWP)