Wie Hörgerätehersteller Sonova mit Sennheiser in die Offensive geht

Es ist für Sonova ein herber Rückschlag: Das Delisting bei Costco. Der Hörgerätehersteller mit den in den USA so beliebten Marken Phonak und Unitron musste seine Hörgeräte-Produkte aus den Regalen des US-Retailers nehmen. Die Werbung für die Produkte stampft Costco gleich mit ein. Costco ist bekannt dafür, sein Sortiment radikal umzubauen. Der Händler hatte schon einmal Pampers aussortiert und durch No-Name-Ware ersetzt oder Coca-Cola durch Pepsi ausgetauscht. Für Sonova ist das Delisting schmerzhaft, setzt doch das Unternehmen voll auf die USA als Wachstumsmarkt. Immerhin «belastete die Nichtverlängerung eines grossen Hörgerätevertrags mit einem Kunden in den USA den Umsatz erheblich», vermeldete Sonova-Chef Arnd Kaldowski am Dienstag. Die USA gehören zu den westlichen Märkten, die am stärksten unterentwickelt sind, wenn es um Hörgeräte geht. Anders gesagt: Es gibt ein enormes Umsatzpotenzial. Für Sonova mit Sitz in Stäfa ZH ist es umsatzmässig bereits der zweitgrösste Markt. Und Costco gehört immerhin zu den Top Five der weltweit grössten Detailhändler mit einem Umsatz von mehr als 220 Milliarden Dollar. Die Marktmacht des US-Händlers hätte Sonova sehr gepasst. Hintergrund der Offensive von Sonova war die Marktöffnung der USA für Hörgeräte im Verkauf über den Tresen – und nicht bloss als rezeptpflichtiges Medizinprodukt. Die US-Arzneimittelbehörde FDA erlaubte dies im vergangenen Jahr per Gesetz. «Für Millionen von Amerikanern sind Hörgeräte und die damit verbundenen Arztbesuche zu teuer. In meiner letztjährigen Anordnung, den Wettbewerb in Schlüsselindustrien zu erhöhen und die Kosten zu senken, habe ich die FDA aufgefordert, Hörgeräte endlich rezeptfrei zu machen», sagte US-Präsident Joe Biden im August letzten Jahres. Für Sonova war diese Ankündigung Musik in den Ohren. Jener Teil der Präsidentenrede über mehr Wettbewerb und niedrigere Konsumausgaben möglicherweise weniger. Hörgeräte, die über den Tresen verkauft werden, brauchen keine professionelle Anpassung durch einen Audiologen, womit ein Grossteil der Kosten entfällt. Sonova ist mit seinem Service-Angebot in der Regel attraktive Margen gewöhnt, was einem Preiskampf und Discount-Angeboten eines Retailers à la Costco entgegensteht. Um jeden Preis will Sonova aber nicht in den US-Verkauf Over-the-Counter (OTC) vordringen. Die Leiterin des US-Geschäfts, Sandy Brandmeier, teilte den Hörgeräteakustikern in den USA entsprechend mit, «den Vertrieb unserer Marke Phonak auf strategische Kanäle zu konzentrieren und uns aus bestimmten grossen Einzelhandelsketten zurückzuziehen». Die Marke Phonak werde keine rezeptfreie OTC-Lösung anbieten. Grosse Hoffnung Sennheiser Dennoch ist Sonova in den USA breit aufgestellt. Das Unternehmen ist der Hauptlieferant des Kriegsveteranenministeriums Department of Veterans Affairs, wo alles über Rezept läuft und Kosten eine untergeordnete Rolle spielen. Zudem verfügt Sonova nach der Übernahme der Kopfhörersparte der Marke Sennheiser für den Bereich Consumer Hearing über eine der bekanntesten Brands im Markt für Hörsysteme. Sonova kaufte die Sparte vor zwei jahren für 200 Millionen Euro. «Mit Sennheiser an der Front hat man eine endkundenrelevante Marke ins Spiel gebracht», sagt Lukas Schinko, Chef des österreichischen Hörgeräte-Spezialisten Neuroth mit Filialen auch in der Schweiz. Damit hat Sonova für sich nicht nur den Markt erweitert, sondern es gibt auch Synergien, weil ein wesentlicher Bestandteil der Hörgeräteentwicklung genau das ist, was auch in einem Kopfhörer angewandt werden kann. Das gesamte Spektrum von einem hochwertigen Kopfhörer über ein Medizinprodukt-Hörgerät bis hin zu einer Hörprothese (Cochlea-Implantat) ist im Sinne der Vollabdeckung von Hörlösungen eine gute Positionierung. Es ist also nicht auszuschliessen, dass Sonova mit der Marke Sennheiser ein Comeback für dessen Hörlösungen in US-Shops plant. Starke Konkurrenz Derweil hat aber die Konkurrenz die Nase vorn. Costco vertreibt weiterhin die Produkte von GN Audio, unter anderem bekannt für die Marke Jabra. Auch Sony mit der Marke WS Audiology und die dänische William Demant mit Hörmitteln der Marke Philips sind derzeit stärker im US-Detailhandel vertreten als Sonova. Die Schweizer konzentrieren sich vorerst eher auf den medizinischen Bereich als den Consumer-Markt. Sonova bleibt der Liefervertrag mit dem «Department of Veterans Affairs». Mit dem Vertrieb über Costco als zweitgrösstem Retailer im Bereich Hörgeräte und einem Marktanteil um die 14 Prozent hätte Sonova die Konkurrenz weit hinter sich gelassen. Das könnte nun auf sich warten lassen.