Wo Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet und Meta jetzt investieren

Beispiele von Tech-Unternehmen, die innerhalb von wenigen Jahren ihre Marktführerschaft verspielt haben, gibt es viele. IBM war 1983 das profitabelste amerikanische Unternehmen, nur acht Jahre später schrieb man Verluste. Und auch der rapide Niedergang von Nokia müsste sich den Managern der heutigen Tech-Giganten wie Amazon, Alphabet, Apple, Microsoft und Meta tief ins Bewusstsein gegraben haben. Bis 2012 hatte Nokia 14 Jahre hintereinander weltweit die meisten Handys verkauft, dann verschlief man den Wechsel zu den Smartphones. Nicht die Hardware war fortan der kritische Erfolgsfaktor für Handys, sondern das Betriebssystem. Und dort war Nokia mit Symbian den Handy-Betriebssystemen IOS und Android hoffnungslos unterlegen. Dumm gelaufen. 280 Milliarden Dollar für Übernahmen Um nicht das gleiche Schicksal wie Nokia zu erleiden, investieren die grossen Tech-Unternehmen so viel in Innovationen und Übernahmen wie noch nie. Dabei treten sie sich immer mehr auf die Füsse. Bereits bei rund 40 Prozent ihrer Geschäfte stehen die Big Five in Konkurrenz zueinander. Darum öffnen alle grosszügig ihre Schatullen. Allein in Übernahmen investierten die Big Five in den letzten zwölf Monaten 280 Milliarden Dollar. Alle treibt die Suche nach dem «Next Big Thing». Das Problem ist, niemand weiss genau, was das sein wird. Microsofts Kauf des Videospieleherstellers Activision Blizzard für 69 Milliarden Dollar, die teuerste Übernahme der Unternehmensgeschichte, ist nur der vorläufige Höhepunkt des Rennens um die Zukunft. Microsoft stärkt mit der Investition nicht nur seine Spiele-Division, sondern kauft damit auch das Know-how des Spieleherstellers im Bereich Virtual Reality. Eines der grossen Zukunftsthemen, mit dem sich alle grossen Tech-Firmen beschäftigen. Apple ist dringend auf der Suche nach einem neuen Goldesel, der zukünftig das iPhone ersetzen könnte. Das könnte ein Auto sein oder ein Virtual-Reality-Headset, das mit der Oculus-Reihe von Meta und der Hololens von Microsoft konkurrieren kann. Amazon schraubt unermüdlich an der Effizienz seiner Lagerhäuser und Logistik. Zudem versucht man, den Bereich «Amazon Web Services» immer breiter auszurollen. Und Meta steht vor dem Problem, dass seine wichtigste Plattform Facebook von jüngeren Menschen zunehmend gemieden wird. Hier wettet man vor allen Dingen auf das «Metaverse». Nomen est omen. Investitionen in Zukunftsthemen Das britische Magazin «The Economist» hat in einer aufwendigen Recherche ein detailliertes Bild zu den Aktivitäten der Big Five erstellt. Daraus werden die Prioritäten ihrer Forschung und Entwicklung (F&E) deutlich sowie die technologischen Schwerpunkte der Unternehmen, die sie kürzlich übernommen haben oder an denen sie Minderheitsbeteiligungen eingegangen sind. Nicht nur die Ausgaben für Firmenübernahmen und -beteiligungen sind gigantisch, auch in Forschung und Entwicklung (F&E) wird kräftig investiert: Insgesamt gaben die Big Five 2021 149 Milliarden Dollar für F&E aus, was etwa einem Viertel der F&E-Gesamtausgaben aller amerikanischen Firmen entspricht. Der Anteil dieser Ausgaben am Umsatz stieg in den letzten fünf Jahren um ein Drittel von 9 auf 12 Prozent. Zu einem grossen Teil gehen diese Ausgaben in die Weiterentwicklung der bestehenden Produkte, aber Analysten schätzen, dass zwischen 5 und 20 Prozent der massiven Ausgaben der Tech-Giganten in acht sogenannte Zukunftsthemen fliessen: Metaverse, autonomes Fahren, Healthcare, Raumfahrt, Robotik, Fintechs, Kryptowährungen und Quantencomputer. Der Bereich künstliche Intelligenz (KI) ist ebenfalls ein absolutes Zukunftsthema und betrifft alle genannten Bereiche. 110 Unternehmensübernahmen in den letzten drei Jahren Nach Angaben des Finanzdaten-Spezialisten Pitchbook, auf die sich die «Economist»-Journalisten berufen, haben die Big Five in den letzten drei Jahren rund 110 Unternehmen übernommen (Die Analyse wurde vor dem aktuellen Activation-Deal von Microsoft erstellt). Mehr als ein Viertel der übernommenen Unternehmen war auf KI oder die Verarbeitung grosser Datenmengen spezialisiert. Ein anderes Viertel bezog sich auf die erwähnten Zukunftsthemen. Microsoft akquiriert am aggressivsten Microsoft führte schon vor der Activation-Übernahme die Liste der grössten Übernahmen der letzten Jahre an. Im April vereinbarte das Unternehmen den Kauf von Nuance Communications, einem auf das Gesundheitswesen spezialisierten Cloud- und Software-Anbieter, für 19,7 Milliarden Dollar. Zudem hat Microsoft Startups gekauft, die Cloud-Dienste anbieten, wie beispielsweise Mover, das Unternehmen bei der Verlagerung von Daten in die Cloud unterstützt, und Cloudknox, ein Cybersicherheitsunternehmen. Google, das mit seinem Cloud-Business hinter Microsoft und Amazon liegt, hat drei Cloud-basierte Startups gekauft, darunter Actifio. Sein Interesse im Health-Bereich zeigte Google durch die Akquisition von drei Wearables-Firmen, darunter Fitbit zum Preis von 2,1 Milliarden Dollar. Die stärkste Fokussierung auf das Thema Metaverse – wenig verblüffend nach der Namensänderung im Oktober – hat Meta: Von den 13 Unternehmen, die im Bereich Augmented Reality (AR) oder Virtual Reality tätig sind und deren Kaufpreis genannt wurde, hat Meta alleine acht gekauft, darunter Bigbox und Downpour Interactive. Apple kaufte vier weitere, unter anderem Next VR und Ikinema. Allerdings konzentriert sich Apple hauptsächlich auf das Thema KI. Von den 22 Käufen seit 2019 waren mehr als die Hälfte KI-bezogene Startups. Autonomes Fahren und Mobilität Auch bei den Minderheitsbeteiligungen spielen die Zukunftsthemen eine grosse Rolle. Die Pitchbook-Daten zeigen, dass sich mehr als ein Drittel der Unternehmen diesen Themen zuordnen lassen. Die Ausnahme ist Apple, das nur sehr wenige Minderheitsbeteiligungen eingeht. Grosses Interesse besteht beim Thema autonomes Fahren und Mobilität. Insgesamt entfallen 9 Prozent der Investitionen der grossen Technologieunternehmen auf diesen Bereich. Amazon hat in zwei investiert, Rivian und Aurora. Rivian, an dem Amazon mit 20 Prozent beteiligt ist, ging im November an die Börse und wird aktuell mit rund 58 Milliarden Dollar bewertet. Darüber hinaus kaufte Amazon letztes Jahr für 1,3 Milliarden Dollar Zoox, das sich wie Aurora auf autonome Fahrzeuge konzentriert. Analysten vermuten, dass Amazons unmittelbares Interesse an diesem Sektor in der Möglichkeit besteht, seinen Lieferservice billiger und effizienter zu machen – das Unternehmen hat bereits 100'000 Lieferwagen bei Rivian bestellt. Auch Google hat in zwei Unternehmen mit Technologien für autonome Fahrzeuge investiert: Waymo und Nuro. Apple hingegen, das 2019 Drive.ai übernommen hatte, arbeitet grösstenteils intern an seinen selbstfahrenden Autos. Mit seinem Project Titan will das Unternehmen im Jahr 2025 ein eigenes Fahrzeug auf den Markt bringen. Letzte Woche stieg nun auch Microsoft in das Rennen ein mit einer Investition in Wayve, ein in London ansässiges Unternehmen für autonomes Fahren. Healthcare und Indien Weitere Bereiche, die durch die zunehmende Nutzung von KI immer mehr in den Fokus rücken, sind Biotech und Healthcare. Insbesondere Google ist in dem Bereich sehr aktiv. Beispielsweise hat man in Editas Medicine investiert, ein Unternehmen für Genom-Editierung, und auch in Adagio Therapeutics, das sich auf die Entwicklung von Medikamenten auf Basis von Antikörpern spezialisiert. Zudem investiert Google in Fintech-Firmen wie Botkeeper, einen automatischen Buchhaltungsdienst. Andere Technologieunternehmen machen ähnliche Schritte. Apple erwarb im Jahr 2020 das Zahlungs-Startup Mobeewave, um iPhones in mobile kontaktlose Zahlungsterminals zu verwandeln. Letztes Jahr kaufte Amazon das indische Startup Perpule, das im stationären Einzelhandel mit einer Self-Check-out-App das Bezahlen erleichtert. Überhaupt, Indien liegt im Trend: In keinem anderen Land ausserhalb der USA beteiligen sich die Big Five an so vielen Unternehmen. Amazon hat eine Beteiligung an Bankbazaar aufgebaut, einem Online-Finanzmarktplatz mit Sitz in Chennai. Google kündigte 2020 an, in den nächsten fünf bis sieben Jahren 10 Milliarden Dollar in indische Technologieunternehmen investieren zu wollen. Vermutlich gibt es das «Next Big Thing» schon irgendwo und es schlummert in einem kleinen Startup oder im Kopf eines genialen Erfinders. Es wäre keine allzu grosse Überraschung, wenn die nächsten disruptiven Innovationen nicht von den grossen Konzernen erfunden würden, das zeigt die Geschichte. Aber sie werden sie am Ende wahrscheinlich kaufen.