Der Wohnsitz der Zubler-Gloor-Familie mit Baujahr 1928 liegt in Sursee auf dem Mariazellhügel, der Endmoräne am nördlichen Ende des Sempachersees. Einst war es ein einsamer Feldweg, heute führt eine Quartierstrasse zum Haus, das vom See her als ein Solitär auf der Anhöhe steht. Auf der Zufahrtseite versteckt es sich hinter Sträuchern, Bäumen und der alten Gartenmauer, deren Eisentor meist offen steht. Man fährt in den Hof und wird vom Knirschen des Kieses unter den Autorädern angenehm überrascht. Vertrauter dagegen ist das Geräusch zu Fuss, Schritt um Schritt erinnert es an die alten Kieswege, die heute selten geworden sind.

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Das alte Haus verdient Respekt

Kies also im Hof vor Haus und Garagen, wie er immer schon lag. Man blieb dabei, liess sich nicht aus so genannt praktischen Gründen zu Betonverbundplatten verführen, wie sie heute schier überall auf Vorplätzen liegen. «Ehrlich gesagt, dies wäre beinahe geschehen», so Daniel Gloor (48), der seit drei Jahren mit seine Frau Ariann (44) und den Kindern Fabian (16) und Annabel (13) in dritter und vierter Generation den Familiensitz bewohnt. Seine Frau Ariann habe interveniert. Wenn schon ein neuer Bodenbelag, dann verdiene das Haus Natursteinplatten, wie man sie auch im Garten finde.

Der ursprüngliche Kiesbelag steht für eine ganze Reihe von originalen Bauteilen, die ihre Wertschätzung verdienen. Wir schulden dem Haus und seiner Vergangenheit Respekt. «Ihm eine neue Identität aufzuzwingen wäre falsch», so Gloor, dem das «Seeheim», wie es liebevoll in der Familie genannt wird, seit frühster Kindheit vertraut ist. «Neu dazugekommen sind ein paar persönliche Wohnansprüche. Mit ihnen schreiben wir die Hausgeschichte fort», so Ariann, die mit ihrem natürlichen Gespür für Materialien, Farben und Formen beim Renovieren massgebend beteiligt war. «Können wir mit diesem oder jenem alten Teil leben?» Dies eindeutig mit Ja beantwortet, hiess: Man wird das Stück Vergangenheit ins zukünftige Wohngeschehen mitnehmen. Mit dieser Entscheidungshilfe seien sie gut gefahren. So auch das Ja zu den farbigen Scheiben mit den Familienwappen im Treppenhaus. «Irgendwie gehören sie zum Haus», so Gloor. Inzwischen freuen sie sich über die farbigen Lichtspiele, wenn sich abends die letzten Sonnenstrahlen im Glas verfangen.

Generationenwechsel am Familiensitz

Grossmutter Hedy Fretz-Zubler (98) hat 73 Jahre ihres Lebens an diesem Ort verbracht. Sie ist in Sursee eine bekannte Persönlichkeit. Zum einen für ihr soziales Engagement im Städtchen, zum andern für den heissen, süssen Tee, den sie den Kindern beim Schlitteln auf dem «Fretzhügel» neben ihrem Haus auszuschenken pflegte, eine Tradition, die die neuen Bewohner weiterpflegen. Frau Fretz-Zubler erinnert sich: Anfangs habe es kein Haus rundum gegeben, nur Wiesen, Äcker und der Feldweg ins Städtchen. Die Leute hätten den Kopf geschüttelt. So abseits baue man nicht! Anno 2002 hat sie ihre Villa (zu einem moderaten Preis) an den glücklichen Enkel verkauft. So bleibe das Haus in der Familie, freuen sich die Verwandten.

Jakob H. Zubler hatte 1924 in Büron die Steppdeckenfabrik mit gegründet, aus der die Superba- Matratzenfabrik hervorging. Die Idee der industriell herstellbaren «rahmenlosen Innenfederkernmatratze» hatte der findige Geschäftsmann aus Amerika gebracht. «Dank dir, Grossvater», so möchte Gloor ihm zurufen und bedauert, dass er den Mann nicht mehr persönlich erlebt hat, dem er seine berufliche Laufbahn wie jetzt auch den Wohnsitz verdankt.

Dem Steinrelief an der inzwischen zartrosa gestrichenen Fassade gebührt besondere Beachtung. Dies sei eine Hommage an die wundersame Rettung Zublers auf seiner Rückfahrt aus Amerika. Als Schiffbrüchiger sei er anno 1923 auf einer Insel gestrandet und dort von einem vorbeifahrenden Schiff gerettet worden. Dichtung oder Wahrheit? «Superba sei Dank!», so der Enkel des visionären Vorfahren. Denn mitgerettet worden sei damals auch die Idee des Federkerns, in dem der Ursprung von «Superba» liege. Nebst anderen Matratzentechnologien ist das Unternehmen dem Federkern treu geblieben. Bei Luxusmodellen wird jedes Federchen in sein eigenes Täschchen gesteckt. «Höchster Schlafkomfort», so Gloor. Wer zweifle, solle bei ihnen in der Recticel in Büron Probe liegen und das Raffinement am eigenen Leibe erspüren.

Hausgeschichte fortgesetzt

Erspürt haben die neuen Besitzer auch das alte Haus, bevor sie mit dem Renovieren begannen. «Man muss dessen Vergangenheit respektieren und dem Haus ohne Nostalgiegehabe eine angemessene Zukunft geben.» So wurde erneuert, was notwendig war. Dazu gehörten die sanitären und elektrischen Installationen, eine Küche nach heutigem Standard und ein wohnliches Bad. Statt des behaglich dunklen Ambientes von einst ist das Haus heute erfrischend zeitgemäss und hell. Im Eingangsbereich liegt der weisse Keramikboden. Die Durchgangstüre zwischen Entrée und Wohnraum wurde aufgegeben. Jetzt steht hier auf der ganzen Wandbreite ein beidseitig nutzbarer Einbauschrank. Im Entrée dient er als Garderobe mit Schubladen und grosszügiger Ablage und setzt mit einem satten Himbeerrot den erfrischend farbigen Akzent zum Weiss. Auf der anderen Seite im Wohnbereich bringt die Einbaute den notwendigen Stauraum für Ordner, Büromaterial, Bügelbrett, Nähzeug, Blumenvasen, Geschirr. Der profane Schrankinhalt wird mit orange beleuchteten Nischen für allerlei Nippes dekorativ getarnt. Die alten, massiven Eichenparketts wurden abgeschliffen und geölt. Die weissen Pigmente im Öl verhindern das Nachdunkeln des Holzbodens. Die unbeheizte Loggia vor der Küche ist wieder neu verglast und dient als Essplatz in der warmen Jahreszeit. Esstisch und Sitzbänke, entworfen von Ariann Gloor, sind Spezialanfertigungen vom Schreiner. Die Zimmerdecke im Salon wie auch die Türen aus Nussbaum beliess man original. Das dunkle Holz setzt einen warmen Kontrast zur sachlich reduzierten Einrichtung. Alle Wände im Haus wurden konsequent weiss gestrichen. Das Treppengeländer strich man ebenfalls weiss, der Handlauf dagegen blieb im natürlichen Ton vom Holz. Er führt jetzt als elegante Linie über zwei Etagen bis hinauf ins Dachgeschoss. Der alte Kachelofen im Wohnraum wird elektrisch erwärmt, die grossen Gusseisenradiatoren nimmt man zu Gunsten ihrer Speicherkapazität gerne in Kauf. Die Fenster, Terrassen- und Balkontüren mussten ersetzt werden. Trotz beträchtlicher Mehrkosten erhielten die neuen Isolierverglasungen ihre Sprosseneinteilungen, wie es der Stil des Hauses verlangt.

Wohnraum als Allzweckraum

Die Einrichtung entspricht den persönlichen Wohnbedürfnissen. Von verstaubtem Repräsentiergehabe hält man nichts. Der Wohnraum wird als Allzweckraum genutzt und lässt die verschiedensten Tätigkeiten zu. «Wir leben hier», so Ariann lapidar. Von Fenster zu Fenster reihen sich die verschiedenen Wohnbereiche aneinander. An der Ostseite wärmt der grüne Kachelofen, im Erker daneben wird auf den aufs Mass eingepassten roten Sofas gelesen und die Seesicht genossen. Am langen Holztisch wird gegessen, gezeichnet, genäht, geschrieben. Im Büroteil steht der Computer, und daran anschliessend folgt der Musikbereich mit dem Flügel. Weiter hinten lädt die rote Bar mit einem Drink zum Feierabend ein. Diesen beschliesst man im Salon auf dem Sofa, den Sesseln und neu auch auf der grünen «Space», der so genannten Relax-Insel von superber Qualität. Die «Space» sei ein Experiment oder auch ein «Conversation Piece» und wohl nicht jedermanns Sache, so Gloor. Obschon «Space» eine uralte Wohntradition wieder aufnimmt, das gute Ruhbett, je nach Region auch Diwan, Couch oder Ottomane genannt, das einst in jeder guten Stube stand. Hier bettete man den Besuch, doch vor allem pflegten darauf die Väter ihren geheiligten Mittagschlaf.

Der promovierte Jurist Daniel Gloor hat die Vermarktung rund um Matratzentechnologien und erholsamen Schlaf von der Pike auf gelernt. Nach dem Studium absolvierte er sein erstes Lehrjahr im knallharten Verkauf beim damals grössten Möbelhaus der Schweiz. Seine zweite Station als Matratzenverkäufer im Aussendienst in Nordbayern war nicht minder hart.

Vor achtzehn Jahren kam Gloor ins Familienunternehmen «Superba» nach Büron und war dort für das Exportgeschäft verantwortlich. 1989 übernahm er die Leitung. Der Zeitpunkt war schlecht, der Markt stagnierte. Eine viel versprechende Innovation erwies sich mitten in dieser Möbelkrise als Fehlinvestition. «Wir haben Fehler gemacht. Die Entwicklungszeit war zu kurz. Zudem hätten wir doppelt so viel Kapital als geplant gebraucht», so Gloor rückblickend. Trotz grosser Anerkennung bei Fachleuten und Kunden konnte sich die hoch gelobte Untermatratzentechnologie in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit nicht durchsetzen. «Dieser Umstand und die grossen Veränderungen am Markt bewogen uns, die Firma neu auszurichten», so Gloor. Familienkapital zu verlieren sei bedeutend schmerzhafter als eigenes Geld. Zum Glück sei die Familie immer hinter ihm gestanden. 1996 ging «Superba» an die belgische «Recticel Gruppe», ein Börsen kotiertes Unternehmen, das in den Bereichen Schaumstoffproduktion, Schlafsysteme, Isolationen und Automobilbranche international tätig ist. Heute produziert und vermarktet Gloor als Geschäftsführer der Recticel Bedding (Switzerland) GmbH distributionsorientiert die Bettsysteme von Superba, Lattoflex, Bultex und Handelsmarken.

Das Haus vielfältiger nutzen

Irgendwie sei ihm seine Wohnsituation fast peinlich. Alles wirke so grossartig und überdimensioniert. Das Haus nach heutigem Verständnis wohl eher ein Villa, der Garten wie ein Park, dazu diese Wohnlage mit der Sicht über den See bis zu den Alpen. Er fühle sich privilegiert, sei dankbar und geniesse es. «Das Haus ist nun mal da», so der Enkel des Erbauers entschuldigend. Heute denke man etwas anders als damals. Er jedenfalls hätte für sich nicht so grosszügig gebaut. Allein die verschiedenen Gartensitzplätze. Manchmal wisse er gar nicht mehr wo sitzen. Der Gedanke scheint ihn zu amüsieren. Ihm fehle eh die Zeit zum Sitzen. Noch suchen Daniel und Ariann Gloor eine Möglichkeit, wie sich das Haus vielfältiger nutzen liesse.

Der Anfang ist längst gemacht. Ein Zimmer ist für immer für junge Austauschstudenten aus dem Ausland reserviert und wird zur Zeit von Dan aus Pennsylvania (USA) bewohnt. Wenn die Kinder nicht mehr da wohnen, werde man weiter sehen. Ob Lesezirkel, Kunstgespräche, Bastelkurse, Bed & Breakfast für Individualreisende oder vielleicht Hauskonzerte? Im Wohnraum steht der Flügel, auf dem die Grossmutter noch mit neunzig Jahren spielte. Jetzt gehört er Ariane. «Ein persönliches Geschenk von ihr», freut sie sich. Für Hauskonzerte reiche es bei ihr nicht. Sie spiele wirklich nur für sich allein, improvisiere, geniesse die Klänge, der Ort wirke inspirierend, so die ehemalige Lehrerin, die sich heute neben Haus, Kindern und Gartenplanung mit einem 20% Pensum im Unternehmen engagiert. «Alles ist noch offen», so Gloor. Er vertraut auf den Ideenreichtum seiner Frau.