Youtube will relevant bleiben: Ab Januar verdienen Youtuber Geld mit Kurzvideos

Europaalle, Zürich: Hier, ein Stockwerk über den lebendigen Strassen, treffen im Google-Büro Youtuberinnen auf Journalisten. Das Thema des Anlasses: Einen Blick auf die Zukunft der Online-Streaming-Plattform werfen. Youtube stellt eine Kurzvideo-Offensive vor. Influencer berichten von neuen Verdienstmöglichkeiten. Alles steht im Zeichen des Kampfes um Aufmerksamkeit. Youtube hat in der Vergangenheit an Terrain verloren. Konkurrenten wie Tiktok und Instagram haben gewonnen. Aus der Schweizer Youtube-Szene sitzen drei der aufstrebendsten Jungstars im Raum. Ihre Künstlernamen: Nathistyle, Raffa’s Plastic Life und Aditotoro. Die älteren Generationen kennen die drei nicht. Für die Jungen aber sind sie die grossen Stars – und mitunter bekannter als die Mitglieder des Bundesrats. Videos auf Schweizerdeutsch Hinter Nathistyle steckt die 21-jährige Nathalie Sulser. Während ihrer Zeit im Gymnasium begann sie, Youtube-Videos zu drehen. Seit sie die Matura abgeschlossen hat, ist es ihr Vollzeitjob. Sie produziert wöchentlich sogenannten Content – Videos, die sie auf Youtube lädt. Auf ihrem Kanal sind die unterschiedlichsten Themen und Formate zu finden: einerseits «Vlogs», bei denen sie die Zuschauer und Zuschauerinnen beispielsweise mit in die Ferien nimmt oder Challenges macht. Anderseits auch «Realtalks», in denen sie über Themen wie psychische Gesundheit spricht. Was sie von anderen abhebt: Als eine der einzigen Schweizer Youtuberinnen macht sie ihre Videos nur auf Schweizerdeutsch. Die 21-Jährige hat auf Youtube 33’200 Abonnenten und Abonnentinnen. In einem Video Ende Juni legt sie offen, wie viel sie in diesem Monat mit ihren Videos verdient hat. Vor Steuern sind es etwa 1500 Franken. Transfrau mit 750’000 Abonnentinnen Die 30-jährige Raffaela Zollo entdeckte Youtube im Dezember 2016 für sich. Damals eröffnete sie ihren Kanal «Raffa’s Plastic Life». Heute zählt sie fast 750’000 Abonnentinnen und Abonnenten. Eines der Themen, über das sie oft in ihren Videos spricht, ist ihre Geschichte als Transfrau. Mit 13 Jahren erkannte sie, dass sie sich mit ihrem biologischen Geschlecht nicht wohlfühlte. Heute ermutigt sie ihre Zuschauerinnen und Zuschauer, offen darüber zu sprechen und sich dahingehend zu verändern, dass sie im Reinen mit sich sind. Auf ihrem Kanal sind neben ihrer persönlichen Geschichte viele Comedy-Videos und Make-up-Tipps zu finden. Seit 2017 hat sie auch ihre eigene Kosmetik-Kollektion Raffa’s Plastic Cosmetics. Der Dritte im Bund, ein wahrer Star bei der neuen Generation: Der 23-jährige Adrian Vogt aus Rünenberg, einem kleinen Dorf im Oberbaselbiet. Gestartet hat er seinen Kanal unter dem Namen «Aditotoro» im März 2015. Sechs Jahre später gewann er den Swiss-Influencer-Award in der Kategorie Entertainment. Mit seinen Comedy-Videos begeistert er auf Youtube 243’000 Menschen – mit Tiktok, Instagram und Co. kommt er auf knapp drei Millionen Follower. Ein grosses Wachstum verzeichnete der Basler vor allem, als er begann, seine Videos statt in Mundart auf Hochdeutsch zu produzieren. Heute publiziert er nicht mehr nur Videos, in denen er die Eigenheiten der Deutschen, Österreicher und Schweizer unter die Lupe nimmt, sondern veröffentlicht auch Musik und nimmt sich aktuellen Themen an. Youtube als Vollzeitjob – so verdienen die drei ihr Salär Alle drei verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Produzieren und Teilen von Videos. Einnahmen verzeichnen sie durch Youtube-Klicks und der Anzahl Streaming-Stunden, die User mit den Videos verbringen. Da Youtube auf Creators wie die drei angewiesen ist, teilt die Plattform seit 2007 den Erlös, den die Videos generieren. Das heisst, dass Youtube Werbung in den Videos schaltet. Wenn Userinnen und User auf den Link klicken, muss der Inserent zahlen, ein gewisser Prozentsatz davon geht an die Plattform, ein anderer an den Videokanalbetreiber. In den letzten drei Jahren schüttete das Unternehmen so rund 50 Milliarden Dollar an Kreative aus. Aber Youtube verzeichnet Probleme. Die Bäume wachsen nicht mehr in den Himmel. Tiktok, Instagram und andere Rivalen werden beliebter. Mit dem Erstarken von Tiktok wechselte auch der Trend von längeren Videos zu kurzen Sequenzen. Instagram kopierte das Erfolgsmodell mit sogenannten Reels, Youtube zog mit den maximal 15 Sekunden langen Shorts nach. Täglich generieren sie bis zu 30 Milliarden Aufrufe. Youtube möchte Influencer nun animieren, noch mehr Shorts zu kreieren. Deshalb führt das Unternehmen ein neues Monetarisierungsprogramm ein, das genau auf die Bedürfnisse der Videoproduzenten ausgelegt sein soll. Denn «Kurzvideos sind ein ganz anderer Weg, Content zu entdecken», so Geoff van der Meer, Leiter mehrerer Youtube-Entwicklungsteams in Zürich. In diesem Zusammenhang sollen insgesamt 100 Millionen Dollar bis Ende 2022 an alle verteilt werden, die mit kreativen und originellen Kurzvideos überzeugen. Die Höhe des Betrags variiert dabei zwischen 100 und 10’000 US-Dollar – abhängig von der Anzahl Aufrufe und der damit generierten Aufmerksamkeit. Die Anforderung ist eine Mindestanzahl von 1000 Followern sowie 10 Millionen Aufrufe in den letzten 90 Tagen. Youtube will im Kampf gegen Tiktok und Instagram sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen. 80 Millionen zahlende Abonnentinnen und Abonnenten habe die Google-Tochter, sagt Andreas Briese, Regionaldirektor Zentraleuropa – eine hohe Zahl angesichts der vielen Möglichkeiten und konkurrenzierenden Social-Media-Plattformen. Entsprechend wichtig sei es für ihn, Youtube weiter auszubauen, multimedial zu werden und sich nicht nur auf das bisherige Erfolgsmodell der längeren Videos zu konzentrieren. «Ich frage mich oft: Ist Youtube noch das, was es 2014 war?», so Adrian Vogt aka Aditotoro. Er bezieht sich darauf, dass sich die gesamte Landschaft der sozialen Medien stark verändert. Dabei müssten sich nicht nur die Videolieferanten anpassen, sondern eben auch die Plattformen selber – durch Algorithmen, durch den Auftritt, durch neue Formate. Und eben: durch finanzielle Anreize. Er begrüsst das 100-Millionen-Dollar-Paket, schliesslich dürfte er unterm Strich davon profitieren. Sein jüngstes Short-Video, 35 Sekunden kurz, im Insta-Hochformat aufgezeichnet und schnell geschnitten, hat bereits drei Tage nach Publikation über 140’000 Aufrufe und mehr als 80 Kommentare. Titel: «Sachen an Weihnachtsmärkten, die KEINEN Sinn machen».

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So reagiert Youtube auf den Siegeszug von Tiktok