Die Kosten im Schweizer Gesundheitswesen wachsen weiter. Als Folge werden unter anderem die Krankenkassenprämien für 2011 erneut teilweise massiv angehoben. In der Unfallversicherung sollen hingegen die Kosten nach dem Willen der Zurich-Versicherung fallen. Mit einer neuen privaten Unfallversicherung will sie den Schweizer Gesundheitsmarkt aufmischen.

Spital von Roger Federer

Meistens sind die Mitarbeiter in ihren Unternehmen allgemein und nicht privat unfallversichert. Entsprechend erfolgt ein Spitalaufenthalt nach einem Unfall in einem Mehrbettzimmer. Ein «Upgrade» in ein Ein- oder Zweitbettzimmer erhält der Patient auch dann nicht, wenn er im Krankenversicherungsbereich über eine private oder halbprivate Spitalzusatzversicherung verfügt.

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Mit einer um bis zu 30% günstigeren Police als bisher können Unternehmen, die bei Zurich versichert sind, ihre Mitarbeiter privat gegen Unfall versichern lassen und damit den Verunfallten die Genesung in einem Einzelzimmer ermöglichen, wie Recherchen der «Handelszeitung» zeigen. Möglich wird dies durch die Kooperation mit der Privatklinikgruppe Hirslanden, die schweizweit 13 Privatklinken besitzt. Besonders bekannt dürfte die Hirslanden Klinik in Zürich sein, wo die Zwillinge von Tennisstar Roger Federer zur Welt kamen. Anfang Oktober stösst weiter die Klinik Stephanshorn in St. Gallen zur Gruppe.

Aber auch in allen anderen Spitälern in der Schweiz ausserhalb der Hirslanden-Gruppe sind verunfallte Mitarbeiter durch die von Zurich neu lancierte Unfalldeckung versichert. Einziger Wermutstropfen: Die Versicherung greift dann als halbprivate Spitalzusatzversicherung, womit man sein Krankenzimmer mit einem Nachbarn teilen muss. «Die neue Kooperation mit Zurich zeigt den Nutzen einer Zusatzversicherung mit ausgezeichneten medizinischen Dienstleistungen und einem sehr guten Kosten- Nutzen-Verhältnis auf», sagt Ole Wiesinger, CEO der Privatklinikgruppe Hirslanden. Während Zurich mit der Kooperation auf eine Entspannung in der Taggeldversicherung zielt, setzt Hirslanden auf die nachhaltige Patientenbindung und auch Patientengewinnung. «Unsere Erfahrungen aus dem Krankenversicherungsbereich zeigen, dass die Segmente der Halb- und Privatversicherungen zwar hart umkämpf sind, aber mit entsprechend attraktiven Angeboten durchaus wachsen können», sagt Wiesinger.

Anzahl Unfälle stark gestiegen

Im Krankenversicherungsbereich sind die Spitalzusatzversicherungen Halbprivat und Privat seit Jahren rückläufig. Während 1996 sich noch 2 Mio Personen eine Spitalzusatzversicherung leisteten, verfügen heute gerade mal rund 1 Mio Personen über eine halbprivate und nur eine halbe Million Versicherte über eine private Zusatzversicherung.

Grund unter anderem für das neue Versicherungsmodell: Im Jahr 2009 haben die Unfälle erneut zugenommen, wie die Sammelstelle für die Statistik der Unfallversicherung (SSUV) vermeldet. Im Vergleich zu 2008 stiegen die Unfälle um 1,4% auf 77200. Mit 498 000 passierten besonders viele Unfälle im Freizeitbereich (siehe Tabelle). Mit der neuen privaten Unfallversicherung will Zurich die Fallkosten, also Heilungskosten und die zu leistenden Lohnfortzahlungen (Taggeld), minimieren. So hat Zurich berechnet, dass die Fallkosten bei einem Unfall heute bei durchschnittlich 17500 Fr. liegen. Ein Grund für die horrenden Kosten sind die langen Wartefristen, bis Verunfallte, welche sich nicht in Lebensgefahr befinden, operiert werden. «Mit dem Versicherungsmodell sind die Patienten schneller wieder gesund und arbeitsfähig - und das erst noch bei deutlich tieferen Kosten», sagt Nancy Wellinger, Leiterin Commercial Produkte Zurich Schweiz, auf Anfrage. Neu soll die heutige durchschnittliche Wartezeit von drei Wochen auf drei Tage verkürzt werden.

Besonders für die Taggeldversicherung verspricht sich Zurich damit die langersehnte Entspannung. Schweizweit haben die Versicherer mit steigenden Kosten im Taggeldbereich zu kämpfen. So führen die vergangenen Stellenkürzungen und die geringeren Lohnerhöhungen zu weniger Ein-nahmen. Zudem steigen in Krisenzeiten die Krankheitsfälle in den Unternehmen. Entsprechend schreiben die meisten Versicherer in der Taggeldversicherung derzeit rote Zahlen.

Skeptische Konkurrenz

Ein ähnliches Modell in der Unfallversicherung hat auch Bâloise geprüft. «Wir sind jedoch zum Schluss gekommen, dass die Umsetzung schwierig ist und auf die Höhe der Lohnfortzahlungen kaum einen Einfluss hat», sagt Olav Noack, CEO Schweiz. Als Haken habe sich die Steuerung der Verunfallten erwiesen. «Es liegt auf der Hand und ist verständlich, dass ein Patient zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall zuerst die Sanität anruft und nicht die Versicherung. Wir kommen meist erst im Nachhinein ins Spiel, was eine gesteuerte Zuweisung praktisch verunmöglicht», sagt Noack. Dem entgegnet Zurich: «Wir sind überzeugt, dass unser Modell funktioniert, weil Zurich erstmals mit einer Klinik-Gruppe kooperiert, die in der ganzen Schweiz vertreten ist», sagt Wellinger.

Für die Zukunft wäre es für die Versicherer durchaus interessant, wenn die Privatversicherer sich auch als Krankenversicherer betätigen würden. Erschwerend dürfte dabei das Krankenversicherungsgesetz sein. Denn im Gegensatz zum Unfallversicherungsgesetz dürfen Krankenzusatzversicherungen nur in Zusammenhang mit Grundversicherungen vertrieben werden. Entsprechend müsste für den Verkauf von privaten Spitalzusatzversicherungen eine Kooperation mit einer Krankenkasse geprüft werden.