Ab November wird es hier erst richtig spannend», steht auf einem Plakat beim Zürcher Bellevue. Es wirbt für die neue Grossbuchhandlung Orell Füssli. Dahinter türmt sich Bauschutt, wuseln Arbeiter, dröhnen Baumaschinen: Noch präsentiert sich das versprochene Bücherhaus als Baustelle. Doch am 22. November soll hier an bester Passantenlage die neunte Filiale aufgehen ein Bücherladen mit 1000 m2 Verkaufsfläche und 30 Mitarbeitern.

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Schon vor dem Start hat die neue Grossfiliale ein erstes Opfer gefordert. «Ich suche vor allem wegen des geplanten Orell Füssli einen neuen Standort», sagt Hansruedi Brunner, Leiter der in der Nähe liegenden Buchhandlung zum Elsässer. Eine Beraterin mit Erfahrungen im deutschen Buchhandel hat ihm erzählt, dass für kleine Händler in solchen Fällen Umsatzeinbussen von 20% folgten. «Allein schon 10% weniger könnte ich nicht ertragen», sagt Brunner. Seit sieben Jahren führt er die kleine Buchhandlung knapp unter der Renditeschwelle.

Um der neuen Konkurrenz entgegenzutreten, wollte sich Barbara Sidler, Geschäftsführerin der Buchhandlung Oprecht, mit den Buchhändlern rund um das Zürcher Bellevue zusammenschliessen und gemeinsam einkaufen. «Doch das ist nicht gelungen», sagt sie resigniert. «Der Aufwand dafür hätte den Ertrag gleich wieder aufgefressen», hält Brunner dagegen. So kämpft jeder für sich allein gegen die Übermacht von Orell Füssli.

Rolf Meyer vom Zürcher Bücherparadies hofft, als Quartierbuchhandlung und Familienbetrieb dem grossen Konkurrenten die Stirn zu bieten. «Dieses Jahr werden wir erstmals knapp herauskommen.» Doch der Idealismus hat seinen Preis. Er arbeitet 12 Stunden täglich und das sechsmal die Woche.

Gelassen gibt sich Rolf Lüthi, Inhaber der Buchhandlung Bodmer, die am nächsten zum neuen Bücherhaus liegt und sechs Personen beschäftigt: «Das ist eben freie Marktwirtschaft.» Lüthi ist zuversichtlich, weil Firmen und Bibliotheken bei ihm bestellen und er nur rund die Hälfte des Umsatzes im Laden macht.

«Im Buchhandel findet eine späte, aber heftige Konzentration statt», sagt Martin Jann, Geschäftsführer des Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverbandes. «Dabei trifft es weniger die Kleinen als vielmehr die alten und mittelgrossen Unternehmen.» Dies hängt auch damit zusammen, dass Betriebe mit einem Jahresumsatz von 1 bis 4 Mio Fr. und 3 bis 10 Mitarbeitern tiefere Renditen erzielen als grosse oder ganz kleine Buchhandlungen, wie eine Untersuchung zeigt. Zudem haben kleine Buchhandlungen einen längeren Atem, weil sie ihr Geschäft nicht aus Renditeüberlegungen, sondern aus Idealismus betreiben. Grössere Buchhandlungen haben wiederum den Vorteil, dass sie bessere Konditionen erzielen. Deshalb will auch Klaus Oesch, CEO der Orell Füssli Holding und VR-Präsident der Orell Füssli Buchhandlung, weiterhin am Expansionskurs festhalten: «Je mehr Volumen wir beim Einkaufen haben, umso kostengünstiger fahren wir.»

Der Expansionskurs hat schon früher Opfer hinterlassen. In Winterthur schloss letztes Jahr die seit 1772 bestehende Buchhandlung Hoster ihre Türen vier Jahre, nachdem Orell Füssli dort eine Grossbuchhandlung eröffnete. Auch die auf englische Publikationen spezialisierte Buchhandlung zum Rennwegtor in Zürich ging zu, nachdem Orell Füssli den English Bookshop an der Bahnhofstrasse von Stäheli übernommen hatte. Letztes Jahr hat die Orell Füssli Buchhandlung nicht nur die Raeber Bücher und Medien AG in Luzern mehrheitlich übernommen, sondern auch noch die auf Architektur, Kunst und Fotografie spezialisierte Zürcher Buchhandlung Krauthammer. Nächstes Jahr will der Marktleader nach Basel expandieren und im Bahnhof einen Restseller installieren.

Innerhalb von fünf Jahren schnellte der Umsatz von 46,7 Mio Fr. (1997) auf 89,1 Mio Fr. (2001) empor. Das Wachstum hat seine Kehrseite. Akquisitionen und bauliche Vergrösserungen verschlingen viel Geld, und die Neuerwerbungen werfen noch nicht viel ab, berichten Insider. Oesch bestätigt, dass weder der Geschäftsgang in Luzern noch jener bei Krauthammer den Erwartungen entspricht. «Wir müssen weiter investieren und expandieren. Denn der Trend ist ganz klar: Es findet eine Konzentration statt.»

Buchhandel

Ausländer im Vormarsch

Die grössten Deutschschweizer Buchhandlungen sind ganz oder teilweise im Besitz von ausländischen Ketten. Die deutsche Buchhandelsfirma Hugendubel ist zu 49% an Orell Füssli beteiligt Die deutsche Thalia-Kette hat die Grossbuchhandlungen Jäggi aus Basel und Bern sowie Stauffacher aus Bern übernommen und bekundet Interesse an einer Expansion nach Zürich. Die Hans Huber AG, die im Juli Freihofer erworben hat, gehört der deutschen Verlegerfamilie Hogrefe. Seit kurzem hat die französische Buch- und Medienkette Fnac Zürich und Basel als Testfeld für den deutschen Markt im Visier und will bis 2004 in Zürich eine oder gar zwei Filialen aufbauen. (gh)