Die Vorstellung des Agentenlebens ist romantisiert. Wer sass als Kind nicht mit beschleunigtem Herzschlag vor dem Fernseher, während einer der James-Bond-Streifen lief? Und bestaunte diesen Mann, der problemlos über Dächer sprang, die Pistole zückte und immer treffsicher seinen Gegnern den Gar ausmachte, der, erst wenn absolut keine andere Möglichkeit zu erkennen war, in einem der neusten Sportflitzer die Flucht ergriff.

 
Die Abteilung, für die James Bond arbeitet, gibt es in Grossbritannien wirklich. Er gehört zu den MI6, die das Ausland betreffende Abteilung des britischen Geheimdienstes. Die MI5 kümmern sich um Inlandsangelegenheiten, das Government Commuications Headquarter (GCHQ) ist verantwortlich für die elektronische Überwachung. Insgesamt umfasst die Behörde einem Bericht von Bloomberg zufolge 12'000 Angestellte.
 

Die Realität ist anders

James Bond ist stets umgeben von schönen Frauen, trägt teure Uhren und fährt noch teurere Autos, trinkt immer Martinis – geschüttelt, nicht gerührt – und scheint auch sonst nie finanzielle Probleme zu haben. James Bond ist Fiktion. Die Realität ist eine andere. Tatsächlich fangen Gehälter beim britischen Geheimdienst bei schmalen 30‘490 britische Pfund per anno an. Das sind umgerechnet 37‘704 Franken.
 
Kein Wunder, dass sich viele nach neuen beruflichen Möglichkeiten umschauen. Headhunter sagen, viele kündigen in weniger als zehn Jahren. «Es kommt die Zeit, wenn all deine anderen Freunde, die die Universität besuchten, da draussen sind, für Banken und grosse Konzerne arbeiten, und dreimal so viel verdienen wie du», sagt die 48-jährige Annie Machon, ehemalige Geheimdienstangestellte. «Wenn du mit einer Empfehlung von MI5 oder MI6 kommst, interessiert das die Leute natürlich.»
 

Geheimdienstangestellte sind gefragt

London ist voll von Sicherheitsagenturen und Informationsdienst-Unternehmen, die nach ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern greifen, schreibt die «The Times». «In diesen Tagen, in der komplexen Welt, in der wir leben, sind ehemalige Geheimdienstangestellte von unschätzbarem Wert für Unternehmen, die andere Unternehmen in Sachen Sicherheitsrisiken beraten.»
 
Kürzlich zu Berühmtheit gelangt ist Christopher Steel, ebenfalls ehemaliger MI6-Agent. Als Geheimdienstangestellter arbeitete Steel einem Bericht des «The Guardian» zufolge unter anderem in Russland und Frankreich. Als Steel den Geheimdienst verliess, ist er nicht als Angestellter in den privaten Sektor gegangen. Er gründete zusammen mit einem anderen Mann ein Unternehmen: das in London sitzende «Orbis Business Intelligence». Als Privatmann wurde er später vom FBI angeheuert, um auch in der Korruptionsaffäre um die Fifa zu ermitteln. Ins Rampenlicht geriet er nun, weil er der Verfasser eines bisher nicht verifizierten Dossiers ist, das brisante Informationen über den künftigen US-Präsidenten Donald Trump enthält.
 
Wie Steel haben auch andere, die die Kenntnisse und Kompetenzen aus dem Geheimdienstsektor mitbringen, ein Unternehmen gegründet. «Orbis konkurriert mit einem Aufgebot an Rivalen, alle gleichermassen voll mit ehemaligen Mitarbeitern des britischen Geheimdienstes», schreibt «The Guardian» weiter. Und sie sind alle auf der Suche nach lukrativen Aufträgen.
 

Nicht immer geht es ums Geld

Auch wenn die Gehälter beim Geheimdienst abschrecken, haben nicht alle Austritte von Ex-Agenten finanzielle Gründe. Das bekräftigt die ehemalige MI5-Mitarbeiterin Annie Machon bekräftigt. «Sehr oft wollen die Menschen einfach nur ihr Leben zurück», sagt sie. Die Karriere beim Geheimdienst sei so, als würde man «eine Glasscheibe zwischen Dir und der normalen Welt schieben». Auch Ex-Spion Cameron Colquhoun, der wie Steel heute seine eigene Firma hat, kennt das: «Es kann sehr intensiv sein und es gibt viel Druck, weil man immer mit schlechten Nachrichten und hohem Risiko umgehen und dafür sorgen muss, dass keine schlechten Dinge passieren.
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