Alljährlich vor dem WEF, dem Gipfeltreffen der Mächtigen und Reichen, erschreckt die Organisation Oxfam die Welt mit ihrer Armutsstudie. Auch diesmal werden die Erwartungen voll erfüllt: «Die Reichen gewinnen, die Armen werden ärmer.»

Die Botschaft von der wachsenden Schere zwischen Nord und Süd trat heute morgen die Reise um den Globus an. Nur, stimmt die Botschaft auch? Oxfam beruft sich auf die Reichtumsstatistik der Credit Suisse, das soll Seriosität verströmen.

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Doch die Zahlenbasis macht skeptisch: Berücksichtigt werden die Vermögenszuwächse der Reichsten von März 2017 bis März 2018. Daraus Resultate für 2018 abzuleiten, wie dies das NGO aus Grossbritannien tut, ist fragwürdig. Denn 2018 sind die Börsen weltweit – von New York bis Tokyo und Shanghai – massiv eingebrochen. Und bescherten den Billionarios riesige (Buch-)Verluste.

Die Reichsten sind also im letzten Jahr nicht reicher geworden, sondern haben Federn gelassen. Und die Ärmsten, die immer ärmer werden, wie Oxfam weiter behauptet? Auch da widersprechen die Zahlen. Die Armut nimmt nicht zu, sondern ab – und zwar seit 1990. Damals lebte Drittel der Weltbevölkerung in bitterster Armut und musste sich mit 1 Dollar 90 bescheiden. Heute beträgt dieser Anteil im Schnitt noch knapp 10 Prozent. Einzig in der Subsahara liegt er weit darüber (41 Prozent).

Die Kluft zwischen Armen und Reichen in der Welt ist der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam zufolge im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Oxfam beruft sich auf eine Studie, die anlässlich des am Dienstag beginnenden Weltwirtschaftsforums vorgelegt wurde. Demnach stiegen die Vermögen der Milliardäre 2018 um zwölf Prozent. Dagegen habe es bei der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung einen Rückgang um elf Prozent gegeben.

Die Autoren führten dies insbesondere auf eine aus ihrer Sicht ungerechte Besteuerung zurück. Hier würden die Armen doppelt benachteiligt, sagte die Geschäftsführerin von Oxfam International, Winnie Byanyima. So müssten sie zum einen eine relativ höhere Steuerlast tragen als die Reichen und zum anderen unter den Auswirkungen der zunehmenden Unterfinanzierung staatlicher Dienstleistungen leiden.

Byanyima warf den Regierungen mangelhafte Bemühungen im Kampf gegen Steuerhinterziehung vor. Ausserdem seien die Steuersätze für Reiche und Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten gesenkt worden. Die Belastungen würden durch höhere Verbrauchssteuern verstärkt auf die ärmeren Schichten abgewälzt.

Oxfam kritisiert weiter, dass öffentliche Angebote in den Bereichen Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung «weltweit dramatisch unterfinanziert» seien, obwohl sie wesentlich zur Verringerung von Armut und Ungleichheit beitragen würden. Deshalb brauche es mehr Investitionen in öffentliche Bildung und Gesundheitsversorgung.

Und der globale Armuts-Zeiger zeigt weiter nach unten. Weil eben der globale Handel hunderte von Millionen von Arbeitsplätzen schafft. Vielleicht nicht in London, aber in Asien oder Lateinamerika. Womöglich hat der Aufschrei von Oxfam kurz vor dem WEF ja einen ganz anderen Hintergrund: Die NGO wurde letzten Sommer durch Sexskandale erschüttert. Es ging um Prostitution, um Spendengelder gegen Sex. Der Oxfam-Chef musste gehen und mit ihm ein paar Mitarbeitende. In der Folge brachen die Spendengelder ein.

Höchste Zeit, mit dramatischen Schlagzeilen wieder für nützliche Aufmerksamkeit zu sorgen.