Kennen Sie das Prinzip des hundertsten Affen? Es fusst auf einer Legende, von der nicht ganz klar ist, ob sie wahr ist oder nicht. Sie geht so: In den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts beobachteten Wissenschaftler eine Gruppe von Makaken auf der japanischen Insel Koshima. Sie gaben ihnen Süsskartoffeln zu essen und bemerkten, dass erst einer, dann immer mehr Affen das Gemüse erst im Wasser vom Sand reinigten, bevor sie es assen. Über die Jahre wurde dieses Ritual innerhalb der Gruppe von fast allen Mitgliedern übernommen.

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Ein spezieller Moment soll nun zu einer bahnbrechenden Entdeckung geführt haben: Als eine bestimmte Anzahl von Affen, die dazugelernt hatten, erreicht war – symbolisch nimmt man den Schritt vom 99. zum 100. Affen –, sprang die neue Fähigkeit quasi automatisch auf sämtliche Individuen der Population über. Und zwar nicht nur auf dieser einen abgeschotteten Insel, sondern auch bei sämtlichen Populationen auf anderen Inseln und dem Festland.

Keine Wirkung beim Weltfrieden

Ob genau so geschehen oder nicht: Immer mehr Menschen, darunter auch Wissenschaftler, verbinden mit dieser Geschichte die Hoffnung, dass der gleiche Effekt auch auf dem gesamten Globus greift, bei uns Menschen, versteht sich. Konkret: Leben nur ausreichend viele Personen im Bewusstsein der Nächstenliebe, könnte dieses Bewusstsein auf die gesamte Menschheit überspringen. Der alte Traum vom Weltfrieden wäre auf einen Schlag erfüllt.

Aber warum ist dieser Punkt des Evolutionssprungs menschlichen Bewusstseins ganz offensichtlich noch nicht gekommen, obwohl sich doch so viele den Frieden wünschen? Oder sind es immer noch zu wenige? Manche Forscher sprechen von einer kritischen Masse von fünf bis zehn Prozent einer Population, die erreicht sein muss, ehe sich das Kollektiv weiterentwickelt. Bezogen auf die Weltbevölkerung wären das aktuell rund 700 Millionen Menschen.

Ein solcher Evolutionssprung würde sich anfühlen, als sei man aus einem bösen Traum erwacht: Die Menschheit lebt plötzlich wie im Paradies auf Erden. Die spirituellen Vorstellungen vom Garten Eden, dem Nirwana oder den ewigen Jagdgründen haben sich manifestiert. Man muss nicht erst sterben, um in der Fülle sein zu können. Freiheit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Friedfertigkeit, Gemeinsinn, Lust und gemässigter Wohlstand sind auch schon zu Lebzeiten zu geniessen. Ein auf Egoismus ausgerichtetes, menschenfeindliches Verhalten ist unter dem Einfluss des neuen Bewusstseins schlicht nicht mehr möglich.

Erklärungsmodelle für einen Bewusstseinssprung

Wissenschaftler wie der britische Biologe Dr. Rupert Sheldrake bieten Erklärungsmodelle dafür an, unter welchen Voraussetzungen ein Bewusstseinssprung überhaupt möglich werden kann. Sheldrake nimmt sogenannte morphogenetische Felder an, die sich um den Globus spannen und all diejenigen Individuen miteinander vernetzen, die von gleicher Art sind.

«Zum ersten Mal war ich überzeugt, dass lebende Organismen durch Felder organisiert werden, als ich an der Universität Cambridge über die Entwicklung von Pflanzen forschte», erklärt er und fragt: «Wie nehmen Blätter, Blüten und Früchte ihre charakteristischen Formen an?» Durch die Gene? Zu wenig. Sie ermöglichen es den Zellen lediglich, die richtigen Proteine zur richtigen Zeit zu produzieren, wenn sich der Organismus entwickelt. Wie aber kommt die Form zustande? Woher stammen die Instinkte? Ein bisher ungelöstes Problem der Biologie.

Nicht durch die klassische Physik erklärbar

Die morphogenetischen Felder, von denen Sheldrake ausgeht, «enthalten unsichtbare Pläne oder Blaupausen für die verschiedenen Organe und für den Organismus als Ganzes». Der Biologe ist nicht der Meinung, dass sich diese Felder irgendwann durch die klassische Physik erklären lassen. «Ich glaube, es ist eine Art von Feldern, die die Physik noch nicht kennt.» Denn sie verfügten über ein «immanentes Gedächtnis», in dem die Erfahrung ihrer Entwicklung abgespeichert ist.

Diesen Entwicklungsprozess nennt Sheldrake «morphische Resonanz». Diese Resonanz findet zwischen Aktivitätsmustern in selbstorganisierenden Systemen aufgrund ihrer Ähnlichkeit statt, unabhängig davon, wie weit sie auseinander liegen. «Durch morphische Resonanz greift jedes Individuum einer Art auf das kollektive Gedächtnis zurück und trägt zugleich dazu bei.» So seien morphogenetische Felder in der Lage, soziale Gruppen zu ordnen und zu koordinieren. Die Voraussetzungen für den Evolutionssprung?

Der amerikanische Zellbiologe Bruce Lipton springt Sheldrake zur Seite und stellt die für ihn rhetorische Frage: «Werden wir angesichts der unausweichlichen Transformation unserer Welt fähig sein, das Trauma einer Revolution zu vermeiden und uns stattdessen für eine globale Heilung durch Evolution zu entscheiden?»

Lipton ist der Meinung, dass eine «spontane Evolution» durchaus möglich ist, hat sich doch das Leben auf dem Planeten Erde nie in gleichmässiger Langsamkeit entwickelt – dann wären wir nie dort, wo wir heute sind. Es hat nachweislich Evolutionssprünge gegeben. Und zwar immer dann, wenn der sogenannte ökologische Druck im Umfeld der Lebewesen zugenommen hatte. Und das ist ohne Zweifel jetzt wieder der Fall.