1963, an seinem 33. Geburtstag, hatte Sean Connery alle Gründe, erfreut in die Zukunft zu blicken. Der erste «James Bond» hatte weltweit eingeschlagen wie eine Bombe, seine Gage (ursprünglich 20'000 Dollar) war durch eine Bonuszahlung verfünffacht worden, der zweite Bond «Liebesgrüsse aus Moskau» war abgedreht, der Gagenscheck von nun 250'000 Dollar eingelöst – und für den nächsten, «Goldfinger», war ihm eine halbe Million versprochen.

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Doch Sean Connery war nicht zufrieden. Er wollte nicht als Bond abgestempelt werden. Sein Vertrag mit der Bond-Produktion Eon Films sah vor, dass er auch andere Filme drehen konnte – aber nur für Eon. Doch deren Angebote hatte er samt und sonders abgelehnt. Was er denn eigentlich wolle, wurde er schliesslich gefragt: «Einen Film mit Hitchcock» lautete seine Antwort.

Mehr als nur Bond

Dies liess sich arrangieren – denn Hitchcock brauchte für seinen nächsten Film einen richtigen Mann. Keinen Charmeur wie Cary Grant, sondern einen, der auch in der Lage ist, die kleptomanische Titelheldin zu erpressen, ihn zu heiraten. Connery verlangte allerdings, vorher das Drehbuch zu sehen, was sonst keiner der Hitchcock-Schauspieler wollte, sahen es alle doch als Ehre an, von ihm gerufen zu werden. Connery wollte auf keinen Fall wieder einen Spion spielen, aber als er merkte, dass es darum ging, hinter die intimsten Geheimnisse einer Hitchcock-Blondine zu kommen, sagte er gerne zu.

«Marnie» ist heute so etwas wie der Aussätzige unter Hitchs Filmen, mit nur wenigen – dann aber heftigen – Bewunderern, doch für Connery erfüllte er den Zweck: Die Filmwelt wusste, dass er mehr sein konnte als Bond und dass sich die grössten Regisseure für ihn interessierten. Als Nächster holte ihn Sidney Lumet für «Ein Haufen toller Hunde», und es ist bis heute eine der interessantesten Connery-Rollen: Er ist gleichzeitig der harte Hund – und ein Gescheiterter. Er wird während des Zweiten Weltkriegs als britischer Sergeant in ein Straflager eingeliefert, weil er einen Vorgesetzten geschlagen hat, und die Konfrontation mit der Autorität setzt sich dort fort.

Der ungewöhnlichste Film Connerys

Der ungewöhnlichste (und unbekannteste) Film Connerys «Das rote Zelt», eine der seltenen westlich-sowjetischen Koproduktionen. Sie handelt von der katastrophalen Arktis-Expedition des italienischen Generals Nobile, dessen Luftschiff über dem ewigen Eis abstürzte. Die folgende Rettungsaktion wurde selbst zur Tragödie, weil deren Führer Roald Amundsen – der hatte als erster Mensch den Südpol erreicht – selbst dabei umkam. Connery spielt Amundsen, einen widerstrebenden Helden, und es ist einer der wenigen Filme, in denen er am Ende stirbt.

Auch in «Der Mann, der König sein wollte» (1975) ist Connerys Figur am Ende tot. Man schreibt das späte 19. Jahrhundert, die Briten regieren unangefochten ihre Kolonie Indien, und alle möglichen Abenteurer versuchen, daraus Kapital zu schlagen. Abenteurer wie die Ex-Soldaten Sean Connery und Michael Caine, die planen, den König von Kafiristan zu stürzen, sich an seine Stelle zu setzen und das Land auszuplündern. Am Ende von John Hustons schönstem Abenteuerfilm präsentiert Caine Connerys abgetrennten Kopf, auf dem noch immer die Krone thront.

Connerys Weisheitsphase

Zehn Jahre, viele durchschnittliche Filme und einen allerletzten Bond später begann Connerys Weisheitsphase: als William von Baskerville in der Umberto-Eco-Verfilmung «Der Name der Rose». «Er gehört zu den Männern, die immer gut aussehen und in den Augen der Frauen nie etwas anderes als Bewunderung erfahren», hatte Hitchcock über ihn gesagt, doch diese Phase war nun vorbei. Als Mönchsdetektiv geht es ihm um Erkenntnis, und die weibliche Versuchung erfährt sein Adlatus Christian Slater – der sich am Ende für den Meister entscheidet und gegen die Frau. Der Magnetismus wirkt auch auf Männer.

Was hat Connery im Laufe der Zeit nicht alles an Rollen in Blockbustern abgelehnt: den Titelhelden in «Thomas Crown ist nicht zu fassen», den Engländer in «Shogun», den verrückten Professor in «Jurassic Park», den Gandalf im «Herrn der Ringe», den Architekten in «Matrix». Eine hat er angenommen: die des Vaters von Harrison Ford in «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug», mit dem er sich süffisante Wortgefechte liefert.

Ein würdiger Karriereabschied

In den Neunzigerjahren wurde Connery mit seinen Rollen immer unzufriedener, einige – wie den Wetterterroristen in «Mit Schirm, Charme und Melone» – hat er sogar regelrecht bereut. Die grosse Ausnahme war für den literaturbegeisterten Schotten sein Romancier in «Forrester – Gefunden!», der an dem Schriftsteller J.D. Salinger orientiert war und in dem der Einsiedler zum Mentor eines jungen Schwarzen wird, der literarisches Talent besitzt. Es war ein würdiger Karriereabschied. «Die Liga der ausserordentlichen Gentlemen», die danach noch kamen, vergessen wir hier mal.

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