Manchmal möchte man ja, dass ein Film nach einer Viertelstunde vorbei ist. Das möchte man allerdings meistens erst, wenn man den Rest gesehen hat. Und weiss, was kommt und warum es besser gewesen wäre, man hätte gleich auf die nun dringend nötige Themenabend-Talkshow umschalten dürfen.

In der dann Experten und Betroffene und Zuschauer diskutieren. Über Ursachen und Folgen und über die Moral. Über alles also, was man in hölzernen Dialogen und einer windschiefen, fingerzeigenden Dramaturgie sowieso hat miterleben dürfen. «Freitod» ist so ein Film.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Eine Frau stirbt. Weil sie es so will

Da sieht man am Anfang – und das sieht sehr ernst, sehr feinfühlig aus –, wie eine Wohnung vorbereitet wird. Es sieht sehr karg aus. Ein Bett ist da, Stühle, es ist halbdunkel, fast schwarz-weiss. Ein Tablett wird bereitgestellt mit einem Glas und einem gläsernen Strohhalm.

Wir sind in der Schweiz. Eine todkranke Frau kommt aus Köln. Ihre Tochter schiebt sie im Rollstuhl herein. Ein Akt strenger Bürokratie schliesst sich an – die Todkranke bestätigt, dass alles freiwillig geschieht und ohne Zwang. Papiere werden unterzeichnet. Die Frau trinkt. Und stirbt.

«Freitod» beschäftigt sich, das ahnt man nun schon und bettelt, weil man ebenfalls ahnt, wie es weitergeht, um gnädigen Abbruch des Falls durch «Anne Will», mit Sterbehilfe, mit der Freiheit zum Tod, der Freiheit zu sterben. Das ist eines jener grossen Themen, derer sich Luzern, die kleinste «Tatort»-Stadt immer gern annimmt.

Nicht die todkranke Deutsche ist natürlich der Todesfall, um den es geht. Die Chefin der Sterbehilfeorganisation wird erschlagen. Sie bleibt nicht die einzige unfreiwillige Tote. Der Sohn der Kölnerin, eine Art Gottesnarr, der den Sterbehelfern die biblischen Plagen an den Hals wünscht, macht sich verdächtig. Der zynische, bigotte, aber charismatische Chef der religiösen Gegenbewegung Pro Vita ebenso.

Gott kommt vor und sein möglicher Wille

Keine Gelegenheit, das Recht auf selbstbestimmtes Sterben zu diskutieren, wird ausgelassen. Keine bislang medial auffällig gewordene Dunkelzone fehlt im Fall.

Die Kommissare Flückiger und Ritschard waten wieder durch die Untiefen von Moral und Doppelmoral. Ein Todesengel geht um, was nun wirklich nicht hätte sein müssen. Gott kommt vor und sein möglicher Wille.

Die Ermittlung schleppt sich, sie hat auch mehr als zwei Kreuze auf dem Rücken. Vor allem extrem viel Drehbuch. Es wird kaum hell. Die Menschen tragen dicke Jacken, als würden sie selbst in Innenräumen frieren.

Überhaupt steckt alles in strengen Büssergewändern. Der Herbst kommt. Und mit ihm Totensonntag. Wir haben Angst.

Die Kontributoren sind externe Autoren und wurden von bilanz.ch sorgfältig ausgewählt. Ihre Meinung muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.