So ein Mist. Es wäre doch so hübsch gewesen. Ein manichäisches Weltbild, in dessen Zentrum man selbst in strahlendem Licht erstrahlt. Hier die Populisten, dort das liebenswerte Exzellenzcluster des Anstandes.

Das Jahr 2016 hat den Populismus zum Überthema gemacht und eigentlich sind sich Teile des medialen wie politischen Mainstreams einig: Die Populisten sind schuld, Populismus ist etwas Schlimmes und die Anständigen sind alles, nur nicht populistisch.

Die Dämonisierung des Populismus war nach dem Brexit in vollem Gange, bevor sie sich nach dem Trump-Sieg zu einem Unterfangen hysterischer Komplexitätsvermeidung entwickelte: Populistisch wurde zu einem Synonym für «böse», «antidemokratisch», «nationalistisch». Populismus hiess vor allem Rechtspopulismus und da wurde das ganze Unterfangen tendenziös und falsch.

Wer ohne Populismus ist, werfe den ersten Stein. Doch die Glashäuser des Justemilieu krachten ein und ihre Bewohner und Steinewerfer hielten die Scherben für Sternschnuppen: Die Ankündigung einer neuen und besseren Zeit.

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Immer sind die anderen schuld

«Populistisch» darf in Demokratien kein Schimpfwort sein. Schliesslich ist das Überpopuläre keiner der im Bundestag vertretenen Parteien fern. Die Grünen bedienen die aufgeklärte Variante des Populismus: Sie geben den modernisierungsskeptischen Bürgern aus der Mitte ein Forum, ihr Unbehagen an denen da oben zu artikulieren, ohne sich mit denen da unten gemeinzumachen.

Die Linke sagt: der Neoliberalismus ist schuld und die soziale Ungleichheit, die Sozialdemokraten denken auch so, intonieren es aber subtiler und leiser. In Kultursendungen der ARD wird ein vulgärsozialistischer Antikapitalismus auf unterstem Kabarettniveau kondensiert, um danach, garniert von Stichwortgebern der akademischen Linken, einen FPÖ-Präsidentschaftskandidaten zu verteufeln.

Die Blindheit für den eigenen Populismus, die fatale (wohl auch ziemlich deutsche) Neigung, den Fehler vor allem bei den «anderen» zu sehen, nie bei sich, verhindert, dass sich die Dinge ändern: sowohl die Wahrnehmung der Krise als auch die Einschätzung ihrer Bewältigung.

Das «othering», die Differenzierung und Distanzierung der Gruppe, der man sich zugehörig fühlt von anderen Gruppen, hilft beim Graben und Vertiefen der Schützengräben. Auf den Populismus wird ein vermeintlicher Antipopulismus aufgeboten, der als Antithese nur die Vorzeichen der Vereinfachungsstrategie verändert.

Verachtung statt Lösungen

Auf einfache Lösungen schwieriger Probleme wird die einfache Verachtung dieser einfachen Lösungen gekippt. Die Politik hat eine Populismuslawine losgetreten. Dies geschieht, ohne in der Sache auch nur einen Schritt weiterzukommen.

Hier sei nur ein Beispiel genannt: Wie wollen Linke, Sozialdemokraten und Grüne gegen die rechtskonservativen Parteien und Strömungen argumentieren, wenn sie dem Rechtsstaat in der zentralen Frage der Abschiebung die Gefolgschaft verweigern?

Diese Klientelpolitik für das Heer der Anständigen, eskortiert von den Evangelisten der Hypermoral möchte sich in der Flüchtlingskrise die Hände nicht schmutzig machen. Sie vertrauen auf den Charme des humanitären Irrealis, den Glauben, unser Land könne alle und jeden aufnehmen.

Mit der Weigerung wachsen die Probleme im Land und damit der Resonanzboden für jene Vereinfacher, die auf das Unterholz unserer freien Gesellschaft keinerlei Rücksicht nehmen wollen.

Die linken Eliten und das einfache Volk

Der Populismus nährt sich von der Trennung der Sphären des Elitären von der des Populären. Das einfache Volk wird gegen «die da oben» in Stellung gebracht, und zwar von links wie rechts gleichermassen. Nur die Kategorien sind verschieden.

Definiert die Linke Eliten und das einfache Volk ökonomisch und erklärt – ziemlich schlicht – die Umverteilung zur Lösung aller sozialen Probleme, glaubt die Rechte daran, dass das Volk ein paar Gemeinplätze vom Stammtisch und einen saftigen Ressentiment-Cocktail braucht, serviert von den Eliten, um sich wieder verstanden zu fühlen.

Bezeichnend ist, dass eine gewisse Unbeirrbarkeit beide Positionen kennzeichnet. Dass Schlimme am Populismus ist nicht sein Hang zum Vereinfachen und dem Bücken vor der vox populi, sondern die mangelnde Befähigung, die eigene Position zu relativieren. Es ist ein Glaubenskrieg zwischen zwei besserwisserischen Lagern entstanden.

Die Dinge verändern sich, wenn man aufhört, die andere Seite zu entwerten und anfängt, ihr zuzuhören. Deshalb geht mit der Populismuskeule einher auch eine Abschottungs- und Homogenisierungstendenz. Die Hetzer und Heuchler wollen unter sich bleiben, ebenso wie die vermeintlich Anständigen und Hochtrabenden. Aus Lagern werden Parallelwelten. Aus zwei verfeindeten Parallelwelten werden zerrissene Gesellschaften.

Martin Buber: «Jedes Leben ist Begegnung»

Wie geht ein nicht populistischer Umgang mit dem Populistischen? Auf der sprachlichen Ebene erst einmal damit, dass man selbst einen gewissen Binsenekel entwickelt und weder das Wort «Populismus» noch den Begriff «Elite» als Totschlagelement nutzt. Diese Wörter sind «Wieselwörter» (so Friedrich von Hayek) geworden, deren Bedeutung im ungenauen und inflationären Gebrauch längst verdampft ist.

Es ist die Zeit, genauer hinzusehen, die Sprache präziser und origineller zu machen und nicht als Waffe zu missbrauchen. Für die Medien heisst das, nicht nur Forum für die stets immer gleiche Litanei der akzeptierten Meinungen des eigenen Lagers zu werden, sondern sich zu öffnen. Köpfe und Haltungen aus den Forts ihrer Unbeweglichkeit herauszulocken und mit anderen Positionen zu konfrontieren.

Der Begründer der Dialogik, Martin Buber, schrieb in seinem Hauptwerk «Ich und Du» zehn Jahre vor der Machtergreifung der Nazis, am Anfang eines Jahrhunderts der Extreme und der Intoleranz, von der existenziellen Bedeutung des Dialogs. «Ich werde am Du, ich werdend spreche ich Du, jedes Leben ist Begegnung.»

Wer im anderen sich selbst erkennt, wenn auch nur Teile davon, wird seine Verachtungslaune verlieren. Machen wir uns alle die Sache beim Argumentieren und Zuhören ein wenig schwieriger. Unsere bunte, freie, wohlhabende Welt hätte es verdient.

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