Diese Woche habe ich aus einem Berliner Antiquariat einen Rucksack voll Bücher nach Hause geschleppt, ein Reprint der sechsbändigen Erstausgabe des «Illustrirten Thierlebens» von Alfred Edmund Brehm.

Die Bücher wiegen etwa acht Kilo und beanspruchen einen halben Regalmeter. Platz dafür habe ich nicht mehr. Eigentlich sollte ich den umgekehrten Weg gehen und rucksackweise Bücher ins Antiquariat bringen.

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So viel wert wie Altpapier

Meinen Vorschlag, ihm so viele Bücher zu bringen wie ich mitnehme, lehnte der Antiquar aber entschieden ab. Nichts anderes hatte ich nach ähnlichen Erfahrungen in den vergangenen Jahren erwartet.

Für das ganze papierene Bildungsgebirge, das man in Jahrzehnten aufgetürmt hat, ist höchstens noch der Altpapierpreis zu erzielen.

Antiquariate wird es wohl bald nicht mehr geben. Das Geschäft mit der Bücherliebe schläft langsam ein, es dämmert weg. Ich kenne nur noch zutiefst melancholische Antiquare, die anfangen, sich darüber zu wundern, dass es vereinzelt immer noch Kunden gibt, die alte Schwarten nach Hause tragen.

Auch Alfred Brehms «Thierleben» gibt es im Internet

Als ich an einem schwülen Nachmittag schwitzend mit meiner Bücherlast unterwegs war, schwor auch ich mir, dass ich so etwas nicht noch einmal mache. Man wird ja nicht jünger.

Wozu gibt es körperlose Digitalisate? Auch den Ur-Brehm findet man im Internet. Als ich jedoch die Bände mit der Frakturschrift auf den braunen Bücherrücken auf den Schreibtisch stellte, als ich zu blättern begann und die vielen Holzschnitte betrachtete, mit denen das Werk illustriert ist, da merkte ich schon, dass ich mich anders dem «Tiervater» gar nicht nähern könnte.

Ich werde mich lange mit ihm beschäftigen. Und dazu muss ich mindestens sein Hauptwerk, das ihn zu einer der wichtigsten Figuren der deutschen Bildungsgeschichte macht, tatsächlich in der Hand haben.

Im falschen Jahrhundert

Brehm war Jäger und Sammler, Forschungsreisender, Volksaufklärer, Schriftsteller, Zoologe, Zoodirektor in Hamburg und Aquariumsgründer in Berlin. Als Achtzehnjähriger brach der Pfarrerssohn aus dem thüringischen Renthendorf zu seiner ersten Afrikaexpedition auf.

Mit 55 starb er kurz nach der Rückkehr von einer Vortragsreise durch Amerika im November 1884 in seinem Heimatdorf. Zu seinem Freundeskreis gehörten sächsische Demokraten und österreichische Thronfolger. Und natürlich jede Menge Tiere.

Mit einem Gorillaweibchen besuchte er Berliner Cafés. Ich habe oft das Gefühl, dass ich im falschen Jahrhundert lebe.

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