Wenn wir erzählen, dass in unserer Unternehmung Mitarbeiter ihre Kollegen einstellen, dann ernten wir nicht selten fragende bis zweifelnde Blicke. Wenn dann klar wird, dass wir sogar so weit gehen, dass Mitarbeiter den Bedarf definieren, das Stelleninserat gestalten und dann auch noch Gehaltsverhandlungen führen, dann weicht das zweifelnde Staunen blankem Unverständnis.

Wie soll denn das gehen? Und können Mitarbeiter das überhaupt? Und selbst wenn, stellen die dann nicht nur den sympathischsten Bewerber ein? Und auf jeden Fall niemanden, der ihnen gefährlich werden könnte?

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Auch in Ihrem Unternehmen geschieht dies bereits

Wir wagen zu behaupten, dass in fast jedem Unternehmen heute bereits Mitarbeiter in Einstellungsentscheide eingebunden sind. Wir sehen es meist nur nicht so deutlich. Mancher gute Vorgesetzte, manche gute Vorgesetzte bezieht das Team in die Endauswahl mit ein. Kandidaten werden dem Team vorgestellt, manchmal in einem informellen Gespräch, manchmal zum gemeinsamen Mittagessen, manchmal sogar in Form eines Probetages.

Anschliessend erkundigt sich die Vorgesetzte, wie das Team den Kandidaten empfunden hat. Wenn die Mehrheit des Teams ein ablehnendes Urteil kundtut, würde keine gute Vorgesetzte diesen Kandidaten einstellen. Formell hat die Vorgesetzte entschieden, informell war das Team massgeblich beteiligt.

In anderen Fällen geschieht ein Einbezug erst später und mit höheren Kosten. Wenn das Team eine Einstellungsentscheidung des Vorgesetzten nicht gut findet, wird es die neue Kollegin schwer haben. Das Team wird «beweisen», dass der Entscheid schlecht war und ihn nachträglich zu korrigieren versuchen.

Welche Vorteile Einstellungen durch das Team haben

Wenn wir uns auf dieses Experiment einlassen, werden wir zahlreiche Vorteile entdecken.

  • Die Ausarbeitung des Anforderungsprofils ist qualitativ besser, da viele verschiedene Meinungen und Ansichten berücksichtigt werden.
  • Das Team fühlt sich verantwortlich, wirbt in den eigenen Netzwerken (im Internet und im realen Leben) und spricht geeignete Kandidaten an.
  • Die Ansprache von möglichen Kandidaten erfolgt authentisch und in der Sprache der Kandidaten.
  • Für Kandidaten ist das Kennenlernen des Teams ein wichtiger Entscheidungsfaktor. In diesem Prozess lernen sich die zukünftigen Kollegen auf optimale Weise kennen.
  • Die Qualität der Einstellungsentscheidung ist durch die Vielzahl an Meinungen und Ansichten besser als die von einigen wenigen.
  • Die Einarbeitung des Kandidaten erfolgt durch das gesamte Team, da dieses in hohem Masse am Erfolg der eigenen Entscheidung interessiert ist.
  • Das Risiko ist beschränkt. Wir können es bei Stellen wagen, die schwer zu besetzen sind. Dort haben wir ja schon alle anderen Wege erfolglos versucht.

Der gewichtigste Vorteil ist, dass wir auf diesem Wege deutlich mehr gute Bewerber überhaupt erreichen. Das heute angepriesene «social recruiting» ist nicht einfach nur, Inserate in sozialen Netzwerken auszuschreiben. Es geht um die soziale Aktivität des Teams, gemeinsam Mitarbeiter für das Unternehmen zu gewinnen. Und das geht nur, wenn Ihre Mitarbeiter von A bis Z in den Prozess massgeblich und entscheidend eingebunden sind.

Können Mitarbeiter gute Einstellungsentscheidungen fällen?

Der sensibelste Punkt ist die Einstellungsentscheidung selbst. Einerseits wird meist reflexartig hinterfragt, ob das Team überhaupt eine qualifizierte Entscheidung treffen kann. Andererseits ist gerade diese Befugnis ein zentraler Erfolgsfaktor für die gelungene Integration des Teams in den gesamten Prozess. Ohne die Einbindung des Teams in den Entscheidungsprozess kann dieser Vorschlag nicht funktionieren. Mitarbeiter leisten ihren Teil in diesem Prozess nur dann, wenn sie auch an der Einstellungsentscheidung mitwirken.

Es lässt sich vortrefflich darüber diskutieren, ob die Entscheidung eines Teams nicht zu besseren Ergebnissen führt als die eines einzelnen Vorgesetzten. Auch Vorgesetzte sind keineswegs davor gefeit, ihresgleichen auszuwählen, nach Sympathie einzustellen oder Fehleinschätzungen hinsichtlich der Kompetenzen zu fällen.

Es ist jedoch gar nicht notwendig, davon überzeugt zu sein, dass das Team bessere Entscheidungen trifft. Das Team fällt die Entscheidung gemeinsam mit dem Vorgesetzten und der Personalabteilung. Ein Veto des Vorgesetzten führt ebenso so zu einer Absage wie eine negative Entscheidung des Teams. Vorgesetzte oder die Personalabteilung sollten jedoch keinesfalls eine positive Entscheidung erzwingen können. Sie müssen das Team überzeugen können, wenn sie selbst überzeugt sind.

Auf keinen Fall in einem Schritt und unternehmensweit

Ein solches Experiment sollten Sie auf keinen Fall auf einen Schlag in ihrem gesamten Unternehmen einführen. Es braucht eingeübte Vorgehensweisen, Verantwortlichkeiten und Kompetenzen.

Beginnen Sie in einem Team, in dem der Vorgesetzte bereits heute alle Mitarbeiter stark einbindet. Und lernen Sie mit diesem Team, wie eine gute Vorgehensweise in Ihrem Unternehmen aussehen könnte.

Die Kontributoren sind externe Autoren und wurden von bilanz.ch sorgfältig ausgewählt. Ihre Meinung muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen.