Manchmal teilt sich die Welt des Technologiekonzerns Google in Schwarz und Weiss. Als der Konzern in Kalifornien auf seiner Entwicklerkonferenz im Shoreline Amphitheatre in Mountain View verkündete, dass der digitale Assistant von Google künftig auch auf Apples iPhones verfügbar ist, jubelten die 7000 Gäste, als gelte es das Apple-Pendant Siri vom Hof zu jagen.

Damit macht Google deutlich: Der Assistant wird allgegenwärtig sein. «Wir denken, dass der Assistant auf allen Arten von Geräten verfügbar sein sollte, auf denen er nützlich sein kann», sagte der Google-Manager Scot Huffman und deutete auf der Leinwand mit allerlei Symbolen an, was er damit meinte: Spielzeug, Kinderwagen, Flugzeuge und sogar Einkaufswagen. Da ist das iPhone noch die kleinste Überraschung.

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Antworten ohne Fragen

Schon heute läuft der Assistant auf mehr als 100 Millionen Geräten. Anfänglich war der Assistant nur in der Chat-App Allo und auf den googleeigenen Pixel-Smartphones verfügbar, doch inzwischen kommt er auf immer mehr Smartphones, auf denen das Betriebssystem Android läuft. Nutzer stellen Fragen, der Assistant antwortet.

Doch künftig müssen Nutzer nicht einmal mehr fragen. Sie können auch einfach ihre Smartphone-Kamera auf ein Firmenschild oder ein Filmplakat richten und bekommen anschliessend Informationen dazu angezeigt. Auf diese Weise kann auch Text aus fremden Sprachen übersetzt werden. Das Unternehmen nennt diese Funktion «Google Lens». In anderen Anwendungen gab es schon ähnliche Funktionen, nun werden sie in den Assistant mit eingebaut.

Den 100 Prozent nahe

Google lässt zum Auftakt zur Entwicklerkonferenz I/O keinen Zweifel daran, dass künftig die künstliche Intelligenz und das maschinelle Lernen an erster Stelle stehen sollen. Tatsächlich gibt es inzwischen kaum noch ein Produkt oder Dienst bei Google, in dem diese Entwicklungen nicht eingeflossen sind.

Aus den Streetview-Aufnahmen lesen Computer Informationen von Firmenschildern ab, GMail-Nutzern werden in E-Mails smarte Antworten vorgeschlagen und die Spracherkennung der Computer gelingt, dank maschinellem Lernen, in mehr als 95 Prozent der Fälle perfekt.

Kluge und selbstständige App

Doch künstliche Intelligenz bringt den Computern nicht nur das besseren Hören bei, sondern auch das bessere Sehen. Wird die Smartphone-Kamera künftig auf eine Blume gerichtet, verrät der Google Assistant, wie sie heisst. Wird die Kamera auf den Sticker eines WLAN-Routers gerichtet, auf dem der Netzname und das Passwort stehen, verbindet sich das Smartphone automatisch mit dem Gerät.

Auch die Foto-App von Google bekommt neue Funktionen, die ohne maschinelles Lernen nicht möglich werden. Inzwischen nutzen mehr als eine halbe Milliarde Menschen diese Anwendung, die bereits Fotos nach Suchworten auswählt, ohne das sie entsprechend beschrieben wären. Der Computer erkennt von sich aus, was auf dem Bild zu sehen ist. Eine Suche nach «Sonnenuntergang» findet dann alle Fotos, auf denen ein Sonnenuntergang abgebildet ist.

In den kommenden Wochen bekommt die App neue Funktionen zum Teilen von Fotos. Die Anwendung schlägt dann aufgrund der Informationen, die sie im Bild findet, automatisch vor, mit wem es geteilt werden könnte. Die Empfänger werden schlichtweg aus dem Foto ausgelesen.

Fotos «smart» teilen

Ausserdem können Fotobibliotheken mit Freunden geteilt werden. Wird dann ein neues Foto hinzugefügt, erscheint es nach kurzer Zeit auch auf dem zweiten Smartphone. Nutzer können Filter festlegen und beispielsweise innerhalb der Familie nur Fotos teilen, auf denen die Kinder abgebildet sind. Diese Filter gelten dann auch automatisch für künftige Fotos.

Wie es schon bei Apple möglich ist, sollen auch Nutzer von Google Fotos künftig Fotobücher bestellen können. Googles künstliche Intelligenz macht dabei bereits personalisierte Vorschläge, sodass der Nutzer gar keine eigene Auswahl mehr treffen muss.

Diese Funktion wird erst in den USA eingeführt, soll aber später auch in weiteren Ländern verfügbar sein. So wie der Google Assistant wird auch die Foto-App auf Google Lens zugreifen können, um beispielsweise im Nachhinein zu klären, um welches Gebäude oder Gemälde es sich auf der Abbildung handelt.

Google Home für neue Märkte

Google ist mit seinen Anwendungen, die auf maschinelles Lernen zurückgreifen, nicht alleine unterwegs. Einer der schärfsten Konkurrenten ist Amazon mit seinem smarten Lautsprecher Echo und dem digitalen Assistenten Alexa. Auch Google hat ein solches Gerät unter der Bezeichnung Google Home, ist aber eher ein Nachzügler. Im Unterschied zu Amazons Echo ist der Google-Lautsprecher nur in den USA verfügbar. Erst im Sommer soll Google Home auch nach Deutschland kommen.

In ihren Grundfunktionen unterscheiden sich die Geräte kaum. Amazon hat vor Kurzem seinen Echos in den USA eine Telefoniefunktion hinzugefügt. Auch Google Home soll bald in der Lage sein, auf Zuruf jedes Festnetz- und Mobiltelefon in Nordamerika anzurufen.

Mitdenken bei Terminen

Da der Assistant in Google Home Zugriff auf den Kalender hat, soll er sich künftig bei seinem Nutzer auch ungefragt melden, wenn der Verkehr es beispielsweise nötig macht, früher zu einem Termin zu starten. Nach Informationen der «Welt» arbeitet Amazon an einer ähnlichen Lösung.

Zwar verfügt Google Home über kein Display. Dafür wird das Gerät aber künftig zusätzliche Informationen an das Smartphone oder auf den Fernseher schicken können, an dem ein Chromecast-Streaming-Adapter angeschlossen ist. Das können beispielsweise Wettervorhersagen oder Kalendereinträge sein.

Gegen Bezahlung mit Stars chatten

Google nutzt seine Entwicklerkonferenz auch, um in anderen Bereichen Neuerungen vorzustellen. So sollen künftig bei YouTube 360-Grad-Videos auch auf dem Fernseher dargestellt werden können, zum Start auf Sony-Geräten mit Android und auf TV-Geräten mit angeschlossener Xbox One.

Auch die Super-Chat-Funktion wird ausgebaut, über die Nutzer schon seit drei Monaten Chat-Zeit mit ihren YouTube-Stars kaufen können. Gegen eine Gebühr werden ihre Chat-Beiträge dann für einige Zeit ganz oben und farblich hervorgehoben angezeigt.

Hier gibt es künftig eine offene Schnittstelle, über die Zuschauer während eines Live-Streams mit ihren Lieblingsstars interagieren können. Sie könnten dann beispielsweise das Licht ein- und ausschalten oder eine Drohne steuern.

VR-Brillen-Kooperation mit HTC und Lenovo

Vor einem Jahr hatte Google auf seiner Entwicklerkonferenz die Virtual-Reality-Plattform Daydream vorgestellt und im vergangenen Oktober eine Brille dafür eingeführt, in die das googleeigene Pixel-Smartphone eingelegt wird. Nun entwickelt Google zusammen mit Qualcomm eine VR-Brille, die ohne Smartphone auskommt, also den Prozessor und die Displays gleich eingebaut hat.

Die ersten dieser Google-VR-Brillen sollen von HTC und Lenovo produziert werden und noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Durch eine Technologie, die Google «World Sense» nennt, können die Brillen die Position ihres Nutzer auch im Raum erfassen. Das war bisher nur bei aufwendigeren Lösungen der HTC Vive und Oculus Rift möglich.

Wenig Neues für Android

Das mobile Betriebssystem Android kam bei der Auftakt-Keynote in Mountain View erstaunlich kurz. Dabei laufen inzwischen zwei Milliarden Geräte mit der Software. Google stellte eine Bild-in-Bild-Funktion vor, bei der auf dem Smartphone in einem kleineren Bild ein Video läuft, während der Nutzer beispielsweise seine E-Mails bearbeitet.

App-Icons werden künftig mit einem Punkt versehen, wenn sie aktuelle Benachrichtigungen haben. Und das automatische Ausfüllen von Nutzernamen und Passwörtern, das man von Google bereits im Chrome-Browser kennt, wird bald auch in Apps funktionieren.

Sparsamer und sicherer

Die nächste Android-Version «O» soll sicherer sein und mit den Ressourcen des Gerätes sparsamer umgehen. So lassen sich Apps zum Teil doppelt so schnell aufrufen wie bisher. Ausserdem soll Android O effizienter mit dem Akku umgehen. Für günstigere Smartphones mit weniger Arbeitsspeicher, die in Ländern wie Indien und Brasilien verkauft werden, gibt es künftig eine Android-Version Go, bei der nicht nur das Betriebssystem an die schwächere Hardware-Ausstattung angepasst wird, sondern auch andere Google-Apps wie YouTube.

Diese Geräte, die ab 2018 verkauft werden sollen, gehen auch sparsamer mit Daten im Mobilfunknetz um. So ist im Chrome-Browser bereits eine Funktion eingeschaltet, die Bilder stärker komprimiert. YouTube-Videos können auf diesen Geräten heruntergeladen werden, wenn sie sich im WLAN-Netz befinden. Nutzer können diese Videos direkt von einem Gerät zum andern kopieren, ohne dafür auf das Mobilfunknetz zugreifen zu müssen.

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