Mit welchen Worten würden Sie den durchschnittlichen Japaner definieren? Er übt sich in Zurückhaltung, bleibt eher unscheinbar, drängt sich niemals in den Mittelpunkt. Richtig? Nein, definitiv falsch – zumindest, wenn ein Nissan GT-R vor uns steht. Der Supersportler zeigt extreme Präsenz. Statt mit einem filigranen Sushi-Filetiermesser haben ihn die Designer wie mit einem Schwert aus Damaszenerstahl grob aus japanischem Sunuke-Holz gehackt. Massig, mit grossem Heckspoiler, fertig ist das grossformatige Paket, das den Porsche und die Corvette geradezu klein aussehen lässt. Zudem ist der Nissan laut, drücken die 530 PS des Biturbo-V6 mit motorischen Kampfschreien aus vier überdimensionalen Auspuffrohren. Trotz annehmbarer Pflichtausstattungsdetails wie Leder und Klimaautomatik fühlt sich der Japaner puristisch an, fährt sich zudem filigraner, als er aussieht. Unter dem Blech rasselt der GT-R wie eine Horde Samurai, die – klangstark die Schwerter wetzend – auf den Angriff harren. Hier ein Knarzen, dort ein Knacken, jede Kolben- und Ventilbewegung scheint der Pilot einzeln zu registrieren.

Überblick: Alle News und Tests zum Nissan GT-R

Doch die Geräuschkulisse muss sein, macht uns Nissan klar. In der Begleitbroschüre heisst es nämlich: "Der GT-R bringt spezielle, für einen Supersportwagen ganz normale Charakteristika mit sich. Beim Bremsvorgang ist eine Geräuschentwicklung nicht auszuschliessen, beim sequenziellen Getriebe werden Sie metallische Geräusche hören." Vollkommen richtig, und eigentlich ist das auch gut so: Der Technik-Soundteppich zieht in seinen Bann und macht Lust, die Schaltpaddel auf eigene Faust zu betätigen, anstatt dem sechsgängigen Doppelkupplungsgetriebe – subjektiv minimal langsamer agierend als das Pendant im Porsche – die Arbeit zu überlassen. Dank Allrad hat der Japaner Traktion im Überfluss, die Lenkung ist angenehm direkt (nur der Porsche kann’s noch besser), der Seitenhalt der Sitze perfekt. Zugegeben, ein kleines Manko hat der GT-R: Von der tiefen japanischen Aguda-Sitzposition auf der Tatami-Matte ist er noch viele japanische Ris, Pardon, Kilometer entfernt. Denn im Nissan sitzt man gefühlt eher auf der Technik, als wie im Porsche oder auch der Corvette damit zu verschmelzen. Doch dies nur am Rande. Unterm Strich ist der GT-R eine gehörige Portion Rennsport für öffentliche Strassen, und dank zahlreicher elektronischer Helferlein theoretisch auch problemlos von ungeübten Samurai ohne Rätsel oder Risiken agil pilotierbar. Japan – 10 Points.

Überblick: Alle News und Tests zum Porsche 911 Turbo

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Gibt es zum Porsche 911 viel zu sagen? Eigentlich nur ein Wort: perfekt! Doch mit etwas Suche finden sich auch am deutschen Präzisionswerkzeug aus Stuttgart ein paar kleine Kritikpunkte: So etwa eignen sich die Klappsitze im Fond nur für Mini-Menschen, das Aluminium an der Handbremse ist immer kalt, sodass es einen beim Armablegen friert. Ausserdem ist das Vorfahrt- und Handyfotografier-Flair hier deutlich geringer ausgeprägt als bei Chevy Corvette und Nissan GT-R – trotz des leuchtenden "Indischrot" unseres Testwagens. Der Neunelfer gehört zu Deutschland wie die Schweinshaxe zu Bayern oder der Labskaus zum Norden unserer Republik. Er betörte ab 1964 erst das Inland, um sich danach auf dem gesamten Kontinent und anschliessend im Rest der Welt eine Fangemeinde aufzubauen – und dies nicht nur dank seiner Gesamtrezeptur, sondern ebenso im Detail. Beispiel gefällig? Der Blick in die Aussenspiegel des Turbo S ist ein Erlebnis, die breiten Backen mit ihren Lufteinlässen einfach wunderschön anzusehen. Da fällt es nicht immer leicht, mit den Augen die vor einem dahinfliegende Strasse zu fixieren. Wie auch der GT-R hat der Turbo S immer Schub parat, selbst jenseits der 250 km/h.

Seitenhalt und Bequemlichkeit der Sitze sind perfekt, nur das Ein- und Ausfädeln des Körpers vor dem Eiscafé will gelernt sein, um keine Häme zu ernten. Das geht in Nissan und Corvette deutlich souveräner. Definitiv ein paar Worte gebühren an dieser Stelle noch der Keramikbremse: Mit ihr verzögert der 911 nicht, er scheint förmlich den Anker zu werfen. Der 911 ist ein Mythos, so abgenutzt dieses Wort im heutigen Sprachgebrauch auch sein mag. Er steht seit mehr als 40 Jahren für deutsche Ingenieurskunst auf vier Rädern und wird diesen Ruf wohl auf ewig verteidigen. Deutschland, einig Neunelfer-Land. Wechseln wir an dieser Stelle von den imaginären Bergstrassenkehren, aus denen man sich mit der Porsche-Kombination aus Allrad und Doppelturbo geradezu herauskatapultieren kann, zum relaxten Cruisen über den Ocean Drive in Miami.

Überblick: Alle News und Tests zur Chevrolet Corvette

Mit der Corvette Grand Sport könnte man zwar mit 300 km/h durchs Land fliegen. Doch warum? Kaum eingestiegen, weckt die Amerikanerin Sehnsüchte, mit ihr entspannt dahinzurollen. Dach auf, Seeluft schnuppern – sehen und gesehen werden. Sie ist wie die kubanische Zigarre im Handschuhfach, wird im richtigen Augenblick intensiv genossen. Unter Volllast ist der V8 mit dem grössten Hubraum (dafür ohne Biturbo-Unterstützung wie die anderen) im Testtrio angenehm präsent, beim Gleiten mit der unaufgeregt agierenden Wandlerautomatik dafür flüsterleise im Hintergrund. Da vernimmt man selbst noch das Geschrei der Möwen. Die Lenkung agiert ausreichend direkt, wenngleich nicht so präzise wie bei 911 oder GT-R. Auch in Sachen Seitenhalt der Sportsitze könnte sich die Vette eine Scheibe Finesse vom Nissan-Gestühl abschneiden, die strammen Schalen des Porsche müssen es nicht gleich sein. Ihre Kraft leitet die Amerikanerin wie gewohnt ausnahmslos an die Hinterachse weiter, ein deutlicher Traktionsnachteil im Kontrahenten-Vergleich. Die schönsten Burnouts aber gelingen ihr. Die Corvette ist das Fahrzeug mit der längsten Historie, seit 1953 auf dem Markt, mittlerweile pflegt die sechste Generation die Modellgeschichte.

Zum alten Eisen gehört sie trotz Querblattfedern oder Zweiventil-Technik deshalb noch lange nicht. Ein Headup-Display, Leder, Karbon und Stickereien verleihen dem Interieur der Grand Sport einen Schuss Moderne, das aktive "Selective Ride"-Fahrwerk mit magnetisch aufgeladenen Metallpartikelchen im Öl hilft im hoch angesiedelten Grenzbereich. Gut zu wissen, dass man ihn mit "America’s Sports Car No. 1" erfahren könnte – oder eben den beiden anderen Kontinentalraketen, die wir für diesen Fahrbericht ausführen durften.

 

Weitere Details und zur Bildergalerie (beide Links gehen zu autobild.de).