Der Anhang 40 im Geschäftsbericht der Credit Suisse ist einer der längeren: Über elf Seiten zieht sich das Kapitel mit den Rückstellungen für Rechtsfälle. Die ersten Nennungen stammen noch aus der Subprime-Krise der USA, die letzten widmen sich einem SEC-Verfahren, das in einer Busse resultierte, weil eine CS-Tochter ihre Geschäfte nicht sauber dokumentiert hatte.

Dazwischen liegen bekannte, noch nicht abgeschlossene Fälle wie die unterstellten Manipulationen des Zinssatzes Libor und der Wechselkurse, die Untersuchungen gegen die Fifa, Kreditgeschäfte aus Mosambik, Archegos oder Greensill. Oder Kleinigkeiten wie die Weko-Ermittlung wegen mutmasslicher Marktabsprachen zugunsten von Twint, an denen sich die CS-Tochter Swisscard beteiligt haben soll.

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Die meisten dieser Verfahren tragen ein Preisschild. Insgesamt hat die Credit Suisse 2022 für 1,9 Milliarden Franken neue Rückstellungen gebildet im Zusammenhang mit Rechtsfällen. Gleichzeitig hat die Bank zwei Milliarden eingesetzt, um Verfahren abzuschliessen und Rückstellungen von 347 Millionen Franken aufgelöst, weil sie nicht benötigt wurden. Ende Jahr stand das Konto bei 1,2 Milliarden Franken.

Das ganze wird als Rückstellungen verbucht, weil Banken wie die Credit Suisse oft schon ahnen, dass eine Busse auf sie zukommt, bevor diese ausgesprochen oder gar rechtskräftig werden. 

Zunahme bei der CS, Erholung bei der UBS

Längst hat die Credit Suisse in Sachen Rückstellungen für Rechtsrisiken ihre grösste Konkurrentin UBS hinter sich gelassen. In den vergangenen zehn Jahren verbuchte die UBS nur einmal höhere Nettorückstellungen als die CS (im Jahr 2018). Das zeigt die Auswertung der «Handelszeitung» (siehe Grafiken weiter unten). Man muss bis ins Jahr 2015 zurückblicken, um bei der UBS das letzte mal Nettorückstellungen von mehr als einer Milliarde Franken zu finden. 

2022 musste die UBS noch für 388 Millionen Franken neue Rückstellungen bilden. Gleichzeitig löste sie 55 Millionen wieder auf, womit ein Nettoaufwand von noch 332 Millionen verbleibt. Nur in einem liegt die UBS weiterhin vorn: In der absoluten Höhe der bereits getätigten Rückstellungen, die noch in der Bilanz stehen und Ende 2022 bei 2,5 Milliarden Franken lagen. Altlasten aus früheren Jahren. 

Und das ist der grosse Unterschied: Zwar gehören auch bei der UBS die Rechtskosten zum daily Business. Doch während die UBS vor allem noch alte Fälle mit sich rumschlept, ist bei der CS einiges taufrisch. Von einer wirklichen Erholung die sie weit entfernt. 

Summiert man die Nettoaufwände, die sich aus diesen Rückstellungen ergeben auf, so zeigt sich, dass die beiden Grossbanken lange parallel unterwegs waren – die UBS mit einem kleinen Vorsprung. Ab 2019 jedoch geht die Schere auseinander. Während die UBS ihre Rechtsfälle offenbar in den Griff bekam, taten sich bei der CS Baustellen auf, die neue Kosten verursachten.

Über die 13 Jahre seit 2010 – ältere Daten sind nicht für beide Banken verfügbar – haben sich bei der UBS Kosten von gut 12 Milliarden Franken aufgetürmt. Bei der Credit Suisse dagegen steht der Zähler bereits bei knapp 17 Milliarden Franken. Pro Jahr etwa 1,3 Milliarden Franken. Gemeinsam knacken die beiden Banken wohl bald die Marke von 30 Milliarden Franken.

Die UBS scheint dabei etwas vorsichtiger bilanziert zu haben als die Credit Suisse. 12 Prozent der insgesamt getätigten Rückstellungen konnte sie in den besagten 13 Jahren wieder auflösen, weil die Gelder am Ende doch nicht gebraucht wurden. Bei der Credit Suisse ist dieser Anteil mit 7 Prozent deutlich geringer.

Im vergangenen Jahr allerdings schien die CS den einen oder anderen Fall überraschend gut abgeschlossen zu haben, löste sie doch nicht weniger als 347 Millionen Franken wieder auf. So viel, wie nie. Details dazu legt die CS im Geschäftsbericht nicht offen. Vielleicht ein interessanter Zufall: Im April 2022 wurde der langjährige Chefjurist Romeo Cerutti, der als eher Vergleichs-scheu galt, vom früheren UBS-Banker Markus Diethelm abgelöst.

Etwas abgenommen hat die Schätzung über das Ungewisse: Die Credit Suisse macht in ihrem Geschäftsbericht jeweils eine Angabe zur Bandbreite der Rechtskosten, für die keine Rückstellungen gebildet werden konnten. Lag die Obergrenze im Vorjahr noch bei 1,5 Milliarden Franken, so sind es laut Geschäftsbericht 2022 «nur» noch 1,2 Milliarden Franken.

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