Die Aussagen von Credit-Suisse-Verwaltungsratschef Axel Lehmann zu den Abflüssen von Kundengeldern haben ein Nachspiel. Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma habe die Grossbank in der Angelegenheit kontaktiert, wie zwei mit der Sache vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters sagten. Die Finma wolle klären, was der Wissensstand von Lehmann war, als er Anfang Dezember sagte, dass die Abflüsse von verwalteten Vermögen zum Erliegen gekommen seien. Danach waren aber nochmals Milliarden von dem krisengeplagten Institut abgezogen worden.

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An der Börse kam der Aktienkurs der Credit Suisse am Dienstagmorgen denn auch stark unter Druck. Im Verlauf der ersten Handelsstunde gab er um rund 6 Prozent nach. Zum Mittag wurde die CS-Aktie 6,7 Prozent unter dem Vortageswert bei 2,59 Franken gehandelt. 

Die Credit Suisse erklärte, sie kommentiere Spekulationen nicht. Auch die Finma wollte sich nicht äussern. Nach der Veröffentlichung der Jahreszahlen hatte die Behörde erklärt: «Es ist klar, dass die Finma die Banken in solchen Situationen sehr genau überwacht.»

Abflüsse waren stärker als erwartet

Die Verunsicherung über den Zustand der Bank hatte im vierten Quartal eine regelrechte Kundenflucht ausgelöst. Netto zogen die Kundinnen und Kunden von Oktober bis Dezember 110,5 Milliarden Franken von der zweitgrössten Schweizer Bank ab, wie die Credit Suisse bei der Veröffentlichung des Jahresergebnisses im Februar bekannt gab. Davon entfielen rund 65 Prozent auf Oktober und 20 Prozent auf November, präzisierte das Management. Damit bleiben rund 15 Prozent der Abflüsse für Dezember.

Diese fielen deutlich stärker aus, als Anleger erwartet hatten, und waren ein Grund, wieso die Aktie am Tag der Veröffentlichung des Abschlusses um rund 15 Prozent einbrach. Andreas Thomae, Corporate-Governance-Spezialist bei der Fondsgesellschaft Deka Investment, erklärte einen Tag später, die Anlegerinnen und Anleger seien enttäuscht gewesen, dass die Abflüsse entgegen der Aussagen von Firmenvertretern angehalten hätten.

Mit Blick auf diese Zahlen stehen Lehmanns Äusserungen vom Dezember 2022 nun in einem neuen Licht. So hatte er am 1. Dezember in einem Interview mit der «Financial Times» erklärt, nach starken Abflüssen im Oktober hätten sich diese «völlig abgeflacht und teilweise gedreht». Am Tag darauf legte er bei Bloomberg Television nach und sagte, die Abflüsse seien «im Wesentlichen gestoppt». Nach diesen Aussagen legte die Credit-Suisse-Aktie, die zwölf Sitzungen in Folge nachgegeben hatte, kräftig zu und beendete den Tag mit einem Plus von rund 9 Prozent.

Am 5. Dezember dann trat Lehmann beim «Eco Talk» im Schweizer Fernsehen auf. Und erklärte dort, dass sich die Abflüsse «absolut stabilisiert» hätten, es käme auch wieder «etwas zurück».

Wurde Lehmann nicht richtig informiert?

Die Finma wolle nun in Erfahrung bringen, ob Lehmanns Aussagen irreführend gewesen seien, erklärte einer der Insider. Es handle sich nicht um eine formelle Untersuchung, sondern um eine Anfrage der Behörde, um zu klären, was Lehmann und andere Spitzenvertreter der Bank damals wussten. Es gebe Hinweise darauf, dass Lehmann intern nicht richtig informiert worden sei, bevor er diese Äusserungen gemacht habe.

Die These, dass der CS-Präsident nicht richtig informiert war, halten Bank-Kenner für wenig glaubwürdig. Denn letztlich ist Lehmann mit ähnlich optimistischen Aussagen gleich dreimal in kurzer Folge öffentlich aufgetreten. «Wenn die erste Äusserung gegenüber der ‹Financial Times› falsch gewesen wäre, hätte man dies bei seinen anderen Auftritten sicher korrigiert», sagt ein CS-Insider. 

Aus dem Umfeld der Bank werden die Lehmann-Äusserungen daher verteidigt. Da die Abflüsse sehr dynamisch sind, sei es sehr gut möglich, dass es Anfang Dezember für einen Moment tatsächlich keine Abflüsse mehr gegeben habe, als Lehmann dies so gegenüber Bloomberg erklärte. Im Laufe des Dezembers hätten dann die Abflüsse womöglich wieder zugenommen. Inhaltlich habe Lehmann aber nie etwas Falsches gesagt, heisst es im CS-Umfeld. Daher wird erwartet, dass die Finma-Abklärungen im Sande verlaufen werden.

Zumal Analysten zum Teil den CS-Präsidenten nie so verstanden haben, es gäbe keine Abflüsse mehr. So sagt Christian Schmidiger, Bank-Analyst der Zürcher Kantonalbank: «Ich habe Lehmanns Äusserungen so verstanden, dass sich die starken Abflüsse des Oktobers verlangsamt haben, jene bei der Swiss Bank teilweise sogar gestoppt werden konnten», so der Experte und fügt an: «Das heisst jedoch nicht, dass die Nettoneugelder ein positives Vorzeichen tragen.» 

CS-Präsident hat ein Glaubwürdigkeitsproblem

Die Entwicklung der Neugelder ist eine Schlüsselkennzahl für die Beurteilung von Vermögensverwaltungsbanken. Ziehen die Kundinnen und Kunden in grossem Stil Geld ab, ist das oftmals ein Ausdruck von Misstrauen. Sehr hohe Abflüsse können ein Institut in Liquiditätsengpässe bringen. Die Abflüsse kamen für die Credit Suisse zu einem heiklen Moment.

Aber Fakt ist: Lehmann wollte mit seinen konzertierten Medienauftritten Optimismus verbreiten. Und das fliegt dem Bank-Präsidenten nun um die Ohren, weil die Bank auch im Dezember 2022 weiter Kundengelder verloren hat. Selbst Lehmann zugeneigte Finanzkreise räumen ein, dass dies an der Glaubwürdigkeit des Präsidenten der Credit Suisse nagt. Jede weitere Äusserung der CS-Führung wird nun noch genauer unter die Lupe genommen werden, der Druck auf die Kommunikation der Bank nimmt damit weiter zu.

Und wie sieht es in Sachen Kundengelder aktuell aus? Für den Januar hatte Bank-Chef Ulrich Körner erklärt, dass der CS in Asien und der Schweiz wieder Kundengelder zufliessen würden. Für die gesamte Bank sei der Saldo noch nicht wieder positiv. Immerhin habe die Bank bei den Kundeneinlagen – also Sichtguthaben, nicht investierte Gelder – wieder per Saldo positive Werte erreicht. 

Die Frage ist, wie lange es dauern wird, bis die Bank in Sachen Kundengelder die Kurve bekommt. Bank-Insider verweisen darauf, dass es länger dauern wird, bis das Kundenvertrauen wiederhergestellt ist. Es sei also naiv zu erwarten, dass die CS für das wichtige erste Quartal schon die Wende wird verkünden können. Auch bei der UBS habe es nach ihrem Beinah-Zusammenbruch Jahre gedauert, bis die Bank wieder netto Neugelder hat verbuchen können. 

Doch solche Äusserungen sind öffentlich von der CS-Spitze nicht zu vernehmen, was auch Bank-Kenner verwundert. Die nächste Enttäuschung mit der Veröffentlichung der Zahlen zum ersten Quartal scheint damit programmiert. 

(ali/reuters/hec)

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