Daniel Ott, was ist bei KMU-Banking die grösste Herausforderung?

Typische Kleinunternehmen sind Handwerker mit bis zu zehn Mitarbeitenden. Aber es gibt auch die mittleren Betriebe mit rund 500 Leuten. Der Bedarf an digitalisierten Angeboten bei einer Bank für ihre KMU ist daher sehr unterschiedlich. Der Bereich KMU-Services ist also ein heterogenes Feld mit verschiedensten Bedürfnissen. Und dem müssen Banken Rechnung tragen.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Was haben Sie beim Bankensoftware-Hersteller ti&m im Fokus, wenn wir von KMU-Banking reden?

Mit unserer Digitalisierungsplattform haben wir vor allem die Kleinunternehmen der KMU im Blick, die Retail-E-Banking-Lösungen benötigen. Wir unterstützen mit unserer Software Banken, die ihrer KMU-Kundschaft zusätzliche digitalisierte Services anbieten wollen.

Haben sich die Bedürfnisse verändert?

Ja. Jetzt kommen die kleinen KMU in den Fokus, diese sind bis anhin in der Digitalisierung vernachlässigt worden. Normalerweise haben diese kleinen KMU eine Standard-E-Banking-Lösung, dazu zusätzliche Services mit E-Mails oder mit Secure-E-Mail-Communication, mit Chats usw. Früher hat man Dokumente gescannt und via PDF versendet. Oder gar auf dem physischen Postweg.

Zur Person Daniel Ott

Daniel Ott kennt die Bedürfnisse von KMU im Banking und die Bankenlandschaft gut: Er war früher als IT-Experte bei der UBS und der CS tätig. Beim Bankensoftwareunternehmen ti&m in Zürich fungiert er als Head Banking Strategy & Senior Advisor und als Head Product Management.

Wir bei ti&m bieten für die Kundengruppe kleiner KMU zusätzliche Funktionen an, die zum Beispiel eine schnelle Bearbeitung von Anliegen ermöglichen. Ein typisches Beispiel ist die Bilanz-Erreichung, die jedes Jahr einmal stattfinden muss. Mit unserem Case Manager fällt das lästige Aufbereiten weg, da alles automatisiert abläuft. Ein Bankkunde kann seinen Kundenberater mit einem Mausklick während des ganzes Prozesses erreichen. Es braucht kein E-Mail mit Attachment mehr für den Kundenberater der Bank. 

Zu Krediten zu kommen, wird also leichter?

Sicher schneller, ob auch leichter, hängt dann noch vom Scooring ab. Die UBS beispielsweise hat für die KMU die Fast-Credit-Lösung lanciert, sodass KMU viel einfacher und schneller zu Krediten kommen. Das Ganze ist ebenfalls automatisiert.
So etwas kann man realisieren, indem man einen dedizierten Bereich mit KMU-E-Banking-Services umsetzt. In diesem Themenbereich sind wir gegenwärtig daran, alle notwendigen Funktionen und Use Cases zu definieren. Eine Anwendung ist etwa die vorher erwähnte Bilanzeinreichung, da lässt sich viel automatisieren.

Können KMU mit ti&m-Programmen auch Steuerunterlagen erstellen?

Zusätze zu Steuerunterlagen, die eigentliche Berechnung erfolgen immer noch im Kernbankensystem. Wir können sonst aber viele Unterlagen erstellen, absolut.

Sind Ihre digitalen Helfer auch andernorts einsetzbar?

Sicher. Wir haben ein Spezialsegment bei KMU: externe Vermögensverwalter. Für diese können wir zum Beispiel die E-Banking-Lösung um eine Portfolio-Management-Lösung erweitern. Die Vermögensverwalter können die Portfolios ihrer Kunden in dieser Lösung anschauen und entsprechende Aktionen auslösen. Das sind Lösungen, die ti&m interessierten Banken anbietet.

Wie binden Sie Ihre Software an bestehende Bankensoftware an?

Grundsätzlich durch Standard-API. Bei der Anbindung spielt auch bLink von SIX eine wichtige Rolle, da es Multibanking-Lösungen erlaubt. Momentan ist es möglich Kontodaten auszutauschen, Zahlungen auszulösen etc. Das haben wir bereits live. Für KMU ist das ein Vorteil, da sie ihre Administrations-Software wie etwa Bexio oder Abacus anbinden können. Als Nächstes steht der Wertschriftenteil, der Open-Wealth-Teil, im Fokus. Teile sind bereits verfügbar, der Rest wird im Laufe dieses Jahres entwickelt.

Was ermöglicht bLink in diesem Zusammenhang?

Die bLink-Schnittstelle haben wir implementiert, da sie einige entscheidende Vorteile bringt: Kunden können direkt aus Bexio die Zahlungen auslösen. Das immer wiederkehrende Einloggen ins E-Banking entfällt. Natürlich muss man sich das erste Mal regulär einloggen und anderen Usern das Okay für den Zugriff geben. Anschliessend ist alles sehr unkompliziert. Solche Services setzen wir bei ti&m gerade für viele Kunden um.

Die Lösungen Ihrer Firma sind modular zusammensetzbare Komponenten?

Unsere Lösungen kann man flexibel konfigurieren. Die Bank definiert, was sie wie ihren Kundinnen und Kunden anbietet. Das geht auch segmentspezifisch, heisst, das KMU hat einen Code und die Bankensoftware erkennt: Das ist ein KMU (Malermeister xy) – und bietet diesem einen spezifischen Service an. Theoretisch kann man das relativ weit treiben.

Was bringt das für Vorteile?

Banken haben so mehr Flexibilität, wenn sie ihren Kunden recht einfach zusätzliche Module einschalten oder ausschalten können – anpassbar je nach Kundensegment.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ein Beispiel ist die Anwendung eines Services im Portfoliomanagement-Bereich etwa für externe Vermögensverwalter. Dort sehen sie die Portfolios ihrer Kunden. Normalerweise basiert die Bewertung der Portfolios auf den Vortageskursen, welche über Nacht in der Tagesendverarbeitung errechnet werden. Nun kann man aber bei unser Lösung auch einen Real-Time-Valuation-Service einschalten. Die Folge: Man sieht den Wert der Positionen in Echtzeit und kann aktiv eingreifen. Solche Leistungen kann man in einem Servicemodul anbieten. Eine Bank kann je nach Kundenwunsch Dienste zuschalten und diese Leistung auch verrechnen, weil das Software-Design flexibel ist.

Die Möglichkeiten sind eigentlich endlos, oder?

Ja, technisch ist es endlos. Es macht einfach irgendwann keinen Sinn mehr: Es wird kompliziert und der Unterhalt ist teuer. Jemand muss ja alles noch nachvollziehen und bewirtschaften können. Wenn sie 47 verschiedene Segmente definieren, ist das schon sehr viel.

Wie erfahren Sie von den Bedürfnissen verschiedenster KMU? Schwärmen Sie mit Ihren Leuten in die Landschaft aus?

Es gibt verschiedene Dimensionen. Die eine ist: Wir haben bereits eine recht breite Kundenbasis. Pro Jahr haben wir zudem mehrere Community-Events. Dort holen wir die Bedürfnisse ab. Ausserdem hilft uns das Kundenfeedback. Zudem betreiben wir auch aktiv Markt-Research.

Wie verläuft der Weg vom Input bis hin zur Anwendung?

Wir haben eine Roadmap für unsere Produkte. Diese Roadmap gestalten wir zu einem grossen Teil mit Kunden, die das Produkt bereits benutzen. Als Firma sind wir zudem präsent, etwa an der Hochschule Luzern und an anderen Fachhochschulen, und wir finanzieren Studien. In meiner Funktion als Head Product Management schaue ich mich natürlich auch um, was im Ausland läuft – und was in die Schweiz kommen könnte.

Um nicht aufs falsche Pferd zu setzen …

Ja, wir wollen ja nicht am Markt vorbei produzieren. Bei bLink von SIX waren wir unter den ersten Anwendern. Dann lief es zunächst nur zögerlich an. Da haben wir uns gesagt, die Banken sind ja von Natur aus meistens eher zurückhaltend… (schmunzelt)

Warum hat ti&m auf bLink gesetzt?

Wegen des Ökosystemgedankens auf der Plattform. Den Trend haben wir früh erkannt. Also gingen wir in die Vorinvestition.

Das IT-Tool bLink muss wirklich ein Gamechanger sein – branchenübergreifend.

Ja, absolut, das sehe ich auch so. Es ist wie mit allem: Es braucht eine kritische Masse. Erst dann nimmt eine Innovation richtig Fahrt auf. Fazit: Man kann die Veränderungen nur verzögern, aber nicht verhindern.

Welche Mauer fällt als Nächstes?

In der Digitalisierung hat man sich sehr stark auf Retail und Private Banking fokussiert. Das KMU-Segment wurde bis jetzt stiefmütterlich behandelt. Es ist gut, dass jetzt der Fokus auch auf KMU-Bedürfnissen liegt. Hier gibt es noch einiges an Potenzial, denn die Marge für Banken ist bis anhin klein. Darum sollte man neben den neuen Funktionen, die man anbieten könnte, unbedingt auch die Effizienz beachten.

Führen Sie die bisherige Vernachlässigung auf kleine Margen der Banken zurück? Oder war es einfach nur bequem, weil es bis jetzt bei kleinen KMU auch anders gegangen ist?

Ich glaube, es ist beides. Das KMU-Geschäft hat eine kleine Marge und auch gewisse Ausfallrisiken. Ausserdem konnten Banken bis anhin die meisten der KMU-Kunden mit dem existierenden Retail-E-Banking-Angebot abdecken. Das sind die Hauptgründe. Doch nun bröckelt dank innovativer IT-Lösungen auch diese «Mauer».
 

HZ-Banking-Newsletter
Karin Bosshard, Chefredaktorin von HZ Banking, und ihr Bankenexpertenteam liefern Ihnen die Hintergründe zu Themen, welche die Schweizer Bankenszene bewegen. Jeden Tag (werktäglich) in Ihrem E-Mail-Postfach. Jetzt anmelden und unseren exklusiven Guide zu Lohn- und Vergütungsfragen erhalten.
HZ-Banking-Newsletter