Zürich-Oerlikon um 9 Uhr. Gut anderthalb Stunden, bevor die letzte Generalversammlung der Credit Suisse beginnt, ist das Gedränge vor dem Eingang des Hallenstadions bereits gross. Aktionärinnen und Aktionäre sind zu dieser Stunde noch spärlich vertreten, dafür ist das Aufgebot an TV-Teams und Medienvertreter umso grösser. Jeder, der irgendwie nach Aktionär aussieht, bekommt eines der zahlreichen Mikrofone unter die Nase gehalten.

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Wie Bruno Lucchi. Der Berner hat 37 Jahre lang für die Credit Suisse gearbeitet, seit Jahren ist er Stammgast an der Generalversammlung seiner alten Bank. Dass nun die Geschichte der CS zu Ende geht, durch eine vom Staat orchestrierte Notübernahme durch die UBS, wundert ihn nicht. «Ich war schon lange nicht mehr zufrieden mit der Bankleitung – lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende», meint Lucchi bitter.

Portrait von Bruno Lucchi

Aktionär Bruno Lucchi hat 37 Jahre lang für die Credit Suisse gearbeitet, seit Jahren ist er Stammgast an der Generalversammlung seiner alten Bank.

Quelle: Holger Alich

Er habe seit vielen Jahren alle Traktanden bei der GV abgelehnt. Für ihn stehe das Kürzel «CS» längst für «Chronische Skandale». Er sieht den Anfang vom Ende der stolzen Bank darin, dass die damalige SKA in die USA expandiert ist, um mit den Grossen der Wallstreet zu konkurrenzieren. «Für so was sind wir in der Schweiz einfach zu klein», so Lucchi.

Auch Marietta Sägesser ist seit Jahren Stammgast als Aktionärin der Credit Suisse. Sie hatte bei der Winterthur Versicherung gearbeitet, die früher zur CS gehörte, seit 24 Jahren ist Sägesser pensioniert. Wie viele Kleinaktionärinnen und -aktionäre verfolgt sie die Ereignisse mit einem Gefühl der Machtlosigkeit. «Wie es nach der Übernahme der UBS weitergeht, muss man sehen», meint sie. Die Ursache für den Zusammenbruch sieht sie in der fehlenden Risikokultur und in der Gier der Banker nach Boni. «Dabei war das mal solch eine renommierte Firma.»

Portrait von Marietta Sägesser

Aktionärin Marietta Sägesser ist seit Jahren an den Generalversammlungen dabei und verfolgt die aktuellen Ereignisse mit einem Gefühl der Machtlosigkeit.

Quelle: Holger Alich

Die Selbstbedienungsmentalität beklagt auch Aktionär Josef Giesler, der mit einem Freund vor dem Eingang wartet. Giesler ist seit zwanzig Jahren CS-Aktionär, bei der Kapitalerhöhung im vergangenen Herbst hat er sogar weitere CS-Aktien gekauft. Für ihn ist klar, wer die Schuld am Zusammenbruch trägt: Ex-Präsident Urs Rohner habe zugelassen, dass sich bei der CS eine Selbstbedienungsmentalität breitmacht. Der aktuelle Präsident Axel Lehmann habe am Ende nichts mehr ausrichten können, «der ist quasi nur noch der Leichenbestatter», so Giesler. «Aber ich erwarte von Lehmann schon ein Wort der Entschuldigung, dass es am Ende so weit gekommen ist», sagt der CS-Aktionär.  

Entschieden wird bei der letzten GV der Credit Suisse nichts mehr, eine Genehmigung der Notübernahme durch die Bankeigentümer und -eigentümerinnen hat der Bund per Notrecht ausgehebelt. Die Abstimmung zur Entlastung von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung hat die Bankführung von der Traktandenliste streichen lassen.

Einzig bei der Wiederwahl des Verwaltungsrates können die Eigentümerinnen und Eigentümer ihrem Unmut auch per Abstimmung Luft machen. Doch die Abwahl des aktuellen Verwaltungsrates würde am Lauf der Dinge nichts ändern.

Die Wut wird sich primär in zahlreichen Voten der Aktionärinnen und Aktionären Luft verschaffen. Wie lange die letzte GV der CS dauern wird, vermag daher niemand zu sagen. Sie dürfte wohl bis zum Abend gehen.

Auch ein verspäteter Beginn scheint möglich, denn angesichts des grossen Andrangs und der strengen Sicherheitsvorkehrungen geht es am Einlass nur langsam voran. Jeder Aktionär, jede Aktionärin muss sich ausweisen, sonst kommt er oder sie nicht ins Hallenstadion rein. 

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