Der preistreibende Angebotsschock ist am Abklingen. Für eine Entwarnung von der Preisfront ist es noch etwas zu früh, doch die Inflationsraten sinken. Wann es zu den von den Marktteilnehmern erwarteten Zinssenkungen kommen wird, dürfte vor allem von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung abhängen.

Perspektiven stimmen verhalten optimistisch

Aktuelle Konjunkturindikatoren stimmen derzeit nicht besonders positiv. Vor allem das verarbeitende Gewerbe und das Baugewerbe durchlaufen eine Schwächephase, und die Dienstleistungsbereiche haben deutlich an Schwung verloren. Andererseits ist die Lage an den Arbeitsmärkten nach wie vor günstig, die Arbeitslosigkeit moderat. Zudem ist die finanzielle Lage der Unternehmen und privaten Haushalte trotz der gestiegenen Zinslasten im Allgemeinen recht robust. Wir bei Oddo BHF SE erwarten daher keine schwere Rezession, doch die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsperspektiven für das Jahr 2024 sehen wir verhalten.

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Wie schon im Jahr 2023 sollte sich die Wirtschaft in den USA etwas besser entwickeln als im Euroraum. Die OECD, die Ende November ihre neuen Prognosen veröffentlicht hat, erwartet für die USA nun eine Verlangsamung des Wachstums auf rund 1,5 Prozent, für den Euroraum eine leichte Belebung auf rund 0,9 Prozent. Wenn sich diese Einschätzung bestätigt, könnten sich im weiteren Verlauf des Jahres sowohl in Europa als auch in den USA Spielräume für erste Leitzinssenkungen ergeben

Geldpolitik vor Kurswechsel

Die Marktteilnehmer, die gerne von einem Extrem ins andere fallen, sehen derzeit für das nächste Jahr Zinssenkungen um 1,25 Prozentpunkte in den USA und 1,5 Prozentpunkte im Euroraum voraus. Dies erscheint uns angesichts der noch immer recht hohen Kern-Inflationsraten (4,0 Prozent in den USA (Oktober 23), 3,6 Prozent im Euroraum (November 23)) auf der einen und deutlich steigender Arbeitskosten (USA 4,3 Prozent (Q3/23), EWU 4,6 Prozent (Q2/23)) auf der anderen Seite etwas zu aggressiv, doch dürfte die Geldpolitik im neuen Jahr einen Kurswechsel vollziehen.

Interessante Renditen am Bondmarkt

Trotz der jüngsten Rückgänge bewegen sich die aktuellen Anleiherenditen weiterhin auf Niveaus, die man in Europa und den USA über viele Jahre nicht gesehen hatte. Wer auf diesem Niveau längerfristig investiert, sichert sich nach unserer Überzeugung eine interessante Rendite. Insofern tendieren wir grundsätzlich zu Anleihen mit längeren Laufzeiten bzw. im Portfoliozusammenhang zu einer etwas überdurchschnittlichen Duration. Darüber hinaus könnten sich durch Leitzinssenkungen Chancen auf Kursgewinne ergeben.

Multi-Assets attraktiv fürs Portfolio 

Die Erholung der Renditen bedeutet auch, dass Mischportfolios wieder attraktiver sind. Die Phase der Null- und Negativzinsen ist vorbei. Angesichts des jüngsten Anstiegs der Renditen investieren wir wieder stärker in länger laufende Anleihen. Die veränderte Renditelandschaft dürfte dazu beitragen, dass diese künftig wieder eine grössere Rolle in der Portfoliostrategie der Anlegerinnen und Anleger spielen. Das gilt umso mehr, als sich die Korrelation zwischen Aktien und Anleihen normalisieren sollte.

Wir erwarten, dass die aufgrund des Angebotsschocks stark gestiegene Korrelation zwischen Aktien und Renten wieder abnehmen wird. Dadurch wird der diversifizierende – sprich risikosenkende Effekt – einer Beimischung von Renten in ein gemischtes Portfolio wieder zunehmen. 2024 könnte daher ein erfolgreiches Jahr für Multi-Asset-Lösungen werden.

Aktienquote angehoben

Anfang November hatten wir unsere Positionierung am Aktienmarkt von leicht untergewichtet auf neutral heraufgesetzt, die Aktienquoten also angehoben. Angesichts der kräftigen Kursgewinne im November war dies eine gute Entscheidung. Die neutrale Positionierung entspricht unserer Wahrnehmung, dass Risiken und Chancen an den Aktienmärkten derzeit relativ ausgewogen sind. Auf der einen Seite sind die Wachstumsaussichten verhalten. Zudem lastet die Verschärfung der Finanzierungsbedingungen auf den Unternehmen, und die schwächere Nachfrage erschwert die Überwälzung der steigenden Zins- und Arbeitskosten. Der Druck auf die Margen könnte also zunehmen.

Jan Viebig ist Co-Chief Investment Officer Oddo BHF Gruppe, Geschäftsführer Oddo BHF Trust.

Auf der anderen Seite dürften die Aktienmärkte im neuen Jahr vom Ende der Zinserhöhungen und von wahrscheinlich sinkenden Zinssätzen profitieren. Zudem wird sich das Gewinnwachstum (Gewinn pro Aktie) nach Einschätzung der Analysten im nächsten Jahr beschleunigen. Und schliesslich sind die Bewertungen nicht generell hoch. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse für S&P 500 bzw. Euro STOXX beispielsweise liegen aktuell in der Nähe ihrer langfristigen Durchschnitte, und sind in einigen Bereichen des Marktes durchaus attraktiv.

Technologie-Sektor, Luxus und Gesundheit

Allerdings sollte man bei der Aktienauswahl auch im nächsten Jahr selektiv bleiben. Zyklische Werte beispielsweise, die besonders anfällig gegen konjunkturelle Risiken sind, sollte man meiden, und sich auf defensive Titel sowie aus unserer Sicht auf Qualitätsaktien und Wachstumswerte konzentrieren. Wir bevorzugen Unternehmen, die unter anderem eine hohe Kapitaleffizienz aufweisen, mässig verschuldet sind und an langfristigen Wachstumstrends teilhaben. Oddo BHF denkt hier vor allem an den Technologiesektor, insbesondere im Umfeld von künstlicher Intelligenz, aber auch an den Gesundheitssektor, der von demografischen Faktoren profitiert, oder an den Luxusgüterbereich, der von steigenden Einkommen in den Schwellenländern getragen wird.

Mehrere exogene Faktoren

Neben den Unsicherheiten über die wirtschaftliche Entwicklung sind auch für das Jahr 2024 einige exogene Faktoren zu bedenken. Der Krieg in der Ukraine und die Auseinandersetzungen in Gaza bleiben zentrale Risikofaktoren. Die Wahlen im Januar 2024 in Taiwan könnten zu erneuten Spannungen zwischen China und Taiwan führen.

Darüber hinaus steht uns vermutlich ein aufregendes Wahljahr in den USA bevor. Bei den Demokraten deutet alles auf eine erneute Kandidatur des amtierenden Präsidenten Joe Biden hin. Bei den Republikanern zeigen die Umfragen derzeit einen weiten Vorsprung von Donald Trump, der sich aber noch in mehreren Gerichtsprozessen verantworten muss. Seine Wahl im November 2024 könnte zu einer weiteren Polarisierung in den USA und einem Ende der amerikanischen Unterstützung für die Ukraine führen. Eine immer engere Integration Europas wäre die richtige Antwort auf die wachsenden geopolitischen Risiken, die die Volatilität an den Märkten im Jahr 2024 bestimmen werden.

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