Sind Immobilien trotz des Preisanstiegs in den letzten Jahren eine langfristig werterhaltende oder wertsteigernde Anlage?

In der Vergangenheit hat es sich ausgezahlt, in Immobilien zu investieren. Seit der Jahrtausendwende haben sich zum Beispiel die Preise für Wohneigentum verdoppelt, während der Landesindex für Konsumentenpreise (LIK) gerade mal um 15 Prozent anwuchs. Allerdings hätte man mit Aktien deutlich mehr verdienen können. Seit dem Jahr 2000 verdreifachte sich der Swiss Performance Index (SPI). Letztlich ist es eine Entscheidung, die jeder und jede für sich selber treffen muss, ob man in Immobilien investieren will.

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Was sind die Vorteile, wenn man in Immobilien investiert?

In der Regel sind es qualitative Gründe, weshalb man eine Immobilie kauft. Das heisst: Man erwirbt sie in den allermeisten Fällen, weil man sich eigene vier Wände wünscht und die Immobilie selbst bewohnen möchte. Im Gegensatz zu einem Mietverhältnis liegt der Vorteil darin, dass einem niemand dreinredet und einem nicht gekündigt werden kann. Während der Tiefzinsphase kam noch als weiterer Vorteil dazu, dass diese Wohnform historisch günstig war.

Und die Nachteile?

Wie es das Wort Immobilie sagt, ist man immobil, sofern man direkt in eine Liegenschaft investiert. Das heisst, in der Regel ist der grösste Teil des eigenen Kapitals für längere Zeit gebunden. Dazu kommen Nebenkosten und die Bildung von Rückstellungen für Abschreibungen. Wir sehen oft, dass diese Kosten deutlich unterschätzt werden. Mit zunehmendem Alter stellt sich auch die Tragbarkeitsfrage. Eine Auswertung des VZ zeigt, dass nur vier von zehn Hausbesitzern und -besitzerinnen finanziell so gutgestellt sind, dass sie auch nach dem Ende der Erwerbstätigkeit die Tragbarkeitskriterien der Banken erfüllen. Eine Hypothek ist nur dann tragbar, wenn Zinsen und Nebenkosten nicht mehr als einen Drittel des regelmässigen Einkommens ausmachen. Zu beachten ist, dass Banken stets mit dem kalkulatorischen Zinssatz von 5 Prozent rechnen. Die sinkenden Renten und die gestiegene Inflation verschärfen das Problem zusätzlich.

Immobilienexperte

Name: Karl Flubacher

Funktion: Geschäftsleiter Region Nordwestschweiz und Westschweiz, VZ Vermögenszentrum

Alter: 46 Jahre

Ausbildung: Uni BS, lic. rer. pol.

Viele Versicherte sind schon indirekt über die Pensionskasse stark in Immobilien investiert. Inwieweit fliesst das in die persönliche Vorsorgeberatung ein?

Tatsächlich haben viele Schweizerinnen und Schweizer oft zwei Übergewichte in ihrem Vermögen: Das in der Pensionskasse angesparte Geld sowie die eigene Immobilie. Zusätzlich ist man auch in der Pensionskasse oftmals mit einem nicht zu vernachlässigenden Anteil in Immobilien investiert. Im Jahr 2022 betrug bei Pensionskassen der durchschnittliche Anteil von Immobilienanlagen über einen Viertel. Allein deshalb lohnt es sich, auf eine ausreichende Diversifikation der Vorsorgegelder zu schauen, auch unter Berücksichtigung der eigenen Risikofähigkeit und des Anlagehorizonts.

«Während des Berufslebens sollte man keine PK-Gelder beziehen.»

Wie sollen Privatpersonen investieren?

Grundsätzlich gilt, dass man während des Berufslebens nicht Pensionskassengelder beziehen soll, um Wohneigentum zu kaufen. Wie der «PK-Barometer» des VZ eindrücklich illustriert, gehen die Leistungen aus der Pensionskasse seit Jahren zurück – und zwar stärker als von den Versicherten erwartet. Wenn man zusätzlich zum sich verschlechternden Umfeld noch Geld herausnimmt – und das sind meist erhebliche Beträge –, muss man genügend Disziplin haben, diese zurückzuzahlen. Dazu kommt, dass das Zinsumfeld deutlich anspruchsvoller geworden ist, wie die vergangenen Monate zeigen. Umso wichtiger ist es, dass man beim Kauf einer Immobilie konservativ und mit Reserven rechnet, um später keine negativen Überraschungen zu erleben.

Soll man sich ein Stockwerkeigentum oder gleich ein Haus kaufen?

Das ist vor allem eine Frage des persönlichen Lebenszyklus. Nach einer Familiengründung kann ein Haus durchaus interessant sein, weil man so mehr Platz für alle Familienmitglieder hat. Sobald aber die Kinder in ein Alter kommen, in welchem sie aus dem Elternhaus ausziehen und man selber sich dem Pensionsalter nähert, kann die Grösse zu einem Nachteil werden. Ein Haus führt zu einem entsprechenden Unterhaltsaufwand. Oftmals ist es auch nicht alters- oder rollstuhlgerecht. Vor einem Kaufentscheid sollte man deshalb alle Aspekte in die Entscheidung einfliessen lassen.

Wenn man eine Liegenschaft kauft, kann man sie entweder selbst bewohnen oder vermieten. Was spricht für das eine, was für das andere?

In vielen Fällen dominiert der Wunsch, in den eigenen vier Wänden wohnen zu können. Da stellt sich die Frage nach einer Vermietung gar nicht. Ob es sich wirklich lohnt, der Rendite wegen eine Liegenschaft zu kaufen, ist hingegen fraglich – vor allem in Zeiten steigender Zinsen. Der Aufwand als Vermieter ist erheblich: Bei einem Mieterwechsel gilt es alles zu managen, bei einer Veränderung des Referenzzinssatzes muss man den Mietzins entsprechend anpassen. Und geht beim Mieter an einem Sonntag etwas kaputt, erwartet er eine schnelle Fehlerbehandlung. Wer hingegen meint, man könne diesen Aufwand einer Verwaltung übertragen, nimmt eine massive Renditeeinbusse in Kauf.

Ist der Kauf eines Immobilienfonds oder einer Immobilienaktie eine Alternative?

Bei einer Immobilie, die schnell einmal 1,5 Millionen Franken kosten kann, ist der Einsatz von eigenem Kapital massiv. Viele haben Mühe, so viel Kapital überhaupt aufzubringen. Je nach Ausgangslage kann es sinnvoller sein, an der Börse in Wertschriften zu investieren, und zwar wenn immer möglich mit passiv verwalteten Fonds (ETFs) zu möglichst günstigen Kosten. Wenn immer man auf das Geld angewiesen ist, kann man Wertschriften bei einem Liquiditätsbedarf viel einfacher und günstiger veräussern als eine Immobilie. Bei dieser fallen Nebenkosten und verschiedene Steuern an, Kursgewinne bei Wertschriften sind hingegen steuerbefreit.

Dieses Interview ist erstmals erschienen am 30.11.23 im HZ Insurance Print-Special Finanzplanung/Vorsorge.