Herr Kobler, wie sieht es mit dem aktuellen Transformationsstand im Schweizer Bankensektor aus?

Der Schweizer Bankensektor befindet sich inmitten einer wegweisenden Transformation, die vom technologischen Fortschritt sowie stetig wachsenden Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden angetrieben wird. Grössere Schweizer Banken, welche auch international operieren, haben bereits erhebliche Investitionen in digitale Plattformen getätigt und setzen zunehmend auf Technologien wie künstliche Intelligenz (KI), Blockchain und Datenanalyse, um ihre Geschäftsmodelle zu modernisieren und effizienter zu gestalten.

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Vor allem KI hat das Potenzial, einen erheblichen Teil der Aufgaben für Arbeitnehmende im Bankbereich zu automatisieren und zu ergänzen. Dies kann bis zu 30 Prozent Produktivitätsverbesserung umfassen, aber auch einen messbaren Mehrwert für den Endkunden generieren. In diesem Zusammenhang projizieren wir, basierend auf unseren Accenture-Studien, bis zu 600 bps Umsatzwachstum. Neben diesen Banken sind mittlerweile auch schweizweit und regional tätige Banken, die stärker auf das traditionelle Filialgeschäft angewiesen sind, aktiv dabei, ihre digitalen Angebote auszubauen.

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Welche Auswirkungen haben steigende Zinsen auf das Bankwesen und wie können Banken darauf reagieren?

Viele Kundinnen und Kunden in der Schweiz haben sich die letzten Jahre daran gewöhnt, sehr niedrige Zinsen für ihre Hypotheken und andere Kredite zu zahlen, und könnten deshalb Schwierigkeiten haben, sich mit den höheren Zinsen zu arrangieren. Banken können hier reagieren, indem sie ihre Risikomanagement-Strategien anpassen und versuchen, ein ausgewogeneres Portfolio von Bilanzpositionen zu halten.

Banken in der Rolle von Beratern für Kundinnen und Kunden sollten versuchen, ihre Kundschaft besser über die möglichen Auswirkungen von Zinserhöhungen zu informieren, und ihnen dabei helfen, geeignete und vor allem personalisierte Strategien zur Bewältigung dieser Risiken zu entwickeln, beispielsweise durch Diversifikation des eigenen Portfolios. Darüber hinaus sollten Banken ihre eigene Abhängigkeit vom Zinsgeschäft verringern, indem sie andere Einnahmequellen erschliessen, beispielsweise durch die Erweiterung des Angebots an gebührenbasierten Dienstleistungen oder durch die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, die weniger zinsabhängig sind.

Wie wichtig ist respektive wird die Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen?

Die Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen wird immer wichtiger, insbesondere in einer Zeit, in der Kundinnen und Kunden zunehmend massgeschneiderte Lösungen erwarten, die ihren individuellen Bedürfnissen und Präferenzen entsprechen. In der Schweiz haben viele Banken bereits erkannt, dass die Personalisierung ein Schlüsselfaktor für ihren zukünftigen Erfolg ist. Sie investieren daher in Datenanalyse- und KI-Technologien, um ihre Kundschaft besser zu verstehen und ihr personalisierte Produkte und Dienstleistungen anbieten zu können. Trotz dieser Fortschritte bleibt noch viel zu tun.

Die Personalisierung erfordert nicht nur technologische Investitionen, sondern auch eine Änderung der Unternehmenskultur und der Arbeitsprozesse. Insbesondere kleinere Banken werden Mühe haben, die Investitionen zu skalieren, um eine positive Werterbringung über die Zeit für ihre Shareholders zu generieren, da die technologiegetriebene Personalisierung relativ zur Institutsgrösse signifikante Investitionen erfordert.

Welche Wertschöpfungsmöglichkeiten bringt generative KI für Banken mit sich?  

Generative KI bietet Banken ein grosses Potenzial entlang der gesamten Bankenwertschöpfungskette, für Early Adopter kann die Wertschöpfung hier in den nächsten drei Jahren zwischen 22 und 30 Prozent gesteigert werden. Besonders bei der Produktentwicklung, dem Risikomanagement, dem Kundenservice und der Betrugsprävention, aber auch in der Operations- und der Softwareentwicklung kann KI einen erheblichen Mehrwert bieten.

In der Produktentwicklung kann generative KI dazu verwendet werden, neue Finanzprodukte zu entwickeln oder bestehende Produkte zu verbessern. Durch die Analyse von Kundendaten kann die KI beispielsweise herausfinden, welche Produktmerkmale besonders beliebt sind und Vorschläge für neue Produkte machen, die auf diesen Erkenntnissen basieren.

Im Bereich des Risikomanagements kann generative KI Muster in den Daten erkennen, die auf potenzielle Risiken hinweisen, und Vorhersagen darüber treffen, wie sich diese Risiken in der Zukunft entwickeln könnten. Banken könnten ausserdem ihren Kundenservice mithilfe von generativer KI aufwerten, beispielsweise in Form von personalisierten Antworten auf Kundenanfragen oder automatisierten Beratungsdiensten.

Insgesamt bietet KI den Banken eine Vielzahl von Möglichkeiten, um eigene Prozesse zu optimieren und der Kundschaft bessere Dienstleistungen anzubieten. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Technologie in Zukunft weiterentwickeln wird und welche neuen Anwendungsbereiche sich ergeben werden. Insbesondere wird sich auch die Regulation noch zu Wort melden und auch die Anbindung von externen Daten und deren Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit muss noch weiter vertieft werden.

Welche neuen Risiken erwarten Sie?

Mit der fortschreitenden Digitalisierung und Transformation des Bankensektors kommen auch neue Risiken auf die Banken zu. Zunächst besteht das Risiko von Cyberangriffen, da die Abhängigkeit von digitalen Technologien zunimmt. Diese Angriffe können nicht nur finanzielle Verluste verursachen, sondern auch das Vertrauen der Kundinnen und Kunden in die Bank untergraben. Auch die Implementierung neuer Technologien birgt immer das Risiko von Fehlern oder Störungen, die den Betrieb der Bank beeinträchtigen können.

Zudem werden die regulatorischen Anforderungen im Bankensektor immer komplexer und strenger, vor allem im Bereich Datenschutz und Cybersicherheit. Dies erhöht das Risiko von Compliance-Verstössen und den damit verbundenen Strafen. Schliesslich leben wir in einer Zeit, in der Informationen in Echtzeit verbreitet werden.

Ein einziger Vorfall – sei es ein Sicherheitsverstoss, ein Skandal oder ein schlechter Kundenservice – kann die Reputation einer Bank erheblich schädigen. Der Schweizer Bankensektor spielt eine zentrale Rolle in der Wirtschaft, und hohe Standards in Bezug auf Sicherheit, Qualität und Vertrauenswürdigkeit werden vorausgesetzt. Es ist daher wichtig, dass Banken diese Risiken weiterhin ernst nehmen und Massnahmen ergreifen, um sie zu minimieren.

Wie können Banken ihre Kundinnen und Kunden bei der Bewältigung dieser neuen Risiken unterstützen?

Zunächst können Banken ihre Kundschaft über die Risiken informieren, die mit der Nutzung von digitalen Dienstleistungen verbunden sind, insbesondere im Bereich Cybersicherheit. Dies kann durch Schulungen oder Informationsmaterialien erfolgen. Darüber hinaus können Banken in verbesserte Sicherheitsmassnahmen investieren, wie beispielsweise in die Einführung von Zwei-Faktor-Authentifizierung, Verschlüsselungstechnologien oder fortschrittliche Betrugserkennungssysteme. Dadurch wird das Risiko von Sicherheitsverstössen minimiert und das Vertrauen der Kundinnen und Kunden gestärkt.

Bei einem Sicherheitsvorfall ist es möglich, dass Banken ihren Kunden Unterstützungsdienste anbieten, beispielsweise Hilfe bei der Wiederherstellung ihrer Konten oder Unterstützung bei der Meldung von Betrugsfällen. Schliesslich können Banken ihre Produkte und Dienstleistungen so gestalten, dass sie den spezifischen Risiken und Bedürfnissen von Kundinnen und Kunden Rechnung tragen, beispielsweise indem sie Versicherungsprodukte anbieten oder Sparprodukte entwickeln, die den Kundinnen und Kunden helfen, sich gegen Zinsschwankungen abzusichern. Dadurch können Banken ihre Kundschaft dabei unterstützen, die finanzielle Sicherheit zu erhöhen und die Risiken zu minimieren.

Wie wichtig ist die Modernisierung der Kernsysteme für den zukünftigen Erfolg von Banken? 

Die Modernisierung der Kernsysteme ist von entscheidender Bedeutung für den zukünftigen Erfolg. In Zeiten, in der Digitalisierung, Datenanalyse und künstliche Intelligenz immer wichtiger werden, können veraltete Systeme Banken dabei einschränken, mit den Veränderungen Schritt zu halten. So können sie die Einführung neuer Technologien erschweren, die Effizienz verringern und das Risiko von Systemausfällen erhöhen. Die Modernisierung ihrer Kernsysteme erlaubt es Banken, diese Herausforderungen zu bewältigen und eine Reihe von Vorteilen zu nutzen, beispielsweise erhöhte Agilität durch moderne und schnelle Infrastruktur, eine verbesserte Kundenerfahrung via App oder Online-Banking sowie eine erhöhte Personalisierung für die Kundinnen und Kunden.

Das Interview wurde schriftlich geführt.