Dominic Böhm, was sind die wichtigsten Herausforderungen im Schweizer Bankwesen?

Als Allererstes sicher das Vertrauen, die CS hat das eindrücklich vor Augen geführt. Ohne Vertrauen gibt es kein gesundes Banking. Am Ende schaffe ich Vertrauen durch Begegnungen, durch Nähe, durch Transparenz. Vieles hat mit Kommunikation zu tun.

Vertrauen muss man sich erarbeiten und hart verdienen. Dabei hilft uns die wichtige Kundennähe, die überschaubare Grösse, das einfache Geschäftsmodell und die Gesellschaftsform als Genossenschaft. Wir leben genossenschaftliche Werte wie Optimierung vor Maximierung, Partnerschaft auf Augenhöhe, Bescheidenheit aus Überzeugung. 

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Mehr Regulierung kann zu höherem Vertrauen führen. Viele kleine Banken haben Angst vor mehr Regulierung, Sie auch?

Nein, das ist keine Sorge. Regulierung ist wichtig. Ich bin überhaupt nicht gegen Regulierung. Aber ich glaube, im Sinne der Proportionalität, dass man die Grösse, das Geschäftsmodell und die Gesellschaftsform einer Bank berücksichtigen muss. Bei einer Regionalbank, einer Genossenschaftsbank wie wir, gibt es ganz viele Beispiele, wo ich persönlich merke: Die Regulierung bringt keinen Mehrwert im Sinne von mehr Sicherheit, aber verursacht bei uns einen wesentlichen Mehraufwand. Und ich glaube, für die Banken – gerade in unserer Grösse – , darf es nicht zu einer Regulierungsflut kommen. Wir müssen die Auflagen bewältigen können, sodass diese nicht zu viel auf die Kosten drücken. Und das ist für uns definitiv eine grosse Herausforderung. 

Gibt es weitere Herausforderungen?

Der ganze Umgang mit Zinsen. Geld hat wieder einen «Wert». Sowohl die Bank, die Mitarbeitenden, die Führung, auch Kundinnen und Kunden müssen wieder lernen, mit positiven Zinsen umzugehen. Wir sind rund zehn Jahre in dieser Negativzinszeit gewesen. Cash-Handling ist wieder ein Thema. Lege ich einen Teil meines Geldes aufs Sparkonto mit einer geringeren Rückzugsmöglichkeit, bekomme aber dafür mehr Zins? Oder lasse ich mein Geld auf dem Transaktionskonto, mit tieferem Zins? Zeichne ich Kassenobligationen mit einem längeren Anlagehorizont? Das sind eigentlich banale Überlegungen – und doch müssen wir uns wieder daran gewöhnen. 

Besonders junge Kundinnen und Kunden müssen das jetzt lernen …

Ja, eine ganze Generation muss das lernen. Ich glaube, dort haben wir eine grosse Herausforderung – einerseits in der Kundenkommunikation, andererseits auch bankintern. 

Und welchen Punkt sehen Sie ausserdem als Herausforderung an?

Eine grosse Herausforderung ist der ganze Kampf um Passivgelder. Ich kann es nicht anders nennen. Einige Banken haben sich in der Tiefzinsphase nicht sehr um Kundeneinlagen bemüht, sondern sie eher weggewiesen. Und heute rennen wir alle diesen Passivgeldern hinterher.

Haben Sie damals Kunden oder Kundinnen abgewiesen?

Nein. Als Genossenschaftsbank haben wir bewusst eine andere Strategie gefahren, nie negative Zinsen verlangt und so Kundinnen und Kunden behalten und dazugewonnen. Natürlich hat uns das Geld gekostet. Doch wir sind überzeugt, dass uns das unsere Kundschaft nicht so schnell vergisst. Wir leben genossenschaftliche Werte. 

Profitiert die Bezirks-Sparkasse Dielsdorf heute davon?

Wir profitieren schon noch davon. Viele Kundinnen und Kunden erinnern sich zum Glück daran. Aber am Schluss ist es auch eine Frage des Preises: Es gibt natürlich auch Kundschaft, die sehr preissensitiv ist.

Studien sagen, Schweizer Bankkundinnen und Bankkunden seien ziemlich träge, was Bankwechsel anbelangt. Was ist Ihr Eindruck?

Ich kann nicht beurteilen, wie das bei einem grösseren, unpersönlicheren, urbanen Institut ist. Aber bei uns, wo wir mit ganz vielen Kundinnen und Kunden persönliche Kontakte pflegen, sie zum Teil seit Generationen betreuen, ist die Wechselbereitschaft sehr tief. 

Kommt für die Bezirks-Sparkasse Dielsdorf eine Zusammenarbeit mit anderen Finanzinstituten infrage?

Nein, wir sind überzeugt, über die kritische Grösse zu verfügen, um alleine unterwegs zu sein. Wenn ich mir unser Marktgebiet anschaue, gibt es gar kein Institut, das ich spannend genug fände. Eine Fusion ist für uns momentan kein Thema.

Fintechs fordern Bankhäuser heraus. Sehen Sie Fintechs als Bedrohung für traditionelle Banken?

Viele unserer Kundinnen und Kunden haben eine zweite oder dritte Bank. Ich habe eingangs gesagt, dass Banking viel mit Vertrauen zu tun hat. Als Schweizer Bank mit langjähriger Tradition, 187 Jahren in unserem Fall, haben Kundinnen und Kunden ein anderes Vertrauen zu uns als zu einem jungen Fintech. Ich bin überzeugt, dass die Geschäfte im klassischen Banking bleiben werden. Wir leben von persönlicher Nähe und Beratung. Viele Kundinnen und Kunden schätzen das sehr.

Sie haben keine Angst, dass Fintechs Ihnen die Substanz abgraben? 

Nein.

Sind KI und die Digitalisierung bei Ihnen in Dielsdorf ein Thema? Bietet KI Chancen?

Selbstverständlich ist künstliche Intelligenz ein Thema. Für uns als kleine Bank ist es unmöglich, First Mover zu sein. Wir müssen uns auf eine Follow-up-Strategie einstellen. Als mittelgrosse Regionalbank sind wir bewusst und aus Überzeugung Teil des Esprit-Netzwerks. Zusammen mit 24 anderen Regionalbanken unterschiedlicher Grösse profitieren wir natürlich von Skaleneffekten. Als Esprit-Community werden wir Wege finden, wie wir KI kosteneffizient nutzen können. Doch der Nutzen ist nur die eine Seite, die Gefahren sind die andere. Ich denke hier vor allem auch an Cyberrisiken. Wir Bankmanager müssen auf beiden Seiten wachsam sein.

Haben Sie denn für Betrugserkennung (Fraud Detection) schon ein KI-Tool installiert?

Nein, wir als mittelgrosse Regionalbank selber nicht – bei dem wichtigen Thema dürfen wir uns auf unsere erfahrenen und kompetenten Produktpartner und -lieferanten verlassen. Selbstverständlich werden unsere Mitarbeitenden regelmässig geschult bezüglich Fraud Detection.  

Gibt es schon sonstige KI-Anwendungen?

Wir haben eine Anwendung, die wir in der Esprit-Community sehr konkret prüfen. Bei der Kreditverarbeitung wollen wir die ganzen elektronischen Kreditdossiers mittels KI effizienter bearbeiten.

Um im Backoffice die Effizienz zu steigern?

Genau. Ich bin auch überzeugt davon, dass wir die ersten Anwendungsfälle in den verarbeitenden Einheiten haben werden. Hier kann man Effizienz gewinnen. Hingegen eine Beratungs-KI auf die Kundschaft loszulassen, wird sicher nicht unser erster Schritt sein.  

Anders als bei Versicherungen, die KI-Tools bereits via Chatbot verwenden?

(schmunzelt) Ja. Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden persönlich beraten.

Haben Sie eine KI-Strategie?

Nein. Beim Thema KI und Digitalisierung sind wir im Esprit-Netzwerk eingebunden und bringen dort unsere Bedürfnisse aktiv ein.

Gibt es noch andere Partnerschaften?

Wir haben uns bewusst dazu entschieden, eine vollwertige Bank bleiben zu wollen und uns nicht als blosse Vertriebsorganisation weiterzuentwickeln. Das bedeutet: Kernbankenthemen bleiben inhouse. Deshalb sind wir zurückhaltend, was das Outsourcing anbelangt. Dennoch gibt es ein paar Beispiele für Zusammenarbeit mit externen Spezialisten: Wir sind ein grosser Vermieter im Zürcher Unterland und haben rund hundert  Wohneinheiten. In diesem Bereich arbeiten wir mit einer externen Liegenschaftenverwaltung zusammen. Ausserdem haben wir eine Partnerschaft im Legal- und Compliance-Bereich. Zudem haben wir beispielsweise im Anlagebereich kein eigenes Research-Team und kaufen die Finanzinformationen daher über das Esprit-Netzwerk extern ein. Und relativ neu ist die Zusammenarbeit mit der Finlog im Zahlungsverkehr seit Mitte 2023. 

Bewährt sich diese Zusammenarbeit?

Ja, das funktioniert gut und ist effizient und effektiv.

Warum tun sie sich trotzdem schwer, Dienstleistungen auszulagern?

Als Regionalbank stellt sich immer die Frage, wie viel Kundennähe ich durch Auslagerungen verliere. Der Zahlungsverkehr wird in diesem Sinne nicht direkt mit Kundennähe in Verbindung gebracht. Dennoch ist das bei uns der Fall.

Können Sie das erläutern?

Wenn etwa bei einem Zahlungsauftrag einer älteren Dame oder eines älteren Herrn ein Problem auftritt, kann ich das Telefon in die Hand nehmen und mit der Person, die ich vielleicht sogar aus dem Dorf kenne, klären. Wenn der Auftrag hingegen in ein Verarbeitungszentrum geht, wird er einfach zurückgeschickt. Für uns war es deshalb wichtig, einen Weg mit unserem Partner zu finden, um unserer Kundschaft bei Problemen beistehen zu können, gleichzeitig aber effizienter zu werden. 

Wie haben Sie beides unter einen Hut gebracht? 

Wir definieren die Exceptions relativ eng. Problemfälle kommen zurück zu uns. So können wir immer noch den Hörer in die Hand nehmen, um unsere Kundinnen und Kunden persönlich zu kontaktieren.

Haben Sie als CEO ein persönliches Ziel für dieses Jahr?

Wir sind seit rund fünf Jahren an einem Neubauprojekt für unseren neuen Hauptsitz. Der Gestaltungsplan liegt derzeit beim Kanton zur Bewilligung. Noch haben wir kein finales Okay erhalten. Parallel dazu haben wir letztes Jahr einen Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Die Projektstudien liegen seit Spätherbst 2024 vor. Jetzt folgen das Vor- und Bauprojekt, dann die Realisierung. Ausserdem passen wir noch in diesem Jahr die Organisation der Bezirks-Sparkasse Dielsdorf an und werden neu vier Geschäftsleitungsbereiche haben. Ein solcher Change-Prozess fordert von der gesamten Belegschaft eine hohe Flexibilität und bringt gleichzeitig viele Entwicklungschancen mit sich. Ich freue mich auf diese Arbeit.

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Die Bezirks-Sparkasse Dielsdorf
  • Gründungsjahr: 1837
  • Genossenschaft

  • Bilanzsumme in Millionen Franken: 1719 per 31.12.2023
  • Kundinnen und Kunden: rund 23’000 aktive Kundenstämme
  • Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region:
Kerngebiet: Bezirk Dielsdorf und angrenzende Bezirke; erweitertes Geschäftsgebiet: Kanton Zürich und Bezirke Bremgarten/Muri im Kanton Aargau sowie die Gemeinden Buchberg und Rüdlingen im Kanton Schaffhausen.
  • Was ist an der Bezirks-Sparkasse Dielsdorf im Vergleich zu anderen Banken speziell (Alleinstellungsmerkmal)?
Wir sind persönlich und vor Ort für unsere Kundschaft da (physische Präsenz, Bargeldschalter aus Überzeugung et cetera, wir leben unsere genossenschaftlichen Werte, Beständigkeit und Konstanz (langjährige, treue Kundschaft, stabiles Mitarbeitendenumfeld), regionales Engagement (Vereine, Sponsoring, öffentliche Anlässe et cetera), kein Genossenschaftskapital (100 Prozent Eigenfinanzierung).
Zur Person Dominic Böhm
  • Seit wann sind Sie CEO Ihrer Bank? 2019
  • Höchste/letzte Ausbildung? MAS in Banking an der Universität in Bern
  • Alter: 46
  • Persönliche Interessen: Familie
und Sport