Der Aufschrei war gross. Der Schweizer Rechtsstaat wurde infrage gestellt, die «Bananenrepublik» bemüht und Bankenregulatoren auf der ganzen Welt sahen sich bemüht, festzuhalten, dass sich nichts geändert hatte, obwohl es gerade so aussah.

Was war passiert? Im Rahmen der Rettung (oder Verwertung) der Credit Suisse beschloss der Bundesrat, sogenannte AT1-Obligationen im Wert von 16 Milliarden Franken auf null abzuschreiben und so das Kapital der Credit Suisse zu stärken. Aus Schulden wird Eigenkapital, die Obligationäre verlieren alles.

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Von einer Umkehrung der Haftungskaskade war da plötzlich die Rede, weil Obligationäre zur Kasse gebeten werden, noch bevor Aktionäre formell enteignet wurden. Von «Skandal» ist die Rede und davon, die Eidgenossenschaft zu verklagen. «Sie haben die Regeln geändert und letztlich 16 Milliarden Anleihen gestohlen», schimpft Davide Serra, Gründer und CEO der Algebris Investors.

Doch ist das wirklich so? Oder haben die Investorinnen und Investoren einfach nicht geprüft, was sie da – mit Blick auf sehr hohe Zinsen – in ihre Depots nahmen? Manch einer, der jetzt aufschreit, wäre lieber etwas stiller.

Mal davon abgesehen, ob bei der Umsetzung der Transaktion Formfehler begangen wurden; wer die Bedingungen dieser Obligationen studierte, wurde klar auf die Risiken hingewiesen. Nicht im Kleingedruckten, sondern gleich zu Beginn und fett markiert: Im Krisenfall werde der ausstehende Betrag «automatisch und dauerhaft auf null abgeschrieben».

Weder die CS noch sonst jemand hat verschwiegen, dass sich diese Oblis in Nichts auflösen können, wenn die Bank saniert werden muss. Auch dass dies bei einer ausserordentlichen Staatshilfe der Fall ist, ist klar in den Unterlagen beschrieben. Wer heute so tut, als wäre das nicht bekannt gewesen, handelt unredlich.

«Solche Obligationen wurden mit jährlichen Coupons von 6 bis 9 Prozent ausgegeben, und das in Zeiten von Negativzinsen. Jedem musste klar gewesen sein, dass das nicht gratis ist.»

Ja, bis vor kurzem hätte kaum einer gedacht, dass der Fall auch eintreten würde. Aber genau deshalb wurden solche Anleihen ausgegeben. Um sich für das Schlimmste zu wappnen. Und dieses Schlimmste ist jetzt passiert. Solche Obligationen wurden mit jährlichen Coupons von 6 bis 9 Prozent ausgegeben, und das in Zeiten von Negativzinsen. Jedem musste klar gewesen sein, dass das nicht gratis ist.

Dass die Wandlung international für Aufruhr sorgte, ist verständlich, auch wenn es dafür technisch keinen Grund gibt. Denn offenbar hat die Schweiz hier einen etwas anderen Weg gewählt als andere Länder.

Offenbar ist nur hierzulande vorgesehen, dass die Bonds auch dann wertlos werden können, wenn es «bloss» eine Staatshilfe gibt. Auch mag es Verwirrung geben, weil bei anderen AT1-Anleihen keine Selbstzerstörung, sondern eine Wandlung in Aktien vorgesehen ist. Dann bekommen die Obligationäre zumindest noch was ab und die Aktionäre müssen über die Verwässerung mitleiden.

Dass erst die Aktionäre bezahlen müssten und erst dann die AT1-Obligationäre, gehört hingegen ins Reich der Märchen. Denn es war ja gerade Sinn und Zweck dieser Anleihen, den Firmen Kapital zu verschaffen, bevor diese in den Konkurs geschickt werden müssen.

Normalerweise werden diese Obligationen nur gewandelt, wenn die Firma eine gewisse Eigenkapital-Ausstattung unterschreitet. Der Sonderfall Schweiz besteht darin, dass die Wandlung schon früher stattfinden kann, wenn die Aufsicht der Meinung ist, dass die Bank ohne Staatshilfe nicht überleben kann. Ja, das schwächt die Position dieser Obligationäre zusätzlich. Aber es ist keine Umkehrung der Logik. 

Es ist richtig, dass Regulatoren weltweit betonen, dass die Schweiz hier einen Sonderfall darstelle. Es ist richtig, dass man Anleger beruhigt, die in weniger toxische Anleihen investiert haben. Doch das soll niemandem eine Ausrede sein, sich mit Blick auf die Wandlung über die Credit Suisse oder den Schweizer Staat zu beklagen. Die Anleger haben die Rendite gesucht und das Risiko genommen. Nun hat sich das Risiko manifestiert.

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