Bankette sind mir lieber als Banken. Grossbanken sind mir nicht ganz geheuer. Beruflich interessieren mich das wirtschaftliche Biotop der Innenstadt, die industrielle Schönheit der Liefer-Logistik, die Disruptionskraft eines Startups und der Umsatz pro Quadratmeter mehr als die wundersame Welt der Credit Default Swaps.  

Aber selbst als Nicht-Banking-Insider kann man etwas lernen. Viel zu holen gab es diesbezüglich am vergangenen Wochenende. Der Showdown um eine Schweizer Krankbank hat mir zu diesen sechs Learnings verholfen.    

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1. Ein Wort: Public Liquidity Backstop  

Bis gestern Sonntagabend hätte ich bei diesem Wort eher auf einen verrückten Snowboard-Trick als auf einen Banken-Fachterminus getippt. Jetzt weiss ich es besser: Ein Public Liquidity Backstop ist eine Art politisches Instrument, damit wildgewordene Banker nicht aus der Halfpipe schiessen und dabei so grob in die Zuschauermenge fallen, dass die Hälfte eines Bergdorfes invalid wird.  

Der Public Liquidity Backstop ist, wenn ich das richtig verstanden habe, eine staatliche Geldpumpe, mit der Bund und Nationalbank die Liquidität einer systemrelevanten Bank sicherstellen können. Das Wort nehme ich ab sofort in mein Repertoire auf.  

Das Wort:  Wenn ich nächstes Mal vor einer Auslandreise eine Extramenge Geld von meiner eisernen Reserve auf meine Neo-Kreditkarte transferiere, werde ich leise murmeln: PLB, Public Liquidity Backstop.    

2. Eine Einsicht: Angelsachsen im A-Team

Schweizer Medienschaffende waren seit Freitagabend im Dauereinsatz: Geht die CS global rumpelnd unter, übernimmt wirklich die UBS oder werden Eschers Erben von einem anderen Master of the Universe eingetütet? Die heissesten Spuren legten dabei aber selten die Schweizer – sondern die Angelsachsen.

Gewisse Damen und Herren von «Financial Times», «Bloomberg» und «Wall Street Journal» schienen zeitweise quasi mit am Tisch zu sitzen. Oder sie werteten die Papierkörbe einfach besser aus.  

Die Einsicht: Wenn sich auf dem hiesigen Bankenplatz gewaltige Dinge tun, liegt die Medien-Deutungshoheit offenbar ausserhalb der Landesgrenzen.  

3. Ein Gefühl: Switzerland works  

Die Mutter aller Wirtschaftspleiten bleibt für mich – aufgezogen und sozialisiert am Flughafen Kloten – das Grounding der Swissair im Jahr des Herrn 2001. Vor 22 Jahren ging für mich nicht nur eine Airline unter, sondern auch eine Gewissheit: Selbst das, was man für ewige Zeiten als gegeben anschaut, kann innert verblüffend kurzer Zeit verdampfen und vergehen.  

Verbunden mit dem Grounding war damals auch das Gefühl, dass der scheinbar ewige Terminus des «Switzerland works» nicht mehr galt. Plötzlich zeigte sich, dass die Schweiz auch mal nicht funktionieren kann. Im Hochfinanz-Showdown vom Wochenende, das war sogar mir als Banken-Laie klar, ging es darum, der Welt und der Schweiz bis Sonntagabend eine Lösung zu präsentieren. Weil sonst das, was man in dieser Szene raunend als «die Märkte» apostrophiert, ab Montagmorgen verrücktgespielt hätten. Die Gefahr bestand, dass eine Schweizer Krankbank weitere Finanz-Schwergewichte ins Taumeln hätte bringen können.

Dieses Mal galt: Die Schweiz funktioniert. Per Sonntagabend wurde eine Lösung präsentiert. Ist es die beste Lösung? Das müssen die Banken-Profis beurteilen.

Das Gefühl: Wenn es sein muss, funktioniert die Schweiz. Und: Die Hochfinanz ist wichtiger als (fast) alles andere.    

4. Ein Genuss: Switzerland speaks  

Man spricht Französisch, man spricht Deutsch: So kannte ich das von bundesrätlichen Pressekonferenzen. Aber Landesmütter und -väter, die plötzlich in die Business-Sprache Englisch switchen – das war mir neu. Sie taten dies am Sonntagabend einfach so, ohne dass es von einem Bundesweibel angekündigt wurde.

Als Schweizer hat man mit den Fremdsprache-Darbietungen seiner Magistraten ja so seine Erfahrungen. Eher cringe waren diesbezüglich die Auftritte von alt Bundesrat Ueli Maurer. Aber die Key-Player im aktuellen Siebner-Team performen gut. Alain Berset mit jenem betörenden französischen Akzent, das jedem Wort etwas Côte d’Azur und bretonischen Austernschmaus einhaucht. Im tadellosen Englisch von Finanzministerin Karin Keller-Sutter glaubte ich noble Oxford-Noten und eine Prise Ascot-Rennwoche herauszuhören. Well done, Federal Council.

Der Genuss: Für diesen Bundesrat muss ich mich nicht schämen. Mindestens, wenn es um Sprachkompetenz geht.  

5. Eine Befürchtung: Gier kann man nicht wegregulieren  

Für viele mag das Elend der Credit Suisse mit der härtesten Ausprägung der Gierbanken-Schweiz zusammenhängen. Mit Dingen, die doch eigentlich gar nicht passen zur original schweizerischen «No-Bullshit»-Einstellung: Der Mut zu Risikogeschäften, die spektakulär schieflaufen. Oder, wie es Banken-Insider Dagobert Duck sagen könnte: Deals im Bereich der Fantastilliarden, für die sich gewisse Manager mit Fantastillionen belohnen.  

Mit den Entscheidungen, die am Sonntagabend publik wurden, scheint das Schlimmste fürs Erste gebannt. Klug geworden aus der Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008, haben Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik und Behörden die Regulierung von Banken verschärft. Trotzdem werden Banken auch weiterhin nur von Menschen geführt. Was die Gefahr birgt, dass uns irgendwann wieder Finanzkrisen ereilen, von denen keiner etwas gewusst haben wollte. Auch deshalb, weil das in der DNA der Hochfinanz so drinsteckt: Aus viel Geld noch mehr Geld machen. 

Die Befürchtung: Eine Grossbank wird in eine andere Grossbank eingemeindet. Politik und Behörden lernen daraus und verschärfen die Regulierung. Aber die Gier kann man nicht wegregulieren.

6. Eine Gewissheit: Vertrauen ist die härteste Währung  

All die Fach-Termini der Hochfinanz lassen mich oft sprachlos zurück. Da wird viel technokratisches Wording montiert für Vorgänge, die keiner versteht, der nicht mindestens sieben Semester am Paradeplatz campiert hat.  

Müsste eine Bank nicht einfach zwei Dinge tun? Einerseits Gelder ihrer Kunden sorgfältig betreuen und anderseits Menschen und Firmen mit Krediten versorgen? Vielleicht wäre das zu langweilig. Oder zu wenig geldgenerierend. Oder beides zusammen. Wahrscheinlich zeigt diese banale Annahme meinen Status als Banking-Bildungsferner.

Am Schluss aber, scheint mir, geht es selbst im Banking um etwas ganz Banales. Um etwas, das man auch aus der Scheidungs-Forschung gut kennt: Wenn das Vertrauen nicht mehr da ist, kann alles schief gehen. Das zeigte sich vor wenigen Tagen: Selbst als der Credit Suisse ein Rettungsring von 50 Milliarden Franken zugeworfen wurde, half das nicht mehr. Hoffentlich sorgt nun mindestens der Public Liquidity Backstop wieder für ein Grundgefühl der Verlässlichkeit.  

Die Gewissheit: Public Liquidity Backstop ist gut. Vertrauen ist besser.

Andreas Güntert
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