Nach dem Kollaps mehrerer Banken in den USA steht die Frage im Raum: War die Regulierung nicht strikt genug? Derzeit sieht es nicht danach aus, als ob aus dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) ein neuer Flächenbrand entsteht. Aber vor allem in den USA wird die Debatte um eine neue Drehung an der Regulierungsschraube ohne Zweifel Fahrt aufnehmen. 
     
Dabei wurden schon nach der Finanzkrise von 2008 eine Menge neuer Regeln erlassen, die bis heute die Finanzintermediäre in Atem halten. Seien es der automatische Informationsaustausch oder Cross-Border-Regulierungen, deren Einhaltung von den Aufsichtsbehörden mit Argusaugen überprüft wird: Die Compliance-Abteilungen werden mit neuen Herausforderungen konfrontiert.

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Mit der europäischen MiFID II/MiFIR sowie mit dem Schweizer Pendant des Finanzdienstleistungsgesetzes (Fidleg), in Kombination mit dem Finanzmarktinfrastrukturgesetz und dem Finanzinstitutsgesetz, wurde der Regulierungsschrecken für viele zur Realität.

All dies erweckt den Anschein, als würde es in Sachen Finanzmarktgesetzgebung nur eine Richtung geben: hin zu mehr Regulierung, neuen Restriktionen und zu einer noch strikteren Aufsicht. Dabei geht gerne vergessen, dass es durchaus bemerkenswerte Entwicklungen in die Gegenrichtung gibt.

Fintech-Lizenz als Lichtblick

Im Bankbereich wurde so beispielsweise vor wenigen Jahren die Fintech-Lizenz, auch «Banklizenz light» genannt, eingeführt, welche es gerade jungen Unternehmen ermöglicht, unter erleichterten Bedingungen Bankdienstleistungen anzubieten – ohne die äusserst strengen Anforderungen erfüllen zu müssen, wie diese für Banken gelten.

Gerade hinsichtlich der Kapitalanforderungen, welche für Startups eine hohe Markteintrittshürde darstellen können, sieht das Gesetz für Fintech-Bewilligungen signifikante Erleichterungen vor. Wenngleich die Fintech-Lizenz – wohl auch aufgrund der damit verbundenen Einschränkungen der erlaubten Tätigkeiten – bisher eher zögerlich genutzt wird und die Schweizer Finanzmarktaufsichtsbehörde (Finma) bis jetzt lediglich vier solcher Bewilligungen erteilte, eröffnet die neue Bewilligungskategorie unternehmerischen Projekten im Finanzbereich neue Möglichkeiten.

Ähnliche Überlegungen liegen auch der sogenannten Sandbox zugrunde: Mit dieser Ausnahme von der Bankenregulierung soll innovativen Jungunternehmen die Entgegennahme von Publikumseinlagen bis zu 1 Million Franken ermöglicht werden, sodass diese ihr Geschäftsmodell testen können, ohne hierfür vorab eine Bewilligung einholen zu müssen. 

Förderung des Fondsstandorts Schweiz

Im Fondsbereich verabschiedete das Parlament Ende 2021 die Vorlage für die Schaffung einer neuen Fondskategorie für qualifizierte Anlegende, den «Limited Qualified Investor Fund», kurz L-QIF. Nach luxemburgischem Vorbild wird es damit in naher Zukunft zulässig sein, unter bestimmten Voraussetzungen einen Fonds in der Schweiz aufzusetzen, ohne dass dieser ein Gütesiegel der Finma benötigt – womit die «Time-to-Market» gerade bei Fonds für alternative Anlagekategorien signifikant reduziert werden kann und auch Kosteneinsparungen erwartet werden. 

Wenngleich es sich bei den erwähnten Beispielen um punktuelle Deregulierungen handelt, so zeigen diese auf, dass Herausforderungen, die für die Marktteilnehmenden durch neue rechtliche Anforderungen geschaffen werden, vom Gesetzgeber durchaus erkannt werden und entsprechende Korrekturen keine Seltenheit sind. Von einer blinden Regulierungswut zu sprechen, wäre daher fehl am Platz, obwohl gewisse Entwicklungen teils womöglich so wahrgenommen werden.

Dass es gerade nach Krisen im Finanzbereich zu Regulierungswellen kommt, ist kein neues Phänomen. Auch als Folge der aktuellen Bankenpleiten in den USA dürfte der Ruf nach mehr Regulierung laut werden. Zentral ist jedoch auch hier, dass erst evaluiert wird, ob das bestehende Regelwerk eine Mitverantwortung trägt und deshalb gegebenenfalls gezielt angepasst werden muss oder ob es sich um Einzelfälle handelt, die auch mit einem strengeren Regime nicht hätten verhindert werden können. Es gilt – wie immer bei potenziellen Anpassungen der Finanzmarktgesetzgebung –, eine vernünftige Balance zu finden zwischen Erhalt der Finanzmarktstabilität und Anlegerschutz einerseits und Ermöglichung von Innovation und effizienter Geschäftstätigkeit andererseits.

Zudem ist die regulatorische Landschaft in den USA immer noch anders als in Europa. Und in Europa hat die Zinswende bis dato keine Bank in die Knie gezwungen, sodass es in diesen Breitengraden keinen neuen Regulierungsbedarf zu geben scheint.