In der Schweiz nimmt diese Woche eine sehr selten eingesetzte Sonderkommission des Parlaments ihre Arbeit auf. Sie soll klären, was vor dem Zusammenbruch der Credit Suisse, dem zweitgrössten Schweizer Bankhaus, falsch gelaufen ist. Anfang Juni hatten die Abgeordneten grünes Licht für eine aus Vertretern aller grossen Parteien gebildeten 14-köpfigen Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) gegeben.

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Die PUK ist das schärfste Kontrollinstrument, das dem Parlament zur Verfügung steht und das in der modernen Geschichte der Schweiz bislang erst vier mal zum Einsatz kam. «Es wird die Schweiz daran erinnern, dass wir nicht einfach so weitermachen können, als wäre nichts geschehen», sagte Peter V. Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern.

Die vor der Zahlungsunfähigkeit stehende Credit Suisse flüchtete sich im März in einer Not-Übernahme in die Arme der grösseren Rivalin UBS. Öffentlichkeit und Politiker sehen den von der Regierung orchestrierten und mit bis zu 109 Milliarden Franken unterstützten Deal kritisch. Im April verweigerte das Parlament dem Rettungspaket in einer allerdings weitgehend symbolischen Abstimmung die Unterstützung.

Mandat

Die PUK wird sich auf das Vorgehen der Behörden vor und während der Not-Übernahme der Credit Suisse konzentrieren und nicht auf die Rolle des Managements. Untersucht wird das Verhalten der Regierung, des Finanzministeriums sowie anderer staatlicher Stellen wie der Finanzmarktaufsicht (Finma) und der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Dabei handelt es sich nicht um ein gerichtliches Verfahren. Sollte die Untersuchung Unstimmigkeiten oder neue Informationen zutage fördern, könnte sie damit Material liefern für Verfahren, die nach dem Zusammenbruch der Bank eingeleitet werden. Dazu gehören etwa Klagen gegen die Finma wegen ihrer Entscheidung, sogenannte AT1-Anleihen der Credit Suisse im Wert von 16 Milliarden Franken auf null abzuschreiben sowie Klagen von Credit-Suisse-Anlegern wegen des Aktientauschverhältnisses mit der UBS.

Schlüsselfragen

Eine entscheidende Frage wird sein, ob Finma, Finanzministerium und SNB früher hätten eingreifen müssen. Dass die Credit Suisse nach einer Reihe von Skandalen in den letzten zwei Jahren in Schwierigkeiten steckte, war offensichtlich. So zogen bereits Ende 2022 Kunden massenhaft Gelder ab. Wie viel wussten die Behörden? Was hat die Bank der Aufsichtsbehörde mitgeteilt und wie viel Informationen hat sie mit der Regierung geteilt? Hätte die Zentralbank mehr tun können, zum Beispiel indem sie der Bank unbegrenzte Liquidität versprochen hätte, um die Kunden zu beruhigen und den Abfluss von Geldern zu stoppen?

Untersuchungsergebnis

Es wird erwartet, dass die Ergebnisse der Untersuchung in einem Bericht zusammengefasst werden. Dieser dürfte Empfehlungen an die Regierung und das Parlament enthalten und wahrscheinlich auch konkrete Abhilfemaßnahmen vorschlagen. Unwahrscheinlich ist hingegen, dass sich der Bericht mit technischen Empfehlungen wie beispielsweise Eigenkapitalquoten befasst. Er dürfte sich eher auf die Frage konzentrieren, wie die Finma effizienter werden kann, etwa indem sie mit mehr Befugnissen ausgestattet wird. Ein Vorschlag könnte auch sein, der SNB mehr Befugnisse bei der Beaufsichtigung von Großbanken einzuräumen. Die neue UBS wird nach der Fusion mit der Credit Suisse eine Bilanz haben, die doppelt so groß ist wie die Schweizer Wirtschaft. Da die Kommission keine neuen Gesetze ausarbeiten kann, müssen alle Änderungen das Parlament passieren.

Befugnisse

Eine PUK ist das mächtigste Instrument des Parlaments. Sie wird Zugang zu Protokollen von Regierungssitzungen und anderen vertraulichen Informationen haben. Personen, die für die Regierung, die Bundesverwaltung, die Finma oder die SNB arbeiten, müssen zur Anhörung erscheinen, wenn sie von der Kommission dazu aufgefordert werden. Unklar ist dagegen, ob die Führungskräfte der Credit Suisse und der UBS dazu verpflichtet sind. Allerdings wird erwartet, dass sie dies aufgrund des politischen und öffentlichen Drucks tun würden. Die Kommission hatte erklärt, dass sie sich nicht zu den angehörten Personen äußern könne, bevor sie ihre Arbeit abgeschlossen habe.

Budget und Arbeitsweise

Die Kommission verfügt über ein Budget von fünf Millionen Franken, um ihr Büro einzurichten, ihre Mitglieder zu bezahlen und externe Experten und Berater hinzuzuziehen. Die Untersuchung dauert voraussichtlich zwölf bis 18 Monate. Die Kommission dürfte alle zwei Wochen tagen. Die Sitzungen finden hinter verschlossenen Türen statt, es ist nicht geplant, sie für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder sie zu übertragen. Einzelne Empfehlungen und der Gesamtbericht werden durch Mehrheitsbeschluss angenommen. Der Bericht wird dann den beiden Kammern des Parlaments und der Regierung vorgelegt.

Kommissionsmitglieder

Das 14-köpfige Parlamentarier-Gremium wird von Isabelle Chassot von der Partei Die Mitte präsidiert. Ihre Stellvertreterin ist Franziska Ryser von den Grünen. Die Mitte, die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) und die liberale FDP stellen je drei Mitglieder, die Sozialdemokratische Partei (SP) und die Grünen je zwei und die Grünliberale Partei eines. Alle grösseren Parteien haben sich kritisch zum Umgang der Behörden mit der Krise geäussert, eine stärkere Finanzaufsicht gefordert und ihre Besorgnis über die Dominanz der UBS auf dem Schweizer Markt zum Ausdruck gebracht.

(reuters/rul)