Turbulenzen bei der Credit Suisse: Der Ex-CEO Oswald Grübel äussert sich über die Probleme der Krisenbank

Überrascht von den Turbulenzen rund um die Credit Suisse, die Sie von 2002 bis 2007 leiteten? Nicht wirklich, sie sind Managementfehlern der letzten Jahre geschuldet. Diese widerspiegelten sich in Fällen wie Archegos oder Greensill. Immerhin hat die Bank gestern und heute eine wilde Achterbahnfahrt erlebt. Sicher, aber vieles der Hektik ist den Nachrichten geschuldet. Heute geht alles blitzschnell, global. Da kollabiert eine Regionalbank in den USA, die es in dieser Verfassung eigentlich gar nicht geben dürfte, und das löst eine globale Verunsicherung aus. Sie reden von der Silicon Valley Bank. Wenn eine Bank sich nur auf eine einzige Kundengruppe fokussiert, ist doch klar, dass sie früher oder später in Schieflage gerät. Und dann gibt es noch viele Aktionäre auf dieser Welt, die sich an 2008 und 2009 erinnert sehen. Damals hat sich schon gezeigt, wie schnell es geht, bis sich Unsicherheit in den Köpfen festmacht. Also eine Wiederholung der Geschichte? Nein, diesmal ist es etwas anders. Die Banken sind nicht überleveraged, dafür gibt es ein paar Regionalbanken, siehe Silicon Valley Bank oder Signature Bank, die liehen Geld an Tech-Entrepreneurs aus. Diese Pleiten machten alle Aktienmärkte nervös. Besonders die Investoren und Kundinnen der Credit Suisse. Schade, dabei ist das Management grad daran, alte Fehler auszubügeln. Und dann kommt ausgerechnet diese Welle, die das Vertrauen in die Banken erschüttert. Und dann äussert sich auch noch der Grossaktionär aus Saudi-Arabien unglücklich. Da fragt eine Journalistin den Grossaktionär der Saudi National Bank, ob er nochmals aufstocken würde, worauf er Nein sagt: Daraus wird dann «niemand unterstützt mehr die Credit Suisse». Dabei hat er nur Nein gesagt, weil er schon 9,9 Prozent hält und aus regulatorischen Gründen keine höhere Position haben will. Geschickt war die Aussage von Ammar Al Khudairy nicht. In einem negativen Trend wird eine kleine Meldung zu einer grossen Schlagzeile. Aber solche Nachrichten führen in diesem aufgeheizten Umfeld zu irrationalen Kursbewegungen. Gestern Mittwoch tauchten UBS oder Julius Bär um 6 oder 7 Prozent, die Credit Suisse aber um 29 Prozent. Das Problem bei der CS ist also ungleich gravierender. Mitgeholfen hat, wenn man so sagen kann, das Gesetz, das die Anlegerinnen und Anleger nur bis 100’000 Franken Einlage schützt. Und was passiert bei aufziehender Unsicherheit: Die Kundschaft zieht das überschüssige Vermögen ab oder kauft Aktien. Das wiederum entzieht der Bank Liquidität, die sie ersetzen muss, um ihre Kredite bedienen zu können. Und dann rennt man zum Staat? Moment, wofür ist denn die Nationalbank da? In keinem Land der Welt wird so ein Zirkus gemacht wie in der Schweiz, wenn die Nationalbank mit Liquidität helfen muss. Das ist doch ungewöhnlich. Beim letzten Mal musste die SNB bei der UBS vor 15 Jahren eingreifen. Sie mussten später als Trouble Shooter das Ruder übernehmen. Wir sind nicht gewohnt, dass die Nationalbank mit Liquidität eingreift. Nur: Dafür ist sie effektiv da. Es kann passieren, denn Banken nehmen das Geld, das ihnen die Kundinnen und Kunden bringen, und leihen es zu 70 bis 80 Prozent an andere Kunden aus, um Geld zu verdienen. Der Entscheid der CS, auf die 50 Milliarden Franken der SNB zurückzugreifen, macht in diesem Umfeld Sinn? Ich lebe seit 53 Jahren in diesem Land. Und was ich früh gelernt habe, ist die verbreitete Meinung, dass die SNB eine heilige Kuh ist, die schon gar keiner Bank helfen darf. Und wenn sie es tut, dann ist die Bank Staatseigentum. Ein nationales Missverständnis? Die Nationalbank macht das nur gegen Sicherheiten. Die Nationalbank braucht es, um einen Finanzmarkt, also auch die ihn repräsentierenden Banken, mit Liquidität zu versorgen. Das gilt in allen Ländern. 2008 hat die Nationalbank toxische Assets der UBS übernommen und die Bank mit Geld versorgt. Die Nationalbank übernimmt nur Sicherheiten, die sie wieder verwerten kann und die den Kredit vollständig abdecken. Sie hat an den UBS-Krediten mehrere Milliarden verdient. Wir würden unseren Finanzplatz kaputt machen, wenn die Nationalbank nicht als letzter Kreditgeber fungieren würde. Mehr über die Credit Suisse Die wichtigsten Antworten auf die Fragen zur SNB-Hilfe für die Credit Suisse Spekulanten machen mit CS-Kurssturz 140 Millionen Dollar Gewinn Kommentar: Bankenkrise: Der Staat muss schon wieder retten Sie waren in der Vergangenheit immer skeptisch, wenn es um Eingriffe von Nationalbanken und Regulatoren in den Finanzsektor ging. Ja, aber wenn der Finanzmarkt die Liquidität nicht hergibt, weil die Notenbanken zwecks Inflationsbekämpfung die Liquidität verringern müssen, muss die Nationalbank im bestimmten Fällen helfen. Also alles eine Folge von Regionalbankenpleiten und Finanzpolitik in den USA? Nein, es ist die Folge von Vertrauensverlust und der letzten Kapitalerhöhung der Credit Suisse. Wenn man bei einem Kurs von 4 Franken und zu einem Viertel des Buchwertes eine Kapitalerhöhung macht und die Zahl der Aktien damit fast verdoppelt – von 2,5 Milliarden auf 4 Milliarden Aktien –, dann ist es nicht verwunderlich, dass der Aktienkurs sich verändert. Nach unten. Richtig, dann kommt er beim Preis der neuen Aktien zu liegen, also bei 2,50 Franken. Dann wird er sicher nicht auf 4 Franken steigen. Die Kapitalerhöhung war in meinen Augen sehr unglücklich und hätte so nicht gemacht werden sollen. Das sah der Verwaltungsrat unter Axel Lehmann etwas anders. Wenn man eine Kapitalerhöhung bei einem Viertel des Buchwertes macht, untergräbt man das Vertrauen aller Marktteilnehmer und aller Aktionäre. Zudem wurde das Frischkapital benutzt, um Abschreibungen zu machen – und schon wars wieder weg. Das hat die Aktionäre frustriert und beunruhigt. Darauf hat sich der Abgabedruck der Aktie akzentuiert, in Richtung 2 Franken. Da liegen wir heute. Sehen Sie die Gefahr einer Infektion des weltweiten Finanzsystems durch die Unsicherheit rund um die CS? Nein, das sehe ich nicht. Aber wir werden noch einige Überraschungen erleben, denn wir kommen aus einer zehnjährigen Phase von tiefen Zinsen und tiefer Inflation. In dieser Phase haben Finanzinstitute Anlagekonstrukte aufgebaut, die keine schnellen Zinserhöhungen ertragen. Sie sind enttäuscht, wenn Sie auf den Aktienkurs der CS schauen? Immerhin sind Sie vor einem halben Jahr bei 4 Franken eingestiegen. Jetzt weiss ich auch, dass es ein Fehler war, zu glauben, dass es keine Kapitalerhöhung braucht. Welchen? Ich war wieder einmal viel zu früh (lacht). Nun hoffe ich, dass sie das Geschäft drehen können und wieder Geld verdienen. Die Geschichte mit der Liquidität sollte jetzt vorbei sein. Die nächste Herausforderung? Profitabel werden. Und hoffen, dass nicht weitere Probleme aus der Vergangenheit auftauchen, die frühere CEO verursacht haben. Immerhin für Letzteres kann CEO Ulrich Körner nichts. Eigentlich muss man Körner dankbar sein, dass er den Job angenommen hat. So viele gibt es nicht mehr in der Branche, die die mühselige Aufräumarbeit machen – seitdem ich nicht mehr aktiv bin (lacht).

Turbulenzen bei der Credit Suisse: Der Ex-CEO Oswald Grübel äussert sich über die Probleme der Krisenbank

«Die SNB gilt als heilige Kuh, die keiner Bank helfen darf»