Herr Fust, Sie traten bereits in den 80er-Jahren in die GKB ein und bauten hier Ihre Karriere auf. Nun sind Sie der CEO. Welche persönliche Bindung haben Sie nach all den Jahren zu dieser Bank?

Eine sehr starke. 1982 fing ich meine Lehre hier an. Was ich nie hatte, war die Ambition, CEO zu werden. Ich hatte einfach immer das Glück, spannende Aufgaben zu erhalten. Wer als Aussenstehender auf meinen CV schaut, hält ihn vielleicht nicht für sonderlich spannend, weil ich fast immer bei der GKB war, aber ich hatte die Chance, mich immer, bevor es langweilig hätte werden können, neuen Herausforderungen zu stellen. 

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Die letzte war, über diese Türschwelle zu gehen. Denn seit 1911 ist dieser Raum hier das Büro des CEO. Das tat ich mit einer gewissen Demut.

Was macht die GKB für Sie denn besonders?

Eine Rating-Agentur titelte einmal «Solid wie Bündner Granit» – diese Solidität sehe ich auch. Es gab eine Zeit, in der es nur um Ertragsmaximierung ging. Es hiess, wer übriges Eigenkapital habe, müsse das investieren oder den Aktionären und Aktionärinnen zurückzahlen. Wir haben nichts davon gemacht, denn wir wollten unsere Solidität über ein starkes Kapitalpolster ausdrücken. 

Wir halten jetzt 2,9 Milliarden Franken, also 1 Milliarde mehr, als wir regulatorisch haben müssten. Das ist auch für den Kanton wichtig. Er weiss, wir bauen unser Geschäft nicht auf Kosten der Staatsgarantie aus. 

Mit dem finanziellen Polster rühmen sich aber viele Kantonalbanken …

Ja, aber wir sind sicherlich überdurchschnittlich stark kapitalisiert. Gleichzeitig sind wir sehr ertragsstark – im Zinsgeschäft und im Anlagegeschäft. Dabei ist es uns wichtig, eigene Produkte anzubieten. Was uns jedoch von vergleichbaren Kantonalbanken wirklich unterscheidet, ist das breit diversifizierte Geschäftsmodell. Wir möchten also gleich viele indifferente Erträge wie Erträge aus dem Zinsgeschäft generieren. 

Das ist Ihnen noch nicht ganz gelungen. Ist denn so ein gutes Zinsjahr negativ für solche Ambitionen?

Genau, wenn sich das Anlage- und Vorsorgegeschäft bei uns sehr gut entwickelt, aber das Zinsgeschäft sogar überproportional zulegt, verschlechtert sich die Verhältniszahl. Die positive Entwicklung in beiden Geschäftsfeldern macht Freude.

Wenn Sie vom Anlagegeschäft sprechen: Die GKB arbeitet ja auch mit anderen Banken zusammen beziehungsweise unterhält Mehrheitsbeteiligungen. Wie steht es um die Beteiligungsgeschäfte der GKB?

Uns hat das Beteiligungsgeschäft stark im ausserkantonalen Wachstum geholfen. 

Man muss sehen: Als Kantonalbank in einem anderen Kanton erfolgreich zu sein, ist schwierig. Selbst wer mit bester Performance an Pitches teilnimmt, hört von potenziellen Kundinnen und Kunden oft, dass die nähere Kantonalbank bevorzugt wird. Das verstehe ich auch absolut. Das spielt ja auch umgekehrt.

Wir stellten also fest, dass wir uns ausserhalb von Graubünden besser an bestehenden Banken und Vermögensverwaltern beteiligen, die ein eigenes und funktionierendes Geschäftsmodell haben.

Mittlerweile haben wir viele Anfragen von Assetmanagern und kleineren Banken, die eine Mehrheitsbeteiligung anbieten, doch in der Regel zeigen sich dort zwei Herausforderungen: Sie haben ein Nachfolgeproblem – das können wir als GKB lösen –, und sie haben oft auch ein Vertriebsproblem, wollen also auf unsere Kundinnen und Kunden zugreifen. Das interessiert uns dann nicht.

Wenn Sie unser Beteiligungprofil anschauen, dann ist das aktuell nicht «more of the same», sondern ein sich ergänzendes Portfolio. Wir haben ein klares Profil im GKB-Stammhaus und eine klare Spezialisierung bei den Beteiligungen: Albin Kistler bietet Vermögensverwaltung und Assetmanagement mit einer sehr guten eigenen Aktienanalyse an. Die Privatbank Bellerive ist eine erfolgreiche Vermögensverwalterin mit einem speziellen Anlagestil mit Discountzertifikaten. Und die BZ-Bank ist im Private-Equity-Bereich stark. 

Lediglich bei der Twelve Capital Holding AG haben wir eine Minderheitsbeteiligung. Dort geht es um Katastrophen-Bonds im Versicherungssektor für institutionelle Kundschaft, was viel mit strategischen Nachhaltigkeitsthemen zu tun hat und daher Synergiemöglichkeiten ergibt – etwa in der Kreation eines neuen Impact-Fonds.

So haben wir die Möglichkeit, via dieses Netzwerk und dessen Know-how zu wachsen. 

Zur Person Daniel Fust

Daniel Fust, 1966 in Wattwil SG geboren, verheiratet und Vater zweier Kinder, ist seit 2019 CEO und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Graubündner Kantonalbank (GKB). 1982 begann er dort mit einer kaufmännischen Lehre seine Karriere und hatte nach einem kurzen Ausflug zur Zürcher Kantonalbank verschiedene Funktionen bei der GKB inne. So war er unter anderem Leiter des Treasury- und Cash-Managements, des Risikomanagements und zuletzt Leiter der Geschäftseinheit Marktleistungen. 

Sie stellen solche Beteiligungen als ein sehr sicheres Geschäft dar, doch gerade die BZ-Bank mit ihrem Image löste – zumindest medial – auch einen gewissen Wirbel aus. Sie liess spekulieren, wie sicher so eine Beteiligung für eine Kantonalbank mit Staatsgarantie ist. Hat sich dieser Wirbel gelegt?

Medial gab der Kauf der 70 Prozent von der BZ-Bank zu sprechen, doch wenn wir bei den Fakten bleiben, dann gilt die Staatsgarantie nicht für die Beteiligungen. Zweitens haben diese Institute keine Risiken, wie Zinsänderungs- oder Kreditrisiken, in den eigenen Büchern. Was aber natürlich immer bleibt, wenn man – auch nach sorgfältiger Prüfung – eigenständige Banken in sein Beteiligungsportfolio aufnimmt, ist ein Reputationsrisiko. Die angesprochene Berichterstattung, die auf Personen fokussierte und tendenziös publizierte, war unangenehm.

Gab es denn Rückmeldungen bezüglich eines Vertrauensverlustes?

Es gab ein gewisses Unverständnis, und es gab Fragen, ob und wie die Beteiligungsstrategie zu uns passe. Das ist legitim, und wir beantworten das auch gern. Am liebsten im Zusammenhang mit unseren Jahres- und Halbjahresabschlüssen, in denen man den Erfolg faktenbasiert sieht.

Beteiligungsmanagement ist allerdings schon eine anspruchsvolle Disziplin, weil bei Beteiligungen verschiedene Kulturen zusammentreffen. Wir mit unseren rund tausend Mitarbeitenden pflegen eine etwas andere Kultur als eine Privatbank Bellerive in ihrem Jugendstilhaus im Zürcher Seefeld. Und das ist gut und richtig so.

Ob in Seefeld oder Chur – spielt das in digitalen Zeiten wirklich noch eine Rolle?

Unsere typische GKB-Kundschaft ist sehr geerdet, hat eine Prise Bündner Pragmatismus und in aller Regel eine sprichwörtliche Bündner Bescheidenheit. In anderen Feldern begegnet man anderen Charakteren. Darauf kann man sich in einem Beteiligungsnetzwerk besser ausrichten und einstellen.

Die Übernahmen erfordern also eine gewisse Arbeit. Auch aufsichtsrechtlich. Aber sie sind auch bereichernd.

In den letzten Jahren hat sich der Eindruck gehäuft, dass die GKB durch solche Zukäufe expandieren will. Stimmt das?

Tatsächlich ist es atypisch, dass wir in den letzten Jahren in verhältnismässig kurzer Reihenfolge eine höhere Kadenz von Übernahmen hatten. Aber das lässt sich so nicht extrapolieren. Solche Chancen ergeben sich – oder aber auch nicht. 

Wir haben uns nicht als Ziel gesetzt, jedes Jahr ein Unternehmen dazuzukaufen, egal, was auf dem Markt ist. Das wäre fatal. Wir sind sehr wählerisch. 

Worauf kommt es denn an, um im Beteiligungsgeschäft erfolgreich zu sein?

Wichtig ist, dass wir die DNA dieser Unternehmen nicht antasten. Jede einzelne Beteiligung ist mit ihrer eigenen Kundschaft erfolgreich in ihrem Markt, dank ihrer Kompetenz und Kultur. Es wäre fatal, wenn wir den Beteiligungen mental den ‹Bündner Steinbock› über die Türe hängen würden. Innerhalb des Konzerns lassen wir jeder Bank ihre DNA, sehen uns aber nicht nur als Eigentümerin, sondern auch als Dienstleisterin und bieten Unterstützung an.

Sie sagten, dass Sie bei der Auswahl der Beteiligungen wählerisch seien. Was heisst das konkret?

Je nachdem reicht bereits das erste Factsheet, um zu sehen, dass es von der Kundenstruktur, vom Wertesystem oder von den Geschäftszahlen her nicht passt. Ein Unternehmen als Beteiligung anzunehmen, das weniger als zwei Milliarden Assets hat, macht beispielsweise keinen Sinn. Denn der Aufwand wird überwiegen. Wir suchen kein Wachstum um jeden Preis, sondern wie erwähnt sehr überlegt. 

Wir haben eine starke Marktposition, je nach Segment rund 60 Prozent Marktanteil. Und wir spüren den Wettbewerb natürlich zunehmend. Am Churer Bahnhof wirbt etwa die ZKB. In der Rhätischen Bahn die SGKB. Auch die Skijacken auf Bündner Skipisten werden von anderen Kantonalbanken gesponsert – an solche «Nettigkeiten» haben wir uns gewöhnt und nehmen das sportlich. Es ist gesund und gut, wenn der Markt spielt. Wir stellen uns dem Wettbewerb.

So war auch klar, dass der Wettbewerb um die Kundengelder losgeht, da diese seit je eine wichtige Refinanzierungsquelle sind. Die einen glauben, dabei sei die Gratis-Philosphie die richtige …

… Sie spielen auf die Aufhebung der Kontogebühren der ZKB und weiterer Banken an …

Genau. Doch gratis ist nichts, weil alle erfolgreich wirtschaften müssen. Wir haben bereits vor zehn Jahren das verursachergerechte Hausbankengebührenmodell eingeführt, mit dem 53 Prozent unserer Kundinnen und Kunden keine Kontoführungsgebühren bezahlen – das betrifft jene, die mindestens 10’000 Franken auf dem Konto haben, ein paar E-Banking- und ein paar Kartentransaktionen ausführen. 80 Prozent der Kundschaft zahlen die Hälfte und nur 20 Prozent die vollen Kontoführungsgebühren. 

Ich halte das für einen besseren Ansatz, denn etwas, das gratis ist, vermittelt den Eindruck, es sei nichts wert. 

Wir beobachten das aber, und in einer hohen Kadenz folgt eine Bank nach der anderen. Wir werden – weiterhin verursachergerecht – ebenfalls nachjustieren, um im Wettbewerb die Nase im Wind zu halten. 

Demnach gibt es den Druck, hier nachzuziehen?

Ja, der ist spürbar: Das Gut der Kundengelder ist attraktiv. Aber wir wollen nicht mit kurzfristigen ‹Lockvogelangeboten› agieren, wenn es um die Verzinsung geht. Sonst enttäuschen wir den langjährigen Sparer. Wir bieten besser einen fairen Zinssatz nach einem klaren Stufenmodell und verzichten auf das Ködern im Markt. Das entspräche nicht dem GKB-Stil.

Um bei der Konkurrenz unter den Kantonalbanken zu bleiben: Viele haben 3a-Angebote, die sich sehr ähneln. Ob Frankly bei der ZKB oder Gioia bei Ihnen. Wäre hier denn eine Zusammenarbeit möglich gewesen?

Das ist eigentlich ein Armutszeugnis: dass so viele Kantonalbanken genau dasselbe entwickeln und nicht zusammenarbeiten. Denn im Grunde baut technologisch jede im Hintergrund dasselbe sehr ähnlich. Ob eine Kundin Frankly oder Gioia nutzt, macht ja im Kern keinen Unterschied. 

Die Graubündner Kantonalbank in Zahlen:
  • Gründungsjahr: 1870
  • Bilanzsumme: Rund 33 Milliarden (per 31.12.2023)
  • Anzahl Kunden und Kundinnen: 200’000 
  • Verbreitungsgebiet/abgedeckte Region: Hauptmarkt ist Graubünden, im Anlage-, Vorsorge- und Kreditbereich überregional
  • Öffentlich-rechtliche Gesellschaft: Der GKB-Partizipationsschein ist seit 1985 börsenkotiert
  • Was ist an Ihrer Bank im Vergleich zu anderen Banken speziell: «Die Graubündner Kantonalbank ist überdurchschnittlich substanzstark, ertrags- und risikodiversifiziert. Solide wie Bündner Granit.»

Warum gelingt die Zusammenarbeit unter den Kantonalbanken nicht?

Es ist eine gewisse Wohlstandserscheinung. Wenn es einem Unternehmen schlecht geht, wird viel stärker über Synergien nachgedacht. 

Zudem ist jede Kantonalbank eigenständig, und das soll ja auch so sein.

Zum Schluss nochmals eine persönliche Frage: Wie bereits erwähnt, haben Sie ihre Karriere in der GKB begonnen und sind nun der CEO. Was hat sich denn in all den Jahrzehnten bei der GKB geändert?

Das ist schwer zu sagen, denn die Zeit wandelt sich ja auch. Die Digitalisierung ist wahnsinnig fortgeschritten, man sieht es auch bei den Jobprofilen. Es gab damals sehr viele ausführende Tätigkeiten, und diese wurden wegrationalisiert. Anderseits wurden viele Spezialistenfunktionen aufgebaut – etwa im Datenmanagement oder im Sicherheitsbereich.

Schliesslich ist auch der Kantonalbankenmief weg, der in den 1980ern noch vorhanden war. Bei der UBS zu arbeiten, war damals cool, die Kantonalbanken wurden als träge und verbeamtet wahrgenommen. Heutzutage hat sich das komplett verändert. Wir sind stolz auf unsere Imagewerte.

 

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