Werbung verkauft nicht Produkte, sondern Gefühle - eine alte Weisheit unter PR-Strategen. Zu Weihnachten ist die Werbung besonders gefühlig. Das hat aber nicht immer den gewünschten Erfolg.

Alle Jahre wieder: In der Fernsehreklame sind die Familien zu Weihnachten besonders glücklich, die Menschen herzensgut. Weihnachtswerbung ist in aller Regel besonders rührselig.

Kaufentscheidungen aus dem Bauch

Das hat einen einfachen Grund: Im November und Dezember erzielt der Detailhandel hohe Umsätze. Und Werbung funktioniert am besten, wenn sie nicht Produkte verkauft, sondern Gefühle - ein alter Lehrsatz unter PR-Strategen. Viele Konsumenten neigen dazu, Kaufentscheidungen eher mit dem Bauch zu fällen und nicht mit dem Verstand. Bekannte Beispiele: BMW wirbt nicht mit Motorleistung, sondern mit «Freude am Fahren».

«Hinter solchen Werbemassnahmen steht die Idee, dass die dargestellten Emotionen auf das Produkt übertragen und so mit diesem verbunden werden», heisst es in einem vor zwölf Jahren in der Zeitschrift «Gehirn und Geist» veröffentlichten Aufsatz der Psychologen Arnd Florack und Martin Scarabis.

Und da Weihnachten das Fest der Liebe ist, liegt die Vermutung nahe, dass dementsprechend gefühlige Weihnachtswerbung am effektivsten ist, um die Bürger zum Kaufen zu bewegen.

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«Weihnachtswerbung polarisiert»

Doch stimmt das auch? Keineswegs. «Es ist tatsächlich so, dass Weihnachtswerbung polarisiert», sagt der Marktforscher Joachim Netz, der für das Unternehmen MediaAnalyzer arbeitet. Netz und seine Kollegen sind spezialisiert auf die Analyse von Werbewirkung und Marketing.

«Die emotionale Wirkung der Spots steht noch stärker im Mittelpunkt als sonst», sagt Netz. «Viele empfinden die Atmosphäre der Weihnachtswerbung als sehr angenehm. Es gibt aber auch immer wieder die Kritik an den weihnachtlichen Klischees und der Konsumzentrierung, insbesondere wenn die Spots das Produkt sehr betonen.»

In anderen Worten: Ist die gewollte Verbindung zwischen Gefühl und Geschäft allzu offensichtlich, werden die Zuschauer wachsam. Und für Klischees in der Werbung ist ohnehin nicht jeder empfänglich. Manche Konsumentenschützer versuchen sogar - ganz unabhängig von Weihnachten - die Unternehmen von allzu irreführender Werbung abzuhalten.

Singles fühlen sich nicht unbedingt angesprochen

«Die Werbung funktioniert nur, wenn die Zuschauer sich darin wiederfinden», sagt Netz. Die Lebensrealität vieler Konsumenten hat nur wenig mit dem harmonischen Familienleben gemein, das in der Werbung oft gezeichnet wird. «Singles fühlen sich beispielsweise nicht unbedingt angesprochen, wenn in der Fernsehwerbung ausschliesslich glückliche Familien gezeigt werden», sagt Netz.

Sein Tipp an die Werbestrategen: «Grosse Marken mit entsprechenden Budgets sollten daher verschiedene Spots platzieren, um die unterschiedlichen Zielgruppen anzusprechen.»

(sda/ccr)