Die Freundschaft zwischen den Logitech-Gründern Pierluigi Zappacosta, dem Römer, und Daniel Borel, dem Romand, zieht sich wie ein roter Faden durch die Firmengeschichte. Kennen gelernt hatten sie sich 1976. Ersterer konnte bereits auf ein Elektroingenieurstudium an der Universität von Rom zurückblicken, der Zweite war Physiker mit einem Diplom der Ecole polytechnique fédérale de Lausanne (EPFL). Beide besuchten an der Stanford University in Kalifornien Informatikvorlesungen. Fünf Jahre später, im Oktober 1981, gründen sie Logitech. Der Dritte im Bunde ist Giacomo Marini; sein Name geht jedoch oft vergessen, da er das Unternehmen 1992 verliess.

Das entscheidende Treffen indes findet erst später, im Herbst 1982 an der EPFL, statt. Ein junger Ingenieur aus dem Informatiklabor, René Sommer, arbeitet dort in einer Teilzeitanstellung als Assistent von Professor Jean-Daniel Nicoud, einer der zentralen Figuren der Schweizer Informatikszene. Beim Testen möglicher Anwendungen für eine neue Erfindung, den Mikroprozessor, entdeckt er, dass der kleine, programmierbare Prozessor die Computermaus in ein intelligentes Gerät verwandelt. Eines Tages erhält er einen Anruf von einem gewissen Daniel Borel. Dieser hat Probleme mit im Vallée de Joux produzierten Mäusen, die er eigentlich in die USA exportieren will.

Sommer berichtet ihm von seiner Erfindung, der Anrufer ist begeistert. «Am 11. November wollte er nach Kalifornien reisen und fragte mich, wie viele Mäuse ich bis dann liefern könne», erinnert sich Sommer. Einen Monat später hat der Ingenieur sechs Mäuse vorbereitet. Die Rechnung lautet auf 550 Franken pro Stück, zuzüglich 120 Franken für die in der Maus integrierte Uhr, die den damaligen Computern noch fehlte. Im Februar 1983 trifft die zweite Bestellung ein, diesmal über 28 Stück. René Sommer lötet die Prozessoren noch eigenhändig zusammen. Der Preis ist mittlerweile auf 235 Franken gesunken. Diese Maus ist die erste ihres Typs und, qualitativ gesehen, die beste auf dem Markt. Die Zukunft von Logitech ist zu diesem Zeitpunkt bereits vorgespurt, ohne dass die Beteiligten zu diesem Zeitpunkt eine Ahnung davon haben.

Man beschliesst, dass Softwareentwicklung das Kerngeschäft des Unternehmens Logitech werden soll und nicht der Verkauf von Mäusen, geschweige denn deren Produktion. Die ersten Verträge sind viel versprechend: Das japanische Unternehmen Ricoh bestellt ein Layoutprogramm, die Uhrenfirma Omega ein Zeitmesssystem für die Olympischen Spiele von Los Angeles und Sarajewo. Trotzdem ist das Überleben nicht gesichert. Um über die Runden zu kommen, beginnt Borel, die an der EPFL entwickelten und für einen Nischenmarkt bestimmten Mäuse in die Vereinigten Staaten zu exportieren. Zusätzlich integriert Logitech die Maus in ihr Grafikprogramm. Gleichzeitig wird der Geschäftszweig für Computermäuse in Angriff genommen. Die Kunden bestellen massgeschneiderte Modelle; René Sommer programmiert die Prozessoren, Logitech übernimmt Herstellung und Verkauf.

Trotz diesen Erfolgen will sich die Firma auf Softwareentwicklung und -design konzentrieren und die Mäuseproduktion ihren Kunden überlassen. 1984 klopft Logitech am Tor des damals geheimnisumwittertsten Informatikunternehmens an: Hewlett-Packard. HP ist an der Maus interessiert, nicht aber an deren Produktion. Den Schweizern bleibt keine andere Wahl, als weiterzuproduzieren, nun aber nach den Wünschen des amerikanischen Riesen. «Die haben unsere Mäuse unter extremsten Bedingungen wie Wasserdampf, Säure und elektrostatischen Entladungen getestet», erinnert sich René Sommer, der in der Zwischenzeit freiberuflich auf Vollzeitbasis für Logitech arbeitet. «Wir haben gelitten. Gleichzeitig lernten wir aber damals unser Handwerk von der Pike auf.» Hewlett-Packard wird zum ersten Grosskunden von Logitech. Weitere folgen, darunter IBM, Compaq, Olivetti, Sun, DEC. Da keiner dieser Konzerne bereit ist, in die Produktion einzusteigen, bleibt diese an Logitech hängen. «Es war eine verrückte Lehrzeit», kommentiert Daniel Borel heute. «Es mag ja auf den ersten Blick nicht allzu schwierig erscheinen, doch als Hewlett-Packard darauf bestand, dass die Maustaste eine Million Klicks aushalten müsse, war das keine leichte Aufgabe.» Innerhalb weniger Jahre wandelt sich der Produktionsprozess der Maus von einer Bastelei zur Serienproduktion.

Fette Handelsmargen locken
Bis dahin ist Logitech ein unbekannter Name. Das Unternehmen ist auf dem OEM-Markt (Original Equipment Manufacturer) tätig, die Produkte werden aber unter dem Namen der Kunden vermarktet. Doch die fetten Einzelhandelsmargen locken. Paradoxerweise hat Microsoft mit ihrer Weigerung, mit Logitech zusammenzuarbeiten, den Ausschlag gegeben, dass sich Logitech vorwagt. «Hätte Microsoft in eine Zusammenarbeit eingewilligt, hätte es die Logitech-Maus vermutlich nie gegeben», kommentiert Borel. Deshalb entschliesst sich der Mäusehersteller, den Einzelhandel allein zu bearbeiten. In einer US-Fachzeitschrift preist Logitech die auf den Namen C7 getaufte Maus zu einem Preis von 99 Dollar an. Microsoft verkaufte ihre – qualitativ schlechteren – Mäuse für 179 Dollar. Allein die Gussformen für die 7er-Serie sind Logitech auf 100 000 Franken zu stehen gekommen. «Wir haben mit 50 000 verkauften Mäusen gerechnet», erinnert sich Marc Bidiville, Logitech-Ingenieur der ersten Stunde. Die C7 geht fast eine Million Mal über den Ladentisch! Der Preiskampf nimmt seinen Anfang.

Noch im gleichen Jahr kontaktiert Daniel Borel Apple: Im Lieferumfang eines jeden Computers dieser Firma ist eine Maus enthalten. Der Zeitpunkt ist goldrichtig, denn kurz zuvor hat Apple beschlossen, die Produktion der Mäuse und Tastaturen an die japanische APL auszugliedern. Logitech muss nun zu konkurrenzfähigen Preisen produzieren. Am Firmensitz in Romanel-sur-Morges, wo auch die Mäuse für den europäischen OEM-Markt produziert werden, ist es rasch klar: Das Heil liegt in Asien, von wo auch der Grossteil der Komponenten stammt.

1986 entscheidet sich Logitech für den neuen Industriepark in Hsinchu in Taiwan und rekrutiert lokale Mitarbeiter. Vorerst wird in den Fabriken noch die Maus C7 produziert, um mit deren finanziellem Erfolg die Investition einiger Monate zu amortisieren. Im Jahr darauf unterzeichnet Logitech den ersten Vertrag mit Apple Europe. Der Startschuss für die Massenproduktion ist gefallen. 1988 erfolgt aus Gründen der geografischen Nähe zu Apple die Eröffnung einer Produktionsstätte in Irland. Das Logo wird modernisiert und das Design der Produkte ausgefeilt. Mit zwei Millionen verkauften Mäusen und 400 Mitarbeitern wird ein Umsatz von 63 Millionen Franken erwirtschaftet. Zur Finanzierung der Expansion geht Logitech an die Börse.

Gemäss Daniel Borel erklärt sich der Erfolg von Logitech damit, dass die Maus als vollelektronisches Gerät angesehen wird, wo sie doch in erster Linie auf Software basiert. Und bei der Softwareentwicklung kennt sich das Team von Logitech aus. Die Erfahrung aus der Grafiksoftware für Bobst und Ricoh wird mit einem innovativen Ansatz in der Elektronik sowie einem ausgesprochen helvetischen Know-how in der Mikromechanik ergänzt. Bei den Detailhändlern in den Vereinigten Staaten geniesst die Marke wegen geringer Kundenreklamationen hohes Ansehen. Zudem hat sich kaum ein anderes Unternehmen auf die Forschung für ein so kleines Peripheriegerät konzentrieren wollen.

Lockeres Arbeitsklima
Das Geschäft floriert, der Umsatz steigt bis 1992 auf 321 Millionen, die Mitarbeiterzahl vervierfacht sich auf 1600. Für damalige Verhältnisse pflegt Logitech eine aussergewöhnliche Unternehmenskultur. Die Beschäftigten duzen sich. Neueintretende sind beeindruckt von der Nähe zwischen Mitarbeitern und Chef, von dessen Charisma. Daniel Borel, von allen nur «Bobo» genannt, arrangiert für den Ideenaustausch Breakfast-Meetings mit den Informatikern. Es wird «Thank God, it’s Friday» praktiziert: An diesem Tag erscheinen alle informell gekleidet zur Arbeit. Am meisten erstaunt Aussenstehende aber die überall greifbare Euphorie im Unternehmen.

Bis 1992. Da schlägt die Krise mit einer Geschwindigkeit ein, wie sie auch mit der nach dem Börsengang eingeführten vierteljährlichen Berichterstattung nicht voraussehbar gewesen ist. Der Import von Nachahmerprodukten aus Asien lässt die PC-Preise fallen, innerhalb weniger Monate halbiert sich der Verkaufspreis für OEM-Mäuse. Die Reaktion folgt auf dem Fuss: Der Verwaltungsrat verlangt eine Umstrukturierung, die vertikale Organisation wird durch Business-Units ersetzt. Das nächste Quartalsergebnis liegt wieder im Plus. Dennoch wird die Führungsetage umgebaut. Daniel Borel, nun Generaldirektor, reist in die USA, um dort dafür zu sorgen, dass der Gürtel enger geschnallt wird. Er setzt ein von einem Headhunter rekrutiertes Management ein.

Nach den Turbulenzen setzt Logitech auf Grösse, das Schlagwort einer «one billion dollar company» geistert durch die Köpfe. Analysten beanstandeten – anlässlich des Börsengangs 1988 – den Status der Logitech als Ein-Produkt-Unternehmen. Um diesen Makel zu beseitigen, wird kräftig investiert. Doch das Diversifikationstempo ist zu scharf. Logitech erwirbt 45 Prozent an Advanced Gravis Technology (Joysticks), akquiriert Gazelle (Schrifterkennung), lanciert den Farbscanner ScanMan, den FotoMan, gefolgt vom AudioMan. Einigen Produkten wird eine rosige Zukunft prognostiziert, doch die meisten kommen zu früh auf den Markt. Die Soundkarte SoundMan passt überhaupt nicht mehr in die bisherige Produktelinie. Die Verkaufszahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück, 1994 rutscht Logitech während zweier Quartale wieder in den Verlust.

Eine rigorose Restrukturierung drängt sich auf: Die irische und die amerikanische Produktionsstätte werden geschlossen, ebenso die Abteilungen für Sound und Kommunikation in Romanel, die Fabrikation nach Taiwan und China verlagert, der europäische Vertrieb von Irland nach Holland verlegt. Man beschränkt das Produktsortiment auf drei Achsen: Mäuse, Scanner (ab 1998 wieder fallen gelassen) und digitale Videotechnik. Der erste Joystick wird lanciert. Gemäss Fiorenzo De Palma, damaliger Ingenieur im Hause Logitech, «dachten alle am Schweizer Hauptsitz, dass ‹Bobo› nur aus Mangel an Visionen in die Soundkarte investierte. Im Nachhinein glaube ich aber, dass er eher naiv war und wahrscheinlich unter dem Einfluss des amerikanischen Managements stand.»

Auch Anfang der Neunzigerjahre bleibt die Maus noch das Kerngeschäft. Logitech setzt alles daran, die Kosten bei einer gleichzeitigen Verbesserung des Produkts zu senken. Von Jahr zu Jahr fordern die Computerhersteller tiefere Preise, die Margen schrumpfen. Im Detailhandel aber kann sich Logitech wieder fangen; mittlerweile trägt dieser Bereich 80 Prozent zu den Verkäufen bei. 1990 wird der Mechanismus der Maus radikal vereinfacht und das Engineering des Zeigegerätes nach Taiwan verlagert. «In der Schweiz hatten wir das Gefühl, man wolle uns Arbeit wegnehmen», bemerkt Marc Bidiville. Doch diese Verlagerung verleiht anderen Forschungsbereichen neue Impulse, insbesondere der Marble-Technologie, die in Zusammenarbeit mit dem CSEM (Centre Suisse d’éléctronique et microtechnique) in Neuenburg entwickelt und zu einer Exklusivität von Logitech wird.

Immer mehr neue Produkte
Mitte der Neunzigerjahre möchte Daniel Borel Abstand zum Unternehmen gewinnen und schaut sich deshalb nach einem Nachfolger um. Der Ausstieg des Mitgründers Pierluigi Zappacosta verstärkt Borels Suchbemühungen noch. Schliesslich findet er eine Art «Bruder, den ich nie hatte», wie Borel gerne sagt. Dieser heisst Guerrino De Luca und hat sich bei Apple einen guten Ruf im Marketing erworben. Im Februar 1998 nimmt er auf dem Sessel des Firmengründers Platz. Schnell stehen De Lucas Prioritäten fest: ausschliesslich für den Verkauf produzieren. Neben den Mäusen liegt das Schwergewicht nun auch auf Desktops (Einheit Tastatur/Maus), Webcams (Akquisition von Quickcam 1998), Audiosystemen (Kauf von Labtec im Februar 2001) und auf den Forced-Feedback-Joysticks (Abkommen mit Sony über das Playstation-Lenkrad). Das Resultat schlägt sich in den Quartalszahlen nieder: neue Rekordwerte für Umsatz und Gewinn am laufenden Band.

Das Schweizer Unternehmen ist mit der Maus gross geworden. Mittlerweile stammt weltweit jede dritte Computermaus von Logitech, bis Ende dieses Jahres werden 400 Millionen verkauft sein. Und doch machen die Mäuse kaum mehr die Hälfte des Umsatzes aus. Dieser Trend wird sich noch verstärken.

Für die Zukunft teilen Borel, heute Präsident des Verwaltungsrats, und De Luca eine fast identische Vision: Der PC wird an Bedeutung verlieren, die Peripheriegeräte an Geltung gewinnen. Aus diesem Grund kann der Einbruch bei den PC-Verkäufen Logitech nicht viel anhaben. Zum neuen Paradeprodukt entwickeln sich mit fünf Millionen verkauften Stück die Kameras, während das Instant-Messaging-System im Internet neue Rekorde bricht. Mittelfristig soll der Benutzer «bei der Entwicklung eines absolut kabelfrei vernetzten Hauses begleitet werden», so Borel. Deshalb muss auch Logitech kontinuierlich Neues auf den Markt bringen. Alleine im Jahr 2000 werden 25 neue Produkte lanciert, unterstützt von einer leistungsfähigen Logistik, die einer Maschinerie für die Befriedigung des Just-in-time-Bedarfs gleicht.

Und genau da liegt eine weitere Sorge des Firmenchefs: «Eine ideale Produktionspipeline liegt bei sechs bis neun Monaten», schätzt Guerrino De Luca. «Wir haben diese Zeitspanne durch die Integration verschiedener Schritte bereits um die Hälfte reduziert.» Da die Produktionsstätten in China liegen, nimmt der Transport auf dem Seeweg sechs Wochen in Anspruch, mit anderen Worten sind die Produkte für sechs Wochen blockiert. Was tun? «In zwei Jahren werden wir die Hälfte unserer Produktion nach Mexiko und Osteuropa verlagert haben.» Logitech wird wohl nie richtig zur Ruhe kommen.
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