Der konventionelle Detailhandel darbt, das Online-Shopping floriert: Was sich im Retail-Bereich abspielt, erinnert an die Goldräusche vergangener Tage. Aktuell fluten internationale Player wie Zalando und Aliexpress die Schweiz mit Paketen; inländische Champions wie Digitec Galaxus und Brack.ch werden laufend stärker.

Der Trend ist klar: Digital duscht Shoppingcenter, Fachmärkte und das Fachgeschäft ums Eck kalt ab – vor allem im Nonfood-Bereich. 16 Prozent aller Einkäufe im Bereich Mode, Elektronik, Bücher, Medien und Sportartikel werden in der Schweiz schon übers Netz getätigt; die Branche erwartet einen Anstieg bis auf 20 Prozent im nächsten Jahr. Gemäss den jüngsten Zahlen der Marktforscher von Net-Metrix kaufen sieben von zehn Schweizer Internetnutzern online ein.

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Deutschland mit E-Commerce-Lehre

Zwar tritt bei dieser Form des Shoppings kein einziger Mensch physisch auf der Gegenseite auf. Aber natürlich ist beim Management des digitalen Goldrausches viel analoger Hirnschmalz nötig.

IT-Entwickler und User-Experience-Gestalter sind hier ebenso gefragt wie Logistiker in Lager und Belieferung. Auf der Vertriebsseite braucht es Online-Marketing-Wunderwuzzis, Suchmaschinenprofis, Social-Media-Evangelisten und Sortimentsgestalter. Sowie natürlich Strateginnen und Strategen, die sich nicht nur von Zuwachsraten blenden lassen, sondern auch ein Auge auf Rentabilität, Geschäftsmodell und Konkurrenz haben sollten.

In Deutschland wird der E-Commerce auch als Wachstumsfeld für den Nachwuchs eingestuft. Seit letztem Jahr wird im Nachbarland erstmals eine Lehre als «Kaufmann/Kauffrau im E-Commerce» angeboten. Rund 1400 junge Leute haben als erster Jahrgang ihre Lehre angetreten, einiges mehr als die vom Handelsverband Deutschland (HDE) erwarteten 1000.

Aus dem dreijährigen Rahmenlehrplan der Digital-Azubis: Verträge im Online-Vertrieb anbahnen; Online-Marketing-Massnahmen umsetzen und bewerten; Online-Vertrieb kennzahlengestützt optimieren; Rückabwicklungsprozesse bearbeiten.

Schweiz: Neu lancieren oder einbauen?

In Deutschland, wo der US-Aggressor Amazon von Jeff Bezos eine dominante Rolle im E-Commerce spielt, ist man offenbar daran interessiert, die Kids für die Märkte von morgen auszubilden. Wohl auch mit dem Gedanken, dass die eine oder der andere von ihnen damit befähigt wird, dereinst Nachfolger der deutschen Online-Platzhirsche Zalando, Outfittery, About You oder Notebooksbilliger.de auf die Beine zu stellen.

Oder, in einem internationalen Kontext: Heute schon Jens und Jessica so in Form bringen, dass sie dem Werkplatz morgen Flügel verleihen können. So wie es Jeff für Amazon tat und tut.

Die Frage stellt sich: Sollte da die Schweiz nicht auch mitziehen und eine neue E-Commerce-Lehre lancieren? Angekommen ist der Push für ein «Bezos-Brevet», wie ein hiesiger Branchentiger die deutsche Ausbildung nennt, auf jeden Fall: «Wir kennen dieses neue Angebot», sagt Sven Sievi, Geschäftsführer Bildung Detailhandel Schweiz (BDS).

Thema in der Schweiz angekommen

Derzeit evaluiere die Organisation «alle Möglichkeiten, den E-Commerce abzubilden». Dazu gehöre grundsätzlich auch die Erarbeitung einer eigenen E-Commerce-Grundbildung. Das Timing wäre ideal. Denn aktuell, so Sievi, laufe hierzulande die Reform «Verkauf 2022+»: «Wir wollen die Berufe im Detailhandel fit machen für die Zukunft. Dieses Thema steht zuoberst auf unserer Agenda.»

Was auch auf Sievis Agenda steht: ein gewisser Ärger darüber, dass die grossen ausländischen Player, die den E-Commerce hierzulande aufmischen, nichts für Arbeitsplätze und Ausbildung tun: «Wer auf dem Schweizer Markt auftritt, sollte auch in Schweizer Ressourcen investieren. Wenn Firmen nur Geld abschöpfen, aber hier nicht verankert sind, dann ist das störend.»

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